Elbrus (5642m) Russland »Aufs Dach Europas«

Mit 5642 Metern ist der Elbrus der höchste Berg Russlands und zugleich das Dach Europas. Der Weg zum Gipfel führt durch die kontrastreichen Landschaften des Kaukasus. Text: Christa Brookhouse und Peter Froihofer

 
Elbrus (5642m) Russland »Aufs Dach Europas« © BERGSTEIGER
Am traumhaft gelegenen Bergsee im Elbrus
 Es ist noch früh am Morgen, als wir uns mit Alexey in »Mineralniye Vody« treffen. Der russische Alpinist soll uns auf den Elbrus führen. Wie so viele Aspiranten wollen wir den »weißen Berg« besteigen. Allerdings nicht über die leichte und überlaufene Südroute, die bei vielen Anbietern im Programm steht. Wir suchen Ruhe und Ursprünglichkeit – und wollen den Aufstieg deshalb über die Nord-Süd-Traverse wagen.

In der quirligen Stadt, die den lustigen Namen »Mineralwasser« trägt, werden wir von Köchin Luba und Fahrer Zafir herzlich empfangen. Unmengen an Ausrüstung, Getränken und Verpflegung müssen noch im Geländewagen verstaut werden, bevor wir uns endlich ins Abenteuer stürzen können: Die nächsten Tage werden wir uns akklimatisieren und vom West-Kaukasus zur Elbrus-Nordseite trekken. Fünf Stunden quält Zafir den Jeep über unwegsame Forststraßen und wilde Bachquerungen taleinwärts, bis wir endlich eine halb verfallene Hütte im Nirgendwo erreichen: »Camp Aksaut« ist zum Teil schon von der Vegetation überwuchert und wird uns für heute Unterschlupf gewähren.

Der Ruf der Wildnis
Um fünf Uhr am nächsten Morgen marschieren wir los. Kaum Menschen, keine Handys und erst recht keine lärmenden Autos stören unsere Idylle. Wir genießen die Stille. Es gibt nur uns und die Einsamkeit des Westkaukasus – das Laufen wird für uns zur Meditation.
Nur langsam kommen wir auf den unwegsamen Pfaden voran. Unsere Route führt durch mystisch anmutende Wälder, wilde Schluchten und reißende Bäche. Wir gehen über Eis und Fels, überqueren Gletscher und überschreiten 3000er-Pässe. Üppige, unberührte alpine Flora ist unser ständiger Begleiter: Rhododend­ren, Akeleien, duftende Tyhmianpolster und mannshohe Blumenwiesen, eingebettet in die bizarre Gebirgswelt des Kaukasus. Die Vegetation reicht hier bis auf 2500 Meter, und Gletscher gehen direkt in blühende Bergwiesen über.

Momos mit Wodka
Jeden Tag fahren Luba und Zafir auf Umwegen ins nächste Tal, um unsere Ankunft vorzubereiten. Während wir uns per pedes über schneebedeckte Pässe quälen, erwarten uns die beiden am Treffpunkt – mit aufgebauten Zelten und einem zum Bersten gefüllten Tisch. Luba sorgt für Abwechslung auf der Speisekarte: Kräftiger Borschtsch und deftige Krautspeisen, gefüllte Momos aus Teig, feuriges Schaschlik oder zarter Lammeintopf – authentische und köstliche Leckereien. Serviert wird dazu gutes Bier und einige Wodkarunden. Denn Grund zum Trinken gibt es reichlich: Toasts auf das Wetter, die Tour, die Liebe und uns…

Gut akklimatisiert wagen wir nach der Überschreitung mehrerer Pässe und der Besteigung einiger Dreitausender das nächste Ziel: Über den »Balkbashi«-Pass (3689 m) erreichen wir nach zehn Tagen das 2500 Meter hoch gelegene Base Camp auf der Elbrus-Nordseite. Technisch gesehen sind beide Gipfel des Elbrus leicht. Außer sicherem Steigeisengehen und guter Ausrüstung entscheiden Kondition, mentale Stärke und vor allem das Wetter über den Gipfelerfolg. Da der Anstieg von der Nordseite logistisch, konditionell und psychisch weit anspruchsvoller ist, trifft man hier nur wenige Gleichgesinnte.
 
Aufs Dach Europas - Der Elbrus