Wandern im Allgäu | BERGSTEIGER Magazin

Wandern im Allgäu

Sehr spektakulär, abwechslungsreich, botanisch vielfältig – das sind die Vorzüge dieser Panorama-Route für Trittsichere und Schwindelfreie im Grenzrevier zwischen Oberstdorf und dem Kleinwalsertal. | Von Gaby Funk

 
Eine der schönsten Perspektiven im Allgäu: Blick von Einödsbach hinauf zum Allgäuer Hauptkamm mit Trettachspitze, Hochfrottspitze und Mädelegabel. Alle Fotos: Gaby Funk/Christine Kopp © Alle Fotos: Gaby Funk/Christine Kopp
Eine der schönsten Perspektiven im Allgäu: Blick von Einödsbach hinauf zum Allgäuer Hauptkamm mit Trettachspitze, Hochfrottspitze und Mädelegabel.
Zuerst dieser Blick in Einödsbach über die in der Sonne grell weiß leuchtende Kapelle hinauf zu den dunkel gebeizten Holzhäusern inmitten der grünen Wiesen und zu den steilen Felswänden von Trettachspitze, Mädelegabel und Hochfrottspitze darüber! Kurz darauf der wild wirkende Weg durchs Bacher Loch, wo oft bis in den Hochsommer hinein Lawinen- und Altschneereste liegen und man unten am Bach entlang durchs mannshoch wuchernde Grün stapft. Nach dem kleinen Wasserfall schließlich der sich in Serpentinen über den sonnigen Hang nach oben ziehende Weg, der im Fels unterhalb der Hütte mit Handlaufseil und Metall-Brücke abgesichert ist. Von dort sieht man es schon, das Waltenberger Haus, inmitten bunter Bergwiesen unter den mächtigen Felsen des Hüttenberges der Guten Hoffnung. Zweifellos ist dieser Zustieg einer der spektakulärsten in den Allgäuer Alpen.

Am Heilbronner Weg

Auf dem kurzen Hin- und Rückweg ab Bockkarscharte lernt man auch gleich noch den einzigen Allgäuer Gletscher kennen, den es noch gibt: den Schwarzmilzferner, der – auch wenn er ausschaut wie ein Altschneefeld – nachweislich ein Gletscher ist. Wer weiß, wie lange es ihn noch gibt?! Beginnt man nach der Mädelegabel-Exkursion den technisch anspruchsvollen Abschnitt des Heilbronner Weges mit Überschreitung des Bockkarkopfes bis hinüber zur Großen Steinscharte, dann offenbart sich einem sofort der Charme dieses ersten abgesicherten Höhen- und Hüttenverbindungsteiges in den Nördlichen Kalkalpen, der seit seiner Eröffnung 1899 bis heute zahlreiche Besucher anzieht und begeistert. Will man eine kürzere, aber ebenfalls spektakuläre und anspruchsvolle Route begehen, dann kann man vom Waltenberger Haus direkt durchs Vordere und Hintere Bockkar zur Socktalscharte aufsteigen. Dort genießt man noch den teils abgesicherten Weg über den Felskamm am Wilden Mann und der Rotgundspitze, inklusive der legendären Brücke und des Heilbronner Törle, dem markanten Felsspalt an der Kleinen Steinscharte. Die überraschend schöne Route ist bei Nässe stellenweise heikel – vor allem zu Saisonbeginn sollte man »Mandi« nach ihrem Zustand fragen.

Die 1885 eröffnete Rappenseehütte gehört zu den bekanntesten, größten und am häufigsten besuchten Hütten im deutschen Alpenraum. Sie liegt idyllisch: auf einem grünen Aussichtsbalkon an zwei kleinen Seen unter steil in den Himmel ragenden Bergen – der  Ausblick auf die Schafalpenköpfe, den Mindelheimer Klettersteig, den Liechelkopf und die Gebirgszüge dahinter ist auch beeindru­ckend. Die Hütte nimmt an der DAV-Aktion »So schmecken die Berge« teil und serviert Köstliches aus regionalen Produkten – das Angebot ist vielseitig, auch Vegetarier werden fündig. Der Übergang zur kleinen, privaten Widdersteinhütte hat am tief eingeschnittenen, feuchten Mutzentobel und am Schrofenpass zwar auch abgesicherte Stellen, setzt aber Akzente als prächtiger Panoramaweg, der bis zur kleinen, privaten Widdersteinhütte unter der gewaltigen Südflanke dieses bekannten Kleinwalsertaler Berges neben dem Ausblick  auch noch durch botanische Vielfalt glänzt.

Hier sollte man vielleicht auch die Übernachtung im Vorfeld buchen – statt weit über 300 Plätze wie auf der Rappenseehütte, gibt es hier nur 28. Wer dort ist, will nach einer Rast mit österreichischen Spezialitäten wie Kaiserschmarrn, Germknödel oder Knödelsuppe bestimmt den prächtigen Widderstein durch dessen Südflanke besteigen, wofür man insgesamt etwa drei Stunden kalkulieren sollte, je nach Schaulust am Gipfel länger. Eine Besteigung am Nachmittag ist sowieso am schönsten, da man dann nicht zusammen mit vielen anderen Bergfans in der schotterreichen und dann auch steinschlaggefährdeten Flanke unterwegs ist. Wer die Stirnlampe mitnimmt und Gehzeiten einhalten kann, wird so die Besteigung  in vollen Zügen genießen und ist oben allein unterwegs – abgesehen von den Steinböcken, die sich dort oft sehen lassen.

Auf den Spuren der Walser

Der Abstieg durchs schöne Bärgunttal wird tags darauf noch spannender, wenn man sich unterwegs – vor allem an den Steilstellen – vorstellt, wie hier 1270 die ersten Walserfamilien, rund 30 Personen mit Kindern, Vieh und voll beladenen zweirädrigen Karren ins Kleinwalsertal abstiegen, um sich anzusiedeln. Kurz vor Baad sollte man sich noch in aller Ruhe bei Sabine Ott, der sympathischen Hüttenwirtin der Bärgunthütte stärken, bevor man den stillen Aufstieg zum Derrenjoch in Angriff nimmt. Auf dem spektakulären Grenzkamm zwischen dem Kleinwalsertal und dem Bregenzerwald geht’s auf schmalem, teils abgesichertem Steig übers Starzeljoch zur Ochsenhofer Scharte oberhalb der Schwarzwasserhütte – eine herrliche Panoramatour, die tags darauf ihre Fortsetzung findet bei der Überschreitung der Ochsenhofer Köpfe: Der Pfad über die Köpfe führt durch duftende Rhododendren, hohe Pflanzenstauden und über kurze Fels-Passagen. Noch einmal genießt man bezaubernde Ausblicke: übers Kleinwalsertal,  auf den mächtigen Widderstein, auf Zwölfer-, Elfer- und Liechelkopf…Und hin und wieder öffnet sich der Blick nach Norden zum Hohen Ifen, diesem markanten Schrägdach neben der Karstwüste des Gottesackerplateaus. Es ist wirklich kein Wunder, dass man beim Abstieg längst darüber nachdenkt, wann man seine Erkundung des deutsch-österreichischen Grenzgebiets da drüben fortsetzen kann.
 
Gaby Funk
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 05/2009. Jetzt abonnieren!
 
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