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14.11.2014

Künstliche Wolke in Obergurgl eröffnet

In Obergurgl wird ab sofort an einer "Künstlichen Wolke" erprobt, wie der Kunstschnee der Zukunft aussehen könnte. Die Forscher versprechen sich bessere Schneequalität und Ressourcenschonung.
 
 
Erfinder Michael Bacher und Architekt Walter Klasz auf ihrer künstlichen Wolke © pro.media
Ab sofort wird in Obergurgl erstmals eine Labortechnik erprobt, mit der hochwertiger Neuschnee mit relativ geringer Dichte, deutlich reduziertem Energieverbrauch und wesentlich effizienterer Nutzung der Ressource Wasser in einer künstlichen Schneewolke hergestellt wird. Im Vergleich zur bereits bekannten Kunstschneeproduktion mit Schneekanonen verspricht die im Obergurgler Freiluftlabor angewandte "Neuschnee-Technologie" feingliedrige, echte Schneekristalle, wie sie bislang nur die Natur erzeugt.

Die Wolke in Bildern: Foto-Reportage zur Einweihung der "Künstlichen Wolke" auf www.facebook.de/Bergsteiger.de

In einer künstlichen Wolke ist es nun möglich, aus einem Kubikmeter Wasser bis zu 15 Kubikmeter Pulverschnee mit relativ geringer Dichte von 80-220 kg/m³ zu erzeugen. Der pulvrige Neuschnee soll in Skigebieten zunächst überall dort eingesetzt werden, wo qualitativ hochwertiger Naturschnee den Skibetrieb aufwertet (z.B. Funparks, Anfängerpisten).  Dipl.-Ing. Michael Bacher, wissenschaftlicher Leiter des Projektes, der ursprünglich über Lawinen forschte, beschäftigt sich seit mehreren Jahren intensiv mit diesem Thema.

Am 13. November wurde das Neuschnee-Freiluftlabor eröffnet. Zwar fiel die Premierenaufführung der künstlichen Schneewolke den warmen Plusgraden in Obergurgl zum Opfer. Doch sobald die Kälte kommt, wird den ganzen Winter über unter realen Bedingungen geforscht und gearbeitet, um die neue Technologie auch im großen Stil einsetzen zu können.  So ist etwa ein "Schneedrucker" geplant, der die künstliche Wolke transportieren und den Schnee mobil verteilen kann – 2018 soll die Serienreife erlangt werden.

Das Ergebnis aus der „künstlichen Wolke“ soll ein Qualitätsprodukt werden: Hochwertiger Neuschnee mit relativ geringer Dichte, der dem von Skifahrern so geschätztem Pulverschnee näher kommt als Kunstschnee aus Kanonen, der nur aus gefrorenem Wasser besteht. Aber nicht allein die Qualität spricht für die neue Technologie. „Ein deutlich reduzierter Energieverbrauch und die wesentlich effizientere Nutzung der Ressource Wasser machen die neue Technik auch aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen interessant“, zeigt sich Bacher überzeugt. 

Gemeinsam mit Kollegen der Universität für Bodenkultur Wien und der Technischen Universität Wien beschäftigt sich Michael Bacher schon seit 2009 mit dem Thema der Schneeerzeugung. Nach der Patentanmeldung und Weiterentwicklung der „Dendritic Snow Production“ gründete er 2014 das Unternehmen „Neuschnee“. In diesem Winter erfolgt der Schritt aus dem (Innen-) Labor ins Freiluftlabor. Für die „Außenhülle“ zeichnet Gestalter und Visionär Walter Klasz verantwortlich. Am Institut für Gestaltung | unit koge der Universität Innsbruck wurden gemeinsam mit Studierenden zahlreiche weitere Anwendungsbeispiele wie z.B. der „Schneedrucker“ erdacht – diese werden im Rahmen einer Ausstellung im Universitätszentrum Obergurgl präsentiert. 

Zentraler Baustein des Freiluftlabors ist eine Wolkenkammer, die es ermöglicht, Wassertropfen und Eiskeime miteinander zu vermischen. Wie in einer natürlichen, großen Wolke auch, benötigt man für die Schneeproduktion in der Wolkenkammer tiefe Temperaturen, also Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, idealerweise kälter als rund -5°C.  Wassertropfen werden in die Wolkenkammer eingesprüht und damit eine kleine, künstliche Wolke erzeugt. Durch die tiefe Umgebungstemperatur kühlen die Tröpfchen ab, meist unter den Gefrierpunkt, aber ohne dabei selbst zu gefrieren. In diesen Nebel werden Kristallisationskeime eingebracht – in diesem Fall kleine gefrorene Eisplättchen. Damit sind in der Wolke alle drei Phasen des Wassers gleichzeitig vorhanden: fest, flüssig und gasförmig.

Die Kristallisationskeime wirken dabei wie Magnete, die laufend Wassermoleküle, also Wasserdampf, anziehen und in der festen Phase binden. Das bedeutet, dass diese Keime zu größeren Kristallen wachsen und als Schnee aus dem Wolkenbehälter nach unten ausfallen. Genauso, wie es auch in der Natur passiert.  In der Atmosphäre liegt natürlich die Dimension einer Wolke bzw. einer Wetterfront um etliche Größenordnungen über jener der Labor-Wolkenkammer. Der Prozess der Schneekristallbildung muss also intensiviert werden, um akzeptable Schneemengen zu produzieren. Daher ist die Nebeldichte in der Wolkenkammer zumindest eine Größenordnung höher als in natürlichen Wolken. 

Wieviel „Output“ eine Wolke nun wirklich liefern kann, wie sich äußere Einflussfaktoren wie Wind, Wetter & Co. auswirken – all dies wird in den nächsten Monaten in Obergurgl erforscht. „Mit all diesen wertvollen Erfahrungen können wir vielleicht im nächsten Winter schon die erste ‚echte‘ Wolke in Betrieb nehmen“, so Michael Bacher.