Der Grüne Ring am Arlberg | BERGSTEIGER Magazin
Wanderparadies Lech-Zürs

Der Grüne Ring am Arlberg

Wenn der Schnee schmilzt und das Après-Ski-Partyvolk abgereist ist, zeigt sich am Arlberg in Lech-Zürs ein stilles Wanderparadies. Statt dem Skizirkus stehen dann Fabeln und Sagen im Vordergrund. Unterwegs auf dem Weitwanderweg »Der grüne Ring«.
Von Nina Hölmer
 
700 Jahre Geschichte: die ehemalige Walser- Siedlung Bürstegg am Arlberg © Lech Zürs Tourismus (dankio, Bernd Fischer)
700 Jahre Geschichte: die ehemalige Walser- Siedlung Bürstegg am Arlberg
Die Zeit war nicht allzu gnädig mit ihm. So grau ist sein Körper aus dem einst hell strahlenden Holz geworden, dass er sich kaum noch von den Felsen unterscheidet, die ihn umgeben. Wie Falten haben Geröll und Schnee, Wind und Wasser Spuren an ihm hinterlassen. Aber er kann nicht fort, muss weiter seine mühselige Arbeit am Stierlochkopf verrichten. Seit Ewigkeiten räumt der Riese Taurin hier oben auf. Er fand die Form des Berges perfekt und war entsetzt, wenn der Stierlochkopf mal wieder tat, was Berge eben so tun: sich bewegen, in die Höhe falten, Steine gen Tal rieseln lassen. Taurin brach in Tränen aus und räumte die schweren Felsbrocken nach oben, um sie erneut aufzuschichten. Ganz umsonst waren seine Mühen nicht. Immerhin haben sie Taurin ein Denkmal verschafft. In 2000 Metern Höhe hat ihn der Bildhauer Daniel Nikolaus Kocher als sechs Meter hohe Lärchenskulptur auferstehen lassen.

Wer dem Wanderweg »Der Grüne Ring« rund um die Berge von Lech-Zürs am Arlberg folgt, begegnet ihm am zweiten Tag. Zwei Kilometer zuvor haben die Besucher bereits Taurins Höhle passiert. Dort überwinterte der Riese und soll sein Hab und Gut vor den kleinen Kobolden, die in der Wollgraswiese nebenan hausten, versteckt haben. Der einzige Mensch, der davon hätte berichten können, war ein Mann, der vor einem Unwetter Schutz in Taurins Höhle suchte. Doch als er Tage später dem verwinkelten Felsgewölbe entkam, war er stumm, ergraut und starb wenig später. Aber nicht nur die Geschichte des Riesen begleitet Besucher auf dem Wanderweg. Auch Butzen, Feen und blutrünstige Samurai sind präsent.

In drei Tagen führt »Der Grüne Ring« auf den Spuren der legendären Skirunde »Der Weiße Ring« rund um die Berge von Lech-Zürs am Arlberg. Während beim Skirennen mehr als 1000 Teilnehmer gleichzeitig starten und die Berge in eine schillernde Sportarena verwandeln, hat der Sommer-Vertreter ein anderes Ziel. Die Natur soll in den Vordergrund rücken, der Wanderer die Langsamkeit wiederentdecken und sich auf die Sagenwelt einlassen. Es ist ein schöner Kontrast, den Wanderer hier erleben. Denn natürlich ist die Region Lech Zürs, die zu den Top-Wintersportzielen schlechthin gehört, gezeichnet vom Skizirkus. Die Lifte, die Beschneiungsanlagen, die Pisten – sie haben Spuren in der einst so wilden Landschaft hinterlassen, auch im Sommer. Doch wenn der Schnee schmilzt und die klirrenden Gläser der Après-Ski-Partys nur noch in der Erinnerung nachhallen, zeigt sich die Region überraschend vielseitig. Neben diversen Tagesausflügen existieren auch einige Weitwanderwege wie etwa der 120 Kilometer lange Lechweg.

Walser-Spuren am Arlberg

Lange bevor clevere Einheimische das Potential der Region Lech-Zürs als Tourismusregion erkannten und vermarkteten, waren es die Walser, dieses raue Volk der Bergbauern aus dem Wallis, die sich am Tannberg niederließen. Die erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1313. In hunderten von Jahren schufen die Bauern zwischen Lech, Warth und Schröcken in harter Arbeit diese Alpenlandschaft. Richteten im Weißen Haus (das schon so hieß, als die USA gerade erst ihre Unabhängigkeit erklärt hatten) nach dem Walserrecht. Neben der freien Erbleihe beinhaltete dieses vor allem die persönliche Freiheit, die den Walsern Kauf und Verkauf und selbstbestimmten Abzug zusicherte. Wer mit offenen Augen am Tannberg unterwegs ist, erkennt auch sieben Jahrhunderte später an jeder Ecke Spuren der Walser.

Beispiel Auensattel: Einst war dies der wichtigste Übergang von Lech nach Warth und Schröcken. Über diese Lebensader zogen Händler und Rösser. Heute sind auf den einfachen Wegen Wanderer und Hunde unterwegs. Von dort sind es nur noch knapp zwei Kilometer bis nach Bürstegg. Wie in einem alten Gemälde liegen die zwei Walserhöfe und die schlichte Kirche auf den sanften Südhängen des Karhorns. Die Alpmatten, die im Sommer so idyllisch wirken, garantierten den Walsern fruchtbare Weiden. Doch im Winter, wenn der Schnee sich meterhoch ans Haus schmiegte, die Lawinen ständig ins Tal donnerten und den Weg nach Lech unmöglich machten, dann war Bürstegg ein eisiges Gefängnis für seine Bewohner, die nichts tun konnten als auf den Frühling zu warten. 1886 verließen die letzten Walser ihre Häuser hier oben. Zurück blieben Zeugen harter Arbeit und unbändigen Willens. Und die höchstgelegene Kirche des Landes, St. Martin. Aber das ist eine weitere Geschichte, die es hier in Lech Zürs beim Wandern zu entdecken gilt.

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Nina Hölmer
 
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