Ein Amateurbergsteiger auf Everest-Expedition – Teil 5 | BERGSTEIGER Magazin
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Ein Amateurbergsteiger auf Everest-Expedition – Teil 5

Der Belgier Damien Francois träumt vom Everst – und zwar schon ziemlich lange. Im Frühjahr 2018 unternimmt er seinen vierten Versuch, er will endlich das Dach der Welt erklimmen. Den Verlauf der Expedition schildert er im Bergsteiger-Blog.
Teil 5: Namche Bazar – ein kleines, aber feines Team
 
© Damien Francois
Spirituelle Vorbereitung: Jamling Bhote, Bergführer und Inhaber von EverQuest, bei Lama Geshe

30. März, Namche Bazar

Ich berichte noch einmal von Namche Baar aus. Meine diesjährige EverQuest Everest Expedition ist eigentlich eine private Expedition. Vier Kunden hatten die Expedition gebucht, aber nur ich bin schließlich tatsächlich hier. Wir werden ein kleines Team sein, was nicht unbedingt schlecht ist, denn die Logistik am höchsten Berg der Erde ist gewaltig; sollte man in Schwierigkeiten geraten, sind sehr viele andere Teams am Berg, die möglicherweise helfen würden. Der Everest ist verglichen mit der Annapurna oder dem K2 eigentlich auch ein sehr sicherer Berg. Von besonderem Vorteil ist, dass sich unsere Akklimatisierungsrotationen und unser Gipfelsturm ganz nach meinem Wohlbefinden richten können.

»Wir« – wer ist das überhaupt? Mein Trekking-Guide ist Nossang Bhote. Er hat letztes Jahr mit EverQuest den Gipfel erreicht, denn er ging mit zwei anderen Teammitgliedern aus Singapur zwei Tage vor mir und meinem Climbing Sherpa los und wurde somit nicht durch den Sturm aufgehalten. Am EBC warten bereits mein Climbing Sherpa Pasang Temba Bhote, der Koch Ashman Gurung und sein Gehilfe, Rida Bhote, der auch als Höhenträger arbeitet. Sie richten das Lager ein, sodass alles bereit sein wird, wenn wir in circa fünf Tagen dort ankommen. Jamling selbst kommt etwas später nach, weil er noch eine kleine Gruppe am Mera Peak führt.
 
Heute Nacht hat es ein bisschen geschneit. Im Winter gab es hier hingegen kaum Schnee. Ich hörte gestern von David Hamilton, dem Jagged Globe Bergführer, dass die Lhotse-Flanke auf dem Weg von Lager 2 zu Lager 3 und dann zu Lager 4 am Everest zur Zeit ein wenig mehr Schnee gut brauchen könnte, da sie sehr vereist sei und es immer wieder zu Steinschlag kommt. Wie er diese Information bekommen hat, ist mir ein Rätsel, da die Sherpas, die die Seile fixieren, wohl kaum schon da oben unterwegs sind. Auch für sie gilt die Regel »Zeit nehmen«, denn die Höhe kann selbst Sherpas umhauen!
 
Umso höher ich steige, umso mehr fokussiere ich auf das Hier-und-Jetzt. Und umso mehr ich den Augenblick wahrnehme, umso mehr begreife ich, wie uns der Alltag vom Moment »deplatziert« und, ja, gedanklich manipuliert. Das OASIS Lied »Where did it all go wrong?« kommt mir in den Sinn. Diese Fähigkeit sich mental, sowohl in der Zeit als auch im Raum zu bewegen, weg vom Augenblick, ist das distinktive Merkmal des Menschtiers, im Vergleich zu anderen Tieren.
 
Für meinen Teil genieße ich heute das gute Leben in Namche Bazar. Tashi delek!


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Damien Francois