»Ein gutes Buch ist wie Musik« | BERGSTEIGER Magazin
Das große Bergsteiger-Interview mit Reinhild Messner und Eugen E. Hüsler

»Ein gutes Buch ist wie Musik«

Beide feiern im September ihren 70. Reinhold Messner ist nicht nur der bekannteste Bergsteiger der Welt, sondern auch wirtschaftlich der erfolgreichste. Eugen E. Hüsler gilt als »Klettersteig-Papst« und kommt auf weit über 100 Buch-Publikationen. Im BERGSTEIGER-Gespräch verraten sie, was ein gutes Buch ausmacht und ob das Bergbuch eine Zukunft hat.
 
Das große Bergsteiger-Interview mit Reinhold Messner und Eugen E. Hüsler © Manfred Kostner
Das große Bergsteiger-Interview mit Eugen E. Hüsler
BERGSTEIGER: Auf wie viele Publikationen kommen Sie, Herr Messner?
Messner: Eigenständige Bücher sind es keine 50. Viele Leute beurteilen den Umfang meines Werks falsch, weil ich eine Reihe Bücher herausgegeben habe. Die laufen dann als meine Bücher, was nicht richtig ist. Aber Verleger tun das gerne. Ich finde es dem Leser gegenüber nicht fair, und mir gegenüber auch nicht.

BERGSTEIGER: Wie hoch ist die verkaufte Auflage?
Messner: Sie dürfte – international – zwischen fünf und sechs Millionen liegen.

BERGSTEIGER: Herr Hüsler, wie viele Bücher haben Sie auf den Markt gebracht?
Hüsler: Mehr als hundert. Irgendwann hatte ich aufgehört zu zählen. Meine Frau Hildegard brachte mich vor ein paar Jahren darauf, die genaue Zahl zu bestimmen. Damals waren es 100, dann dürften es jetzt circa 120 sein.

BERGSTEIGER: Sind da Zweitaufgüsse mit dabei?
Hüsler: Ja, das eine oder andere in veränderter Form, erweitert, das lässt sich gar nicht vermeiden. Bei Ihnen, Herr Messner, ist die Themenvielfalt größer. Ich habe lange Zeit versucht, nicht nur Klettersteig- Bücher zu machen. Das ist mir ab und zu gelungen. Meistens gegen größere Widerstände. Zum Beispiel das Buch »Bedrohtes Paradies Alpen«. Das habe ich viel lieber gemacht als fünf Klettersteigführer …
Messner: … es funktioniert nur leider nicht. Das wollen die Leute nicht lesen.
Hüsler: Und die Verleger nicht verlegen. 

BERGSTEIGER: Dem Bergbuch als Genre geht’s nicht besonders gut. Herr Messner, Sie könnten noch ein siebtes Museum konzipieren und es dem Bergbuch als Würdigung widmen?
Messner: Nein, da bin ich nicht Ihrer Meinung. Bergbücher gehören in die Regale, in die Bibliothek. Ich muss ausnahmsweise den Deutschen Alpenverein loben, der eine großartige Bibliothek aufgebaut hat. Der DAV hat mit einer Million Mitgliedern zum Glück die finanziellen Mittel, solch eine Bibliothek zu pflegen. Ich überlege, ob ich in eins der Museen die wertvollen Bücher zum traditionellen Alpinismus stelle.

BERGSTEIGER: Wie kommt’s?
Messner: Ich habe Angebote von älteren Bergsteigern, die ihre Bücher abgeben möchten, wenn ich sie zugänglich mache.

BERGSTEIGER: Wertvoll in welchem Sinne?
Messner: Das Zsigmondy-Buch zum Beispiel, Mummery ist großartig, die Mallory- Geschichten. Die besten Bergbücher sind doch über hundert Jahre alt…
Hüsler: … das stimmt so nicht.
Messner: Fakt ist, dass schon früh Wesentliches gesagt war, was später wieder vergessen wurde. Übrigens bin ich der Ansicht, dass Bergbücher in Deutschland heute besser als vor 20 oder 30 Jahren funktionieren. Weltweit gibt es keinen so guten Bergbuch- und Vortragsmarkt wie im deutschen Sprachraum – was die Zuschauerzahlen und Eintrittspreise betrifft.

BERGSTEIGER: Woran liegt das?
Messner: Nicht nur, weil ich das aufgebaut habe. In bald 50 Jahren! Zuvor war der Vortrag kaputt, man bekam 100 Euro für einen Abend. Ich habe die Preise gehoben, ich habe eine Seriosität in das Genre gebracht – und plötzlich gingen auch Leute hin, die sonst die Berge nur von unten anschauten. Spitzenbergsteiger als Motivatoren sind heute Standard bei Top-Veranstaltungen. 
Hüsler: Beim Buchmarkt kann ich eine positive Entwicklung nicht erkennen. Wenn ich mir die Auflagen anschaue – ob die Bücher gut oder schlecht sind, ist eine andere Frage –, dann komme ich zu dem Schluss, dass das gedruckte Medium ein Auslaufmodell ist.
Messner: Gut, einzelne Bücher erreichen nicht mehr die Auflagen wie in den 1960er- Jahren, das erste Bonatti-Buch oder das Buhl-Buch zum Beispiel. Damals gab’s aber nur drei Bücher pro Jahr, die das Thema Berg behandelten. Die 8000er-Zeit bediente nationale Emotionen, ein großer Hype. Das Hillary-Buch beispielsweise wurde ein Bestseller. Heute ist unglaublich viel auf dem Markt, 80 Prozent der Bergbücher, wenn nicht mehr, schreiben Ghostwriter. Immer die gleichen Leute. Kaum ein Autor hat den Mut, das auch zu sagen.
Text: Michael Ruhland, Fotos: Manfred Kostner, Archiv Messner, Archiv Sepp Mayerl
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 09/2014. Jetzt abonnieren!
 
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