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25.06.2015

Der Boom und die Frage der Sicherheit

Klettersteige liegen voll im Trend. Doch mit dem Boom steigen auch die Unfallzahlen. Die Region Ramsau am Dachstein trägt dieser Entwicklung Rechnung, indem sie einen Klettersteig-Schein anbietet. Mit Erfolg: Die Kurse sind ausgebucht und werden sogar erweitert. Doch sind solche Kurse eine praktikable und sichere Lösung, den Boomsport für die breite Masse zugänglich zu machen?

 
 
"Führerschein" für Klettersteigler? - © Herbert Raffalt


Die Region Ramsau am Dachstein gilt als Wiege des Klettersports. Der Boom, den diese Sportart seit Jahren erlebt, bringt immer mehr Gäste in hochalpines Gelände, die sich an vermeintlich einfachen Klettersteigen versuchen wollen. Doch oft fehlt es an Erfahrung. Um Unfällen vorzubeugen, wird in der Ramsau seit dem Vorjahr der Klettersteig-Schein angeboten, ein kurzer Intensivkurs, der Anfängern die Grundlagen des Sports näherbringt.

Wichtige Grundausbildung oder Crashkurs?

Das war die zentrale Frage einer Podiumsdiskussion am 25. Juni in Wien, bei der Experten aus dem Alpinsport die Sinnhaftigkeit des Klettersteig-Scheines hinterfragten. Friedrich Macher vom Österreichischen Alpenverein (ÖAV) begrüßte es, dass sich Interessierte zumindest informieren, bevor sie in die Berge gehen: „Wir alle wissen, es geht oft ums kleinere Übel. Und bevor jemand völlig blank auf einen Berg rennt, ist es mir lieber, es gibt diese Kurse als Orientierungshilfe.“

Auch Reinhard Kraxner, der Leiter der ÖAMTC Flugrettung, sieht den Klettersteig-Schein als sinnvolles Angebot: „Mir ist es lieber, jemand beschäftigt sich ein bisschen damit und erlernt die Grundlagen, bevor er unbedarft als Autodidakt in den Klettersteig geht. “ Wobei die Unfallhäufigkeit auf Klettersteigen aus Sicht der Flugrettung glücklicherweise gering sei, so Kraxner: „Wir fliegen pro Jahr rund 2000 Einsätze in Österreich und nur etwa 20 davon betreffen Klettersteige.“

Kritik am Schein-Modell kam von Bergführer und Extrembergsteiger Christian Stangl, der als Skyrunner international bekannt wurde. Er befürchtet, die schnelle Ausbildung würde eine trügerische Sicherheit suggerieren: „Aber der Klettersteig-Schein ist ja kein Führerschein, keine verpflichtende Lizenz, die eine umfassende Ausbildung bedeutet. Das muss den Leuten klar sein.“

Zahlen und Fakten

Die Zahl der Kletter- und Klettersteigunfälle steigt jährlich. Das hängt in erster Linie mit dem anhaltenden Zulauf an Einsteigern zusammen. Doch gerade im Bereich Klettersteige zeigt sich, dass eine Ausbildung helfen kann, die Unfallzahlen von rund 150 auf Klettersteigen pro Jahr zu verringern. Gemäß den aktuellen Zahlen des Kuratoriums für Alpine Sicherheit, verunglücken jährlich durchschnittlich sechs Menschen auf Klettersteigen in Österreich tödlich. Interessant ist dabei, dass es sich meist um erfahrene und einheimische Klettersteignutzer handelt, die auf Sicherungsmaßnahmen verzichten.

Bei den Verletzungszahlen am Klettersteig sind wieder vorrangig Anfänger und Unerfahrene betroffen, wie die Unfallursachen zeigen. So ist Erschöpfung – aufgrund von Selbstüberschätzung und mangelnder Tourenplanung – mit 43 Prozent Hauptunfallursache. Gefolgt von Stürzen und Stolpern wegen mangelnder Trittsicherheit.

Boom hält an – Ramsau baut Kursangebot aus

Einig war man sich auf dem Podium, dass der Kletter- und Klettersteig-Boom anhalten wird. Daher sei es zu begrüßen, wenn sich Anfänger zumindest über die Grundlagen alpiner Gefahren informieren, bevor sie sich ins hochalpine Gelände wagen. Auch Walser wies darauf hin, dass seine Gäste das existierenden Angebote von Klettersteigen ausprobieren wollen. Doch meist fehlt die Zeit, vorab eine profunde Ausbildung zu absolvieren. Daher werde man am Klettersteig-Schein festhalten und diesen noch weiter ausbauen.

BERGSTEIGER-Tipps für mehr Sicherheit am Klettersteig:

- Trainingsplan zur Vorberietung auf den Klettersteig
- Die richtige Verwendung von Klettersteigsets
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