Logenplätze - die schönsten Aussichtsgipfel der Alpen | BERGSTEIGER Magazin
Tourenziele mit Panoramablicken

Logenplätze - die schönsten Aussichtsgipfel der Alpen

Es gibt sie häufiger als man glaubt – jene Orte in den Bergen, von denen man sich nur ganz schwer wieder losreißen kann! Weil die Kulisse der Berge so atemberaubend, weil das Naturschauspiel so spannend ist!
Text: Evamaria Wecker

 
Ein Logenplatz der Extraklasse – beim Abstieg vom Munt Pers zeigt sich das »Silberschloss« in seiner ganzen Pracht Foto: Andreas Strauß © Andreas Strauß
Ein Logenplatz der Extraklasse – beim Abstieg vom Munt Pers zeigt sich das »Silberschloss« in seiner ganzen Pracht
Ästhetische Berge mit ebenmäßigen Formen haben die Menschen schon immer in ihren Bann gezogen. Wenn sich dann auch noch spannende Geschichten um solch einen Berg ranken, wird er berühmt und zum begehrten Ziel für Bergsteiger. Bekanntestes Beispiel dafür ist das Matterhorn – ein wahrhaft vollkommener Berg. Und dennoch: Hätte das Matterhorn diese Berühmtheit erlangt, wenn sich um seine Erstbesteigung nicht eine dramatische Geschichte ranken würde? Viele Menschen sind schon nach Zermatt gefahren, nur um das Matterhorn zu sehen. Und so gibt es zahlreiche Plätze in den Alpen, von denen auch weniger geübte Bergsteiger die beste Aussicht auf die ganz großen Berge oder Wände haben – die »Logenplätze«.

Der Logenplatz – ein Begriff aus der Theaterwelt. Die Loge gegenüber der Bühne, vor einer beeindruckenden Kulisse, wo großes, aufregendes Theater geboten wird. Passt dieser Begriff nicht auch auf unsere Berge? Sitzen denn nicht auch wir Bergsteiger oft wie in einer Loge vor einer aufregenden Bergkulisse, mitten in der Alpinszenerie, in der uns Kletterer ein grandioses Schauspiel liefern? Berühmt geworden ist die Königsloge im Münchner Nationaltheater, von der aus König Ludwig II. ganz allein den Separatvorführungen von Opern Richard Wagners gelauscht hat. Brechen wir gedanklich auf, folgen den Spuren des Märchenkönigs und suchen wir uns unsere ganz persönlichen Logenplätze in den Alpen – und mit ein bisserl Glück geben uns die Berge sogar eine stille Separatvorführung!

Berühmtester Logenplatz ist wohl in den Westalpen die Kleine Scheid­egg, genau gegenüber der Eiger-Nordwand oder »Mordwand«, wie sie früher genannt wurde, als der Kampf um ihre erste Durchsteigung mit zahlreichen tödlichen Unfällen endete – von der Kleinen Scheidegg via Fernglas bestens zu beobachten. Für einen Tagesausflug von München ist die Kleine Scheidegg zu weit, da suchen wir uns lieber Ziele in den Ostalpen – Logenplätze, die vor unserer Haustüre liegen. Die Ostalpen sind insgesamt sanfter, lieblicher, werden von einem Netz bequemerer Wanderwege durchzogen und verfügen über gut bewirtschaftete Hütten – schließlich ist die gemütliche Rast ein wesentliches Kriterium für einen guten Logenplatz…

Aussichtsgipfel in den Ostalpen

Alles begann mit einer Skitour auf den Sextnerstein, einen kleinen Mugel nahe der Drei-Zinnen-Hütte, vis-à-vis der großen Nordwände. Während wir über die flache Bödenalpe aufstiegen, wuchsen über der Hütte langsam die Felsformationen der Drei Zinnen in den Himmel, um gleich darauf wieder hinter dem Sextnerstein zu verschwinden. Es war wie eine Ouvertüre, die Lust auf mehr macht. Auf dem Gipfel des Sextnerstein hieß es dann »Vorhang auf« – und da standen sie in der vollen Winterpracht: Aus dem verschneiten, blendend weißen Kar erhoben sich die gelbrot gefärbten Nordwände in den stahlblauen Himmel.

Im Sommer darauf kamen wir wieder und erlebten das gleiche Schauspiel erneut: Langsam wuchsen die Drei Zinnen hinter ihrer Hütte in den Himmel. Kurz vorher hatte ich Alexander Hubers Vortrag über seine Free-Solo-Begehung der Großen-Zinne-Nordwand gesehen, mit schweißnassen Händen folgte ich den Bildern – und nun saß ich auf der Terrasse der Drei-Zinnen-Hütte, vor mir diese gewaltige Wand. Langsam wanderten meine Augen durch die Wand und folgten den Spuren von Alexander Huber – unfassbar, dass ein Mensch diese Wand ohne Partner und Seilsicherung durchsteigen konnte! Damals entstand die Idee, diesen und andere Logenplätze in einem Buch zusammen zu fassen. Mächtige Eisarenen ziehen Menschen magisch in ihren Bann – ob in der Berninagruppe oder den Ötztaler Alpen, in den Hohen Tauern oder in der Silvretta. Wer hat nicht schon vom Piz Palü, der Weißkugel, vom Großglockner, der Königspitze oder dem Piz Buin gehört? Klingende Namen, mit denen jeder Bergfreund seine eigenen Vorstellungen verbindet. Sind diese Gipfel wirklich so schön wie behauptet wird? Kann man da Spalten sehen und Bergsteiger, die über den Gletscher gehen? Davon will sich doch gerne jeder selbst überzeugen. Unsere Logenplätze bieten die besten Einblicke in die schönsten und spannendsten Seiten der Berge!

Faszinierende Felswände, Kletterer, die wie Fliegen an der Wand kleben – wer bekommt da nicht schon beim Zusehen Herzklopfen vor lauter Aufregung? Wie machen sie das, wo klettern sie hoch, wie können sie sich festhalten, woher wissen sie, wo die Route verläuft, was machen sie mit dem Seil? Fragen über Fragen, die sich jeder stellt, der Zuschauer beim Klettern ist. Wie spielerisch die Kletterer die Senkrechte überwinden können, sorgt immer wieder für Staunen bei denen, die als Betrachter unten stehen. Die großen Felswände finden wir im Wilden Kaiser am Stripsenjoch und am Ellmauer Tor, im Wetterstein und im Karwendel, in den Berchtesgadener Alpen – und vor allem in den Dolomiten!
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 09/2010. Jetzt abonnieren!
 
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