"Climb and glide" für jedermann | BERGSTEIGER Magazin

"Climb and glide" für jedermann

Unser Leser Thomas Lamplmair ist Krankenpfleger und hat unter der Woche oft frei. Da ihm deshalb oft Kletterpartner für seine Touren fehlen, hat er sich nach einer Aktivität am Berg umgeschaut, die er auch alleine ausüben kann. Vom Soloklettern war seine Frau nicht begeistert, Berg- und Klettersteiggehen sind ihm zu wenig anspruchsvoll und beim Mountainbiken würde er sich laut eigener Aussage den Hals brechen. So landete er beim Gleitschirmfliegen. Da es seit kurzem einen Schirm gibt, der sich gut dafür eignet, ihn zum Klettern mitzunehmen, entstand die Idee, durch die Dachstein-Südwand zu klettern und dann runterfliegen.
 
Thomas Lamplmair am Salzburgerband © Markus Puhretmayr
Thomas Lamplmair am Salzburgerband
Mein Großvater legte vermutlich den Grundstein für meine heutige Bergleidenschaft. Er nahm uns Enkel immer auf seinen Wanderungen in die heimatlichen Berge mit. Keine großen namhaften Berge, keine schwierige Touren, eigentlich nichts besonderes. Für uns Kinder war es aber immer aufregend und ein Abenteuer.

Ich wuchs heran und die Touren die ich machte wurden ebenfalls „größer“. Die Klettereien wurden schwerer, die Touren länger und sie beschränkten sich nicht nur mehr auf die warme Jahreszeit. Im Winter gibt’s Eis und auf Eis lässt es sich ebenfalls gut klettern. Mit den Jahren hatte ich dann einige große Klassiker in Fels und Eis gesammelt. Nahezu jedes kletterbare Wochenende verbrachte ich mit einem meinem Kletterpartner in irgendeiner Wand. Klettern war die große Leidenschaft in meinem Leben, ich lebte fürs Klettern.
 

"Was neues muss her"

Eine berufliche Neuorientierung brachte den Umstand mit sich, an Wochenenden zu arbeiteten und dafür unter der Woche oft frei zu haben. Kling ja prinzipiell nicht schlecht, aber leider hatten fast all meine Kletterpartner „Montag-Freitag-Jobs". Aus diesem Umstand entwickelte sich bei mir ein chronischer Mangel an Kletterpartnern. Ich machte einige Touren Free Solo, aber das stellte für mich langfristig keine Lösung des Problems dar. Was Neues musste her. Da ich auf meinem täglichen Weg zur Arbeit immer an der örtlichen Flugschule vorbeifuhr, dachte ich mir: Das ist einen Versuch wert. So begann ich mit dem Gleitschirmfliegen.

Wenn ich unter der Woche Zeit und wiedermal keinen Kletterpartnern habe würde, könnte ich mich frei wie ein Adler in die Lüfte schwingen und wenn einer meiner Kletterpartner Zeit hat, eben in einer Wand hängen. Super, Problem gelöst. Doch rasch konnte ich mich der Faszination des Fliegens nicht mehr entziehen und immer öfter schwang ich mich auch an den Wochenenden in die Luft und genoss die Berge aus einer anderen Perspektive. Das Klettern geriet dabei zusehend in den Hintergrund. Wie es der Zufall so will, bot sich mir im Frühling dieses Jahres die Gelegenheit als Testpilot für ein Gleitschirmmagazin tätig zu sein. Im Zuge dessen bekam ich einen ganz besonderen Gleitschirm zum Testen. Der Schirm trägt den Namen „Ultralight Flying Objekt“ kurz UFO und wurde vom Tiroler Gleitschirmhersteller AirDesign entwickelt.
 

Ein Gleitschirn zum Klettern

AirDesign ist in der Flugszene vor allem für seine Leichtschirme bekannt. Das Besondere am UFO: der Schirm hat nur 1,7 Kilogramm, ein sensationell kleines Packmaß und für einen Schirm dieses Formates beeindruckende Flugeigenschaften. Sofort machte sich Begeisterung in mir breit und der Gedanke, dass man diesen Schirm auch zum Klettern mitnehmen könnte. Vom Packvolumen würde er in jeden Alpinrucksack passen und sein geringes Gewicht wäre beim Klettern kaum störend. Ich wollte diese Idee gleich in einer großen Wand umsetzten und habe dabei die Dachstein Südwand ins Auge gefasst. Ein Klassiker sollte es werden, der Steiner-Weg.

Ich kenne die Tour gut, bin sie schon mehrmals und immer wieder gerne geklettert. Erinnerungen kommen hoch beim Gedanken an den Steiner. Das erste Mal als ich in die Tour einstieg, mussten wir sie abbrechen, weil uns die Zeit davon lief. Bei meiner letzten Besteigung benötigte ich und mein Kletterpartner gerade mal drei Stunden - so ändern sich die Zeiten.

Nach kurzer Planungsphase war es Anfang September so weit. Ich hatte frei, einen Kletterpartner und die Wetterprognose hätte nicht besser sein können. Am Vortag fuhren mein langjähriger Kletterpartner Markus Pühretmayr und ich in die Ramsau und stiegen zur Dachstein-Südwandhütte auf. Dort verbrachten wir einen gemütlich Hüttenabend, holten uns beim Hüttenwirt Andreas Perner die aktuellen Infos über die Wand und die Tour ein und mit fortschreitender Stunde schwelgten wir immer mehr in Erinnerungen vergangener Touren und Erlebnisse am Berg.
 

Durch die Dachstein-Südwand

Nächsten Morgen brachen wir früh auf und zu unserer Überraschung schlug uns beim Verlassen der Hütte nicht die erwartete kühle Morgenluft entgegen, sondern ein angenehm warmes, sommerliches Lüftchen. Wir hatten Anfang September und es herrschen angenehm laue Temperaturen. Zügig gingen wir zum Einstieg des Steinerweges. Das berüchtigte unangenehme Einstiegsschneefeld war aufgrund des heißen Sommers de facto nicht mehr vorhanden. Die Wand bäumte sich imposant vor uns auf und hatte an Faszination nichts eingebüßt.

Wir seilen uns an und steigen ein. Die Kletterei ist hier nicht wirklich schwer und so kommen wir gut voran, den Schirm im Rucksack merke ich kaum. Am Ende der Rampe machen wir eine kurze Pause und genießen den Rundblick. Eine atemberaubende Kulisse bietet sich uns, mitten in der weitläufigen Wand. Zwei Stunden haben wir bis hierher gebraucht. Wir liegen gut in der Zeit und steigen weiter. Der anspruchsvollere Teil der Tour liegt ja noch vor uns. Wir queren das berühmte Salzburgerband mit seinem atemberaubenden Tiefblick und steigen weiter in die Steinerkamine. Unglaublich, das die Steinerbrüder diese Tour vor über 100 Jahren erstbegangen haben.

In der Enge der Kamine empfinde ich den Rucksack das erste Mal als störend, aber die Beeinträchtigung hält sich in Grenzen. Kaminklettern und Rucksack ist ja bekanntlich keine gute Kombination. Später im Schluchtüberhang ergeht es mir erneut so. Ich greife in die dort hängende Schlinge und verhelfe mir „technisch“ über diese Stelle hinweg. Ab hier wird die Kletterei dann wieder leichter und nach sechseinhalb Stunden in der weitläufigen Wand erreichen wir den Gipfel des Hohen Dachsteins.
 

"Gemütlich" ins Tal

Der geringe Platz am Gipfel erlaubt es leider nicht, direkt von dort zu starten und so beginnen wir den Abstieg bis auf den Gletscher. Am Dachsteingletscher befindet sich der offizielle Startplatz, welcher nur Könnern vorbehalten ist und auch von den X-Alps-Piloten benutzt wird. Die Gleitschirmpiloten, die normalweise hier starten, kommen in der Regel bequem mit der Südwandbahn herauf. Als wir dort ankommen sind die Verhältnisse perfekt. Die Windrichtung und -stärke könnten nicht besser sein, ein zartes Lüfterl weht die Südwand herauf. Die Startvorbereitungen mit dem Schirm sind schnell erledigt und es dauert keine zehn Minuten bis ich startklar bin.

Ein letzter Blick auf den ausgelegten Schirm. Ich ziehe kurz an den Leinen, gebe den Startimpuls. Der Schirm hebt sich vom Boden. Ich beginne den Startlauf und nach ein paar Schritten trägt mich mein „UFO“. Ich gleite über die Kante, spüre den Wind im Gesicht und die Südwand fällt mit einem mal hunderte Meter unter mir ab. Ich ziehe meine Kurven und gleite ruhig ein Stück die Wand entlang. Dabei kann ich noch andere Kletterer in der Wand ausmachen. Dann drehe ich ab und gleite Richtung Tal hinaus. Der Flug dauert ca. 20 Minuten und ist purer Genuss. Ich habe mir in diesem Fall einen langen beschwerlichen Abstieg bzw. das Ticket für die Bahn erspart und ein wunderbares und unvergessliches Erlebnis gewonnen, das den beeindruckenden Tag richtig schön abrundet.

Als Resümee kann ich sagen, „Climb and Glide“ lässt sich gut kombinieren. Das UFO ist der perfekte Schirm dafür. Er benötigt wenig Platz im Rucksack und das zusätzliche Volumen behindert eigentlich nur in Kaminen. Einen Platz zum Starten hat man schnell gefunden und man erspart sich so einen oft langen Abstieg. Der Schirm ist besonders leicht zu starten, bei Starkwind kommt ihm die kleine Fläche zu Gute und bei Windstille oder Rückenwind sein geringes Gewicht. Trotz der kleinen Fläche die er hat, trägt er überraschen schnell und sicher. Es gibt sicher „startfreundlichere“ Kletterberge als den Dachstein, wenn ich da zum Beispiel an den Kaibling und das Sparrafeld im Gesäuse denke. Mit dem UFO, meinem Gurtzeug und den Rettungsschirm komme ich auf ca. dreieinhalb Kilogramm zusätzliches Gewicht zur Kletterausrüstung und es wäre möglich noch auf unter drei Kilogramm „abzuspecken“. Mit diesem ersten Projekt konnte ich meine zwei Leidenschaften perfekt verbinden und freue mich schon auf viele weitere Klettereien mit „gemütlichem“ Ausklang

Ich werde unterstützt von AirDesign, Kortel und XC Tracer.
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