Das große Bergsteiger-Interview mit Alex Honnold

»Wir Amerikaner tun uns leichter«

Leben aus dem Koffer, die Anschrift bei der Mutter: Obwohl Alex Honnold zu den bekanntesten Kletterern zählt, führt er ein recht bescheidenes Leben. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb er ohne große Vorbereitung und Brimborium eine fünftägige Überschreitung in Patagonien hinlegte.
 
Kletterschuhe, Chalk-Bag und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten: Honnold an der 650 Meter hohen Wand des Half Dome © Andrew Burr
Honnold an der 650 Meter hohen Wand des Half Dome
BERGSTEIGER: Red Bull hat viel Zeit, Geld und Energie in das Cerro-Torre-Filmprojekt mit David Lama gesteckt. Sie haben die »Fitzroy-Traverse«, eine fünftägige Überschreitung des Fitzroy-Massivs in Patagonien, ohne großes Aufhebens mit einem Freund unternommen. Ihre ganze Kameraausrüstung: ein kleines Handy mit Foto- und Filmfunktion. Ist ihre demonstrative Bescheidenheit auch ein Kommentar zum Cerro Torre?
Honnold: Es war David Lamas Traum, den Cerro Torre im Alpinstil zu klettern. Die Tatsache, dass Red Bull einen Film machen wollte, hat nichts damit zu tun, dass David frei auf diesen Berg hinauf wollte. Ich reagiere sehr sensibel auf solche Dinge. David ist ein professioneller Kletterer, er muss davon leben, also muss er auch Filme machen. Das ist einfach so heutzutage. Wenn sein Sponsor seinen Klettertraum unterstützt und daraus einen Film machen will, dann kommt er aus der Nummer auch nicht mehr raus.

BERGSTEIGER: Ohne totale Vermarktung würden große Kletterprojekte Träume bleiben?
Ich mache auch Filme. Nicht mit diesem Budget und nicht in diesen Ausmaßen, aber klar: Auch ich habe unzählige Medienprojekte für und mit meinen Sponsoren gemacht. Der einzige Unterschied ist das Ausmaß. Bei Red Bull ist es halt immer die ganz große Nummer.

BERGSTEIGER: Wollte Ihr Hauptsponsor, The North Face, kein Kapital aus der verwegenen »Fitzroy-Traverse« schlagen? Es war ja immerhin eine Erstbegehung.
Honnold: Das Patagonien-Projekt war nur das Ding von meinem Freund Tommy und mir. Es gab keine Filmpläne. Tommys Sponsor »Wheaties«, ein Hersteller von Müsliflocken, gab ihm eine ganz kleine Handykamera und die Botschaft mit auf den Weg: Wenn du filmen willst, film! Und Tommy mag Videos. Deshalb hat er mich auch in den unmöglichsten Situationen aufgenommen, zum Beispiel fluchend oder mampfend.

BERGSTEIGER: Sie hätten einen professionellen Fotografen mitnehmen können.
Honnold: Nein, no way! Wir sind fünf Tage lang durchgeklettert. Es ist das erste Mal, dass überhaupt jemand diese Traverse geschafft hat. Da kannst du nicht auch noch fotografieren. Patagonien war gewissermaßen eine Ferienidee für mich. Direkt davor hatte ich mit The North Face einen Film über Free-Solo-Routen in Mexiko gemacht. Das ist »Arbeit« für mich. Fitzroy war einfach eine private Geschichte mit einem Freund. Im Jahr zuvor war ich ein paar Wochen in Alaska unterwegs. Dort gab es auch ein wenig Schnee und Eis und 1500 Meter hohe Wände. Aber Patagonien war schon eine andere Nummer. Wir nannten es unsere »extreme Rucksackreise«. Wir kletterten den ganzen Tag und auch noch bei Vollmond und schlugen irgendwann das Zelt auf. Wir schliefen auf den Gipfeln, am Grat. Es war echt großartig!

BERGSTEIGER: Sie betonen gerne, dass Sie weder Eis, noch Schnee, noch die Kälte mögen. Warum dann Patagonien?
Honnold: Am Fitzroy gibt es im Sommer fast kein Eis, es ist vor allem Felskletterei. Aber auch wenn ich Schnee und Eis nicht mag, ist es doch wichtig, in ihnen klettern zu können, wenn ich es muss. Wenn man das kann, eröffnen sich neue Möglichkeiten: größere Wände.
Text: Michael Ruhland, Sandra Zistl; Fotos: Honnold, Andrew Burr
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 11/2014. Jetzt abonnieren!
 
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