Auf Skiern durch das Pamir-Massiv

Freiheit finden in Kirgistan

Wie fühlt sich Freiheit an? Wo findet man sie? Und warum wird man süchtig danach? Tom, Artur, Willi und Thomas waren im April auf einer Expedition im Pamir-Massiv. Von dort haben die Jungs tolle Bilder und einen wirklich beeindruckenden Bericht mitgebracht.
 
Auf Skiern durch das Pamir-Massiv © Tom, Artur, Willi und Thomas
Auf Skiern durch das Pamir-Massiv
Seit fünf Jahren gehen Tom und ich zusammen auf Skitouren. Eigentlich gehen wir viel mehr Freeriden, nur ist uns der Zirkus, die Scharen von Touristen und die Leute mit Champagner und Pelzmänteln einfach zu dumm geworden. So fingen wir an die Berge, in die wir unsere Lines ziehen wollen, auch selbst zu besteigen. Zunächst noch mit Schneeschuhen in den Voralpen, nach und nach wurden aber die Gipfel höher, die Hänge steiler und die Couloirs enger.

Bei jeder Tour die wir machten, entdeckten wir bereits das nächste Ziel. Unsere Neugierde und Entdeckungsdrang wurden geweckt und sind seither nicht mehr zu stoppen. Bald haben wir dann die Schneeschuhe gegen Splitboards getauscht. Mit der Zeit entwickelten wir uns von Pisten-Freeridern zu Alpinisten. So sind Seil, Steigeisen und Pickel zu unverzichtbaren Begleitern auf unseren Touren jenseits ausgetretener Spuren und überlaufener Gipfel geworden.

Sehnsuchtsort Kirgistan

Die Idee früher oder später auch mal etwas ausserhalb der Alpen zu machen, lag da quasi auf der Hand. Da meine Frau in Kirgistan geboren und aufgewachsen ist, fiel unser Augenmerk schnell auf das unbekannte, wilde, wunderschöne und vor allem vom Hochgebirge dominierte Land in Zentralasien.

Bei der Planung unserer Expedition waren wir uns sehr schnell einig, was uns wichtig ist. Wir sind nicht die Typen, die sich in eine kommerzielle Expedition einkaufen. Der Natur, dem Berg und seinen Launen ausgesetzt zu sein, selber Entscheidungen zu treffen und mit fairen Mitteln zu kämpfen, versprüht den Hauch von Freiheit und Entdeckerdrang, den wir in unserer Gesellschaft so missen.

Sehr oft musste ich mir Vorwürfe aus meinem privaten Umfeld anhören. Dort wo wir hingehen würden, würde es keine Bergwacht, keine medizinische Versorgung, einfach niemanden der uns helfen oder retten könne, geben. Als Familienvater sei es unverantwortlich so ein hohes Risiko einzugehen. "Warum macht ihr das?" Wir fragen uns eher umgekehrt: So viele Abenteuer, unvergessliche Eindrücke und überwältigende Gefühle, wie kann man sich so viel für so wenig vermeintliche Sicherheit entgehen lassen?

Peak Kurumdy im Pamir-Massiv

Für uns war also klar: Wir gehen alleine, wir tragen alles was wir brauchen selber, wir gehen dahin wo noch möglichst wenig andere waren und wo es dementsprechend wenig Informationen und viel zu entdecken gibt. Unsere Auswahl viel dabei nach einigem Kartenstudieren auf das gewaltige Pamir-Massiv im Süden Kirgistans. Im Dreiländereck (China/Tadschikistan/Kirgistan) entdeckten wir den Peak Kurumdy. Bis jetzt wissen wir nicht wirklich wie oft dieser 6613 Meter hohe Gipfel bestiegen wurde (vielleicht nur ein mal). Ziemlich sicher hingegen ist, dass noch nie jemand mit Ski oder Snowboards dort heruntergefahren ist.

Ziemlich schnell wurde uns aber auch bewusst, dass wir unmöglich aus eigenen Mitteln so eine Expedition komplett stemmen können. Auf der Suche nach weiteren Unterstützern neben unserem Sponsor Haglöfs haben wir uns dann an den Sport Trend Shop (STS) in Hinwil, gewandt. Der STS fand unsere Idee sofort klasse und war gleichzeitig doch ein wenig skeptisch und ungläubig. „Seid ihr euch bewusst, was ihr euch da vorgenommen habt“, so tönte es. Schliesslich sind wir ja keine Profis. Schlussendlich haben sie dann doch an uns geglaubt und haben uns mit Material und ausgezeichneter Fachberatung unterstützt.

Mit dem Fahrrad nach Kirgistan

Im Oktober 2014 traf ich einen alten Freund aus Kindertagen, der schon seit mehreren Jahren durch die Welt reist. Zuerst mit dem Motorrad und in den letzten zwei Jahren mit dem Fahrrad. Als ich ihm von unseren Plänen erzählte, war er begeistert und entschied spontan, dass er mitkommen wolle. Willi, so heißt er, ist weder alpinistisch sehr erfahren, noch kann er Ski oder Snowboard fahren. Aber er war von der Idee besessen mit seinem Fahrrad über die Gletscher des Pamirs zu radeln. Nach nur zwei Wochen Vorbereitungszeit war Willi schon mit dem Fahrrad unterwegs Richtung Kirgistan. Wir sollten ihn tatsächlich sechs Monate später in Osh treffen! Zusammen mit Thomas, unserem Fotografen war das Expeditionsteam dann auch schon komplett.
 
Am 3. April 2015 ging es nach intensiver Vorbereitung dann endlich los. Nachdem wir in Bishkek gelandet waren, mussten wir zunächst noch einige Besorgungen auf dem Bazar machen. Von Bishkek sind wir in einer 15-stündigen Autofahrt nach Osh gelangt. Von dort am nächsten Tag nochmals fünf Stunden bis ins über 3000 Meter hohe Allay-Tal nach Sary Tash, dem letzten Ort auf der Strecke.

Eigentlich hätte unser Fahrer uns am Irkeshtam Pass auf 3700 Meter raus lassen sollen. Die Straße war jedoch noch von so viel Schnee bedeckt, dass auf 3500 Meter Schluss war. An dieser Stelle haben wir uns von Aman verabschiedet und für 20 Tage keinen anderen Menschen mehr gesehen. Als wir zurückkehrten hat uns Aman erzählt, dass die anderen Leute an der Straße ihn mehrmals gewarnt hätten: Er solle uns nicht gehen lassen, uns sehe er nie wieder, nicht einmal Tiere würden an diesem Ort überleben.


 
Gewaltig, unnahbar und wunderschön sah das Pamir-Massiv von hier aus und so mischte sich zwischen Begeisterung auch Ohnmacht in unsere Gefühle. Wie sollten wir da je herauf kommen? Wie sollten wir es überhaupt nur schon bis zum Basecamp schaffen? Ca. 300 Kilogramm Gepäck hatten wir auf vier Schlitten verteilt und zogen so Richtung Kurumdy. Eigentlich wollten wir den Platz für unser Basecamp nach einem Tagesmarsch erreichen. Daraus wurden aber drei Tage. Wie sich rausstellte, sind wir knapp 30 Kilometer und nicht wie geplant 13 Kilometer entfernt vom geplanten Basecamp aus gestartet und mussten dabei über 1000 Höhenmeter überwinden.

Trotz gründlicher Vorbereitung lief vieles anders als geplant. Wir wurden das Gefühl nicht los, dass der Berg irgendwie gegen uns war. Kaum ging die Sonne unter, wurde es bitterkalt. Die erste Nacht verbrachten wir im Freien und ehe wir es schafften uns in unsere Schlafsäcke zu verkriechen, knackte das Thermometer auch schon die -15 Grad Marke.

Der Plan steht

Am dritten Tag entschieden wir uns an einer Seitenmoräne des Gletschers auf ca. 4000 Meter unser Basecamp zu errichten. Unwegsames Gelände und der zerklüftete Gletscher machten ein Weiterkommen mit den schweren Schlitten unmöglich. Nun folgten erst einmal zwei Ruhetage, Zeit für Akklimatisation und weitere Vorbereitungen. Anschliessend machten wir uns auf den Weg um ein Höhenlager auf 5100 Meter einzurichten. Unser Plan sah vor, ein Höhenlager einzurichten, dort zu Schlafen und wieder abzusteigen. Nach zwei weiteren Tagen wollten wir erneut zum Höhenlager aufsteigen, um es 300 Meter weiter nach oben, direkt über die Schlüsselstelle zu verschieben, wieder dort schlafen und absteigen. Und dann der Gipfelversuch: zum Höhenlager, übernachten und von dort in einem Zug 1200 Höhenmeter zum Gipfel. Es kam jedoch alles anders als gedacht.
 
Immer wieder diskutierten wir über den Weg und die genaue Aufstiegsroute. Relativ schnell kamen wir auch mit unseren Spilboards nicht mehr weiter. Das gesamte Gepäck für Höhenlager plus unsere Splitboards, konnten wir unmöglich an unsere Rucksäcke schnallen und so mussten wir etwas zurück lassen, voraus klettern, die Route suchen, wieder umkehren um das restliche Gepäck zu holen u.s.w. Das ganze kostete uns zu viel Zeit und so schafften wir es nicht an einem Tag bis zum Höhenlager. Wir mussten wieder Absteigen und auf einem kleinen Buckel, lawinensicher übernachten.

Brutale Lawinensituation

Die Lawinensituation erwies sich im Pamir als brutal. Nie zuvor habe ich so viele, so riesige Lawinen gesehen. Wenn man vorne spurte bekam man schnell das Gefühl, man sei im Krieg oder einem heftigen Gewitter. An einigen Tagen entlud sich die Schneedecke bei jedem dritten Schritt mit lautem Krachen und Wummsen, so dass es einem anders wurde. Am Anfang dachten wir „ich mache keinen Schritt in diesem weißen Pulverfass“, doch mit der Zeit gewöhnte man sich daran. Und an langweiligen Basecamp-Tagen waren die riesigen Lawinen, die meist durch herunterfallende Eisblöcke ausgelöst wurden, unsere Hauptattraktion.

Nach der Nacht im Biwak stiegen wir dann also zum Höhenlager auf. Der Schnee war die Hölle: 30 Zentimeter Triebschnee auf harter Unterlage. Ab ca. 4500 Meter bestand diese Unterlage dann nur noch aus spiegelglatten Eis! Wir entschieden uns zu einer Felsrippe zu queren und von dort weiter im Fels aufzusteigen. Wir ließen also die Ski/Splitboards zurück und kletterten weiter. Ich kletterte voraus. In einem unachtsamen Moment, trat ich einen Felsbrocken los. Der Fels verfehlt Tom nur knapp, traf dafür aber einen seiner Ski! Dieser raste den mühevoll aufgestiegenen Hang herunter und ich dachte schon: „Das wars, den sehen wir nie wieder“, als der Ski plötzlich mitten im Hang liegen blieb. Die Haarscheisen waren zum Glück noch dran und bremsten den Ski.

Unser eigener "Biancograt"

Nach einigem Hin und Her erreichten wir dann einen Grat, der uns in Form und Größe stark an den berühmten Biancograt am Piz Bernina erinnerte. Ab hier ging es mit Steigeisen und Pickeln weiter. Der Schnee wurde immer weniger und das Eis darunter immer kompakter und steiler. Im oberen Drittel des Grates entschied Willi umzukehren. Ihm wurden die Verhältnisse zu heikel. Tom und ich erreichten nach gehöriger Qual das Höhenlager. Dort angekommen baute Tom das Lager auf, während ich weiter aufstieg um die Route auszukundschaften.

Ich kam mit einer guten und einer schlechten Nachricht zurück. Die weitere Route sah zwar technisch möglich aus, was wir allerdings mit Snowboards hier suchten, wurde mir immer rätselhafter. Bei den Vorbereitungen hatten wir stets nur die obere Gipfelflanke des Kurumdys gesehen. Es gab schlicht kein Foto von gesamten Berg im Netz. Bei unserer Ankunft im Basecamp merkten wir dann aber, dass unterhalb dieser Gipfelflanke gewaltige Eisfälle sind. Auch nach stundenlangem Suchen mit dem Fernglas konnten wir keinen Durchschlupf ausmachen.

Die einzige Variante den Kurumdy doch noch mit Snowboards zu befahren war also auf der Aufstiegsroute. Doch eben diese schien mir nun auch unmöglich. Sorgen machen konnte ich mir auch noch später, jetzt mussten wir erst einmal hier runter kommen. Denn für den nächsten Tag war schlechtes Wetter angesagt. Unsere Boards hatten wir etwa in der Hälfte des Biancogrates zurück gelassen.

Abfahrt im Profi-Couloir

Wir kletterten also vorsichtig bis dahin zurück. Unterwegs schmiedeten wir einen tollkühnen Plan. Gerade von der Mitte des Biancogrates aus erstreckte sich nach unten hin ein etwa 700 Meter hohes, im oberen Bereich über 50 Grad steiles Couloir. Vor zwei Tagen waren wir uns noch einig, dass dieses wohl Profis vorbehalten bleibe, auf die unten schon der Helikopter warte. Doch jetzt war die Verlockung zu groß. Wir setzten uns auf die Gratkannte und schnallten unsere Bretter an.

Aus Versehen trat ich dabei mit dem Hintern ein Stückchen von der Gratkannte ab. Der ausgelöste Schnee wurde immer mehr, entwickelte sich zu einer beachtlichen Lawine und hinterließ in seiner Spur nur blankes Eis. Das war eine verdammte Eiswand mit 30-40 Zentimeter Schnee darauf. Währenddessen hatte Tom seine Bindung mit dem Eispickel wieder zurechtgebogen. Beim Steinschlag hatte sich diese vermutlich verbogen, so dass er die Bindung nicht mehr arretieren konnte. „Keine Ahnung ob das hält“ sagte er nur. Ein bisschen die Hosen voll hatten wir nun schon bevor wir schlussendlich in den Hang stachen. Nun folgte aber sicher eine, wenn nicht die geilste Abfahrt meines bisherigen Snowboarder-Daseins. Schon beim ersten Turn raste der Schnee zu Tal. Jetzt hieß es einfach schneller als die Lawinen sein und nicht aufs Maul legen.

Sechs Tage im Zelt

Anschliessend brauchten wir ein bis zwei Tage körperliche und psychische Erholung. Die Erholungsphase wurde dann jedoch länger als uns lieb war. Ein Tief zog auf und zwang uns sechs Tage lang im Zelt auszuharren. Was für ein Rückschlag! Es schneite so heftig und viel, dass wir unsere Gipfelträume eigentlich schon begraben hatten. Die eintreffende Wetterprognose war dazu noch so mies, dass wir Sorge hatte wie wir je wieder unser Lager von oben herunter holen sollten.

Am fünften Zelttag bekamen wir dann die Prognose, dass sich das Wetter in zwei Tagen dreht und ein Zeitfenster von vier Tagen mit gutem Wetter erwartet wird. Mild, windstill und stabil ! Perfektes Gipfelwetter also. Wir gingen nochmal über die Bücher und machen einen neuen Plan. Erster Schönwettertag: Bis zum Fuss des Berges spuren und den Lawinen einen Tag Zeit geben den überschüssigen Schnee vom Berg zu fegen. Zweiter Tag: Aufstieg ins Höhenlager. Dritter Tag: von Höhenlager in einer Tour zum Gipfel und zurück. Vierter Tag: zurück zur Straße, denn dort würde unser Fahrer dann schon auf uns warten. Der Plan war vielleicht etwas optimistisch, aber es war ein Plan und die einzige, letzte Chance auf den Gipfel.


 
Tom und ich, sind also am zweiten Schönwettertag zum Höhenlager aufgebrochen. Alles lief gut. Wir sind sehr schnell voran gekommen. Nach etwa fünf Stunden waren wir bereits am höchsten Punkt des Biancogrates. Bei diesem Aufstieg haben wir es sogar bis in zur Mitte des Grates geschafft mit Ski aufzusteigen. Oben angekommen war das Höhenlager schon in Sicht. Wir sind erleichtert und ziehen die Steigeisen ab, um die Ski wieder anzuschnallen. Während ich also einen kurzen Augenblick die Steigeisen nicht anhabe rutsche ich aus und lande auf dem Po. Obwohl es beinahe flach ist, beginne ich zu rutschen und kann mich nirgends halten.

"War's das?"

Ich habe keinen Pickel zur Hand, nicht einmal Handschuhe hatte ich in diesem Moment an. Ich werde immer schneller und rutsche nun in den Hang hinein. Verzweifelt versuche ich mit meinen Händen Halt zu finden. Doch unter den fünf Zentimeter Pulverschnee ist spiegelglattes, kompaktes Eis. Als ich bei Tom nach Hilfe schreie, rutsch dieser selber fast aus. Es vergehen Sekunden und schon bin ich über den Buckel gerutscht und rase nun den Hang hinunter. Tom kann mich nicht mehr sehen.

Tausend Gedanken gehen mir durch den Kopf. „Kann es das wirklich gewesen sein? Muss ich wegen so einem dummen Fehler sterben? Habe ich meine Familie im Stich gelassen?“ Und dann kommt mir noch plötzlich der Gedanke mich so groß zu machen wie nur eben möglich, mich quer zum Hang auszubreiten und so möglichst viel Schnee vor mir her zu schieben. Vielleicht könnte ich so den Sturz etwas bremsen. Und tatsächlich, ich löste ein Schneebrett aus. Jetzt stürze nicht nur ich, sondern mit mir der halbe Hang.

Tom reagiert richtig

Ich versuchte quasi im Schnee zu schwimmen und oben auf zu bleiben. Und dann merkte ich wie das Schneebrett langsamer wurde und schlussendlich zum Stehen kommt. Etwa 20 Meter unterhalb von mir geht es mehrere hundert Meter senkrecht durch Felsen und Eisfälle. Unter meinem Arsch ist grad genug Schnee, dass ich nicht weiter rutsche. Ich bewege mich keinen Millimeter. Aus Leibeskräften blase ich in meine Trillerpfeife und hoffe das Tom mich hört. Und das er richtig reagiert und mir Steigeisen und Pickel bringt (unser Seil war zu dem Zeitpunkt im Höhenlager). Doch gleichzeitig bin ich auch ganz ruhig und weiß, dass ich mich auf Tom verlassen kann.

Dann dauerte es auch nicht lang und Tom entdeckte mich. Er hatte Steigeisen und Pickel dabei! Ich schnallte das Zeug an und wir kletterten frei im 50 Grad steilen Eis wieder hinauf. Ich weiß gar nicht so genau wer von uns beiden den größeren Schock erlitten hat. Trotz des Unfalls schafften wir es noch bis ins Höhenlager, assen dort etwas und gingen noch weiter bis zu Schlüsselstelle, um diese genau unter die Lupe zu nehmen.

Verzicht auf den Gipfel

Die folgende Nacht war kalt und von Sorgen geprägt. Wie sollten wir da hochkommen? Und wie kommen wir hier je wieder heil runter mit Gepäck und Snowboards? Wie geplant um 03:00 Uhr aufzubrechen machte keinen Sinn, denn die Schlüsselstelle konnten wir im Dunkeln einfach nicht Klettern. Wir sind also erst um 04:00 Uhr aufgestanden und um 05:00 Uhr aufgebrochen. Ziemlich schnell hatten wir wieder die selben Probleme wie an den Tagen zuvor. Mit den Brettern auf dem Rücken kann man in über 5000 Meter Höhe einfach nicht im Eis klettern. Die gesamte Situation, die veränderte Ausgangslage, die fortgeschritten Tageszeit und die Sehnsucht unsere Liebsten wieder zu sehen, haben uns dann dazu bewogen umzukehren. Wir würden es an diesem Tag ohnehin nicht bis zum Gipfel schaffen und mehr Zeit hatten wir nicht.
 
Wir haben also den atemberaubenden Sonnenaufgang genossen und danach in Ruhe unser Höhenlager abgebaut. Ein riesengroßes Problem blieb aber noch. Wie sollten wir den Biancograt wieder herunterkommen. Wir konnten nicht das ganze Material inklusive Snowboards an die Rucksäcke schnallen. Wir beschlossen also mit Snowboards, den Pickel in der Hand und über 20 Kilogramm auf dem Rücken den Biancograt herunter zu fahren. Es war einer der schlimmsten Momente da oben zu sitzen und zu warten bis unser Fotograf Thomas, weiter unten, endlich bereit war.

Stürze zum Abschluss

Dann ging es los: Die ersten Meter gingen ganz gut, doch dann wurde der Grat steiler und auf der Eisunterlage gab es einfach kein Halten. Zuerst hat es Tom erwischt, er verliert den Halt und rast den Hang hinunter. Mit aller Kraft versucht er seinen Pickel in das kompakte Eis zu rammen, doch dies scheint fast unmöglich. Schliesslich gelingt es ihm und er bleibt mit seinem Pickel hängen. Anschliessend passiert mir das selbe. Und dann wiederholt sich diese kräftezehrende und angstauslösende Prozedur mehrere Male bevor wir es endlich schaffen zu fahren statt zu fallen. Unten angekommen sind wir totmüde und einfach nur froh lebendig zu sein.
 
Wir sind dann zurück ins Basecamp und haben dort eine letzte atemberaumbende Nacht verbracht. Am nächsten Tag sind wir zurück zur Straße gefahren und gelaufen. Völlig erschöpft dort angekommen, hatten wir dann aber Glück und konnten auf der Ladefläche eines LKW bis nach Sary Tash mitfahren. Zurückblickend würden wir den gescheiterten Gipfelversuch also nicht als Niederlage betrachten, sondern die gesamte Expedition als eine unglaubliche Erfahrung mit sehr vielen sehr herausfordernden Momenten und sehr viel Spaß.
 
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Artur Wall und Tom Ballaman
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