Wandern zwischen Oberammergau und Benediktbeuern | BERGSTEIGER Magazin
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Wandern zwischen Oberammergau und Benediktbeuern

Sichelförmig liegen die Bahnstationen um das Murnauer Moos. Damit sind den Kombinationsmöglichkeiten der Touren in dieser Voralpenregion keine Grenzen gesetzt. Wandern zwischen Oberammergau und Benediktbeuern ist ideal mit der Bahn realisierbar. Von Eugen E. Hüsler
 
Wandern zwischen Oberammergau und Benediktbeuern © Eugen E. Hüsler
Zeit zum Schauen und Genießen: Um den Walchensee führen gemütliche Wanderwege
Arthur hat’s erwischt: Er ist schwer erkältet, schnupft, schnieft und liest seine Zeitung. Deshalb fährt Christian heute allein südwärts, mit der DB Regio den Bergen entgegen. Es soll eine Wanderung in den bevorstehenden Frühling werden, am Saum der Alpen entlang, hat er sich vorgenommen, mit Aussicht auf oberbayerische Gipfelketten. Ein weiter Weg wartet auf ihn, vom Murnauer Moos bis nach Benediktbeuern, quer durch die weite Moorlandschaft am Fuß der Berge. Arthur würde mit seinem Bertone (der noch Winterruhe hat) vielleicht eine halbe Stunde für die Strecke vom Moor zum Kloster benötigen, Christian hat sieben bis acht Stunden für sich veranschlagt. Früh aus den Federn, hieß das, und als er in Westried (Haltestelle Grafenaschau) unweit vom Staffelsee dem Zug entsteigt, ist es noch empfindlich kühl. Das wird sich ändern, Föhn ist angesagt, was eine frei geputzte Sicht verspricht, doch noch versteckt sich die Sonne hinter ein paar Morgennebeln.

Guglhör, Schafe und Rindviecher

Christian schultert seinen Rucksack und macht sich auf den Weg, zunächst auf Asphalt, dann mit einem Sandsträßchen, das schließlich zum schmalen Fußweg wird. Es geht hinein in die Lange Filze, und damit die Wanderer hier keine nassen Füße bekommen, hat man einen langen Steg gebaut: Holzbohlen über dem feuchten bis nassen Untergrund. Heidel- und Moosbeeren, Latschen und Birken säumen den Pfad; südlich am Horizont zeigen sich die Gipfel des Wettersteins, noch tief verschneit. In den Wiesen beiderseits der träge dahin fließenden Ramsach blüht es zaghaft: erste Frühlingsboten.

Die Sonne hat mittlerweile das Nebelgrau vertrieben, sie steht über der Benediktenwand, die aus dieser Perspektive mehr Turm als breite Wand ist. Das Kirchlein von Ramsach bleibt links, auch das Gasthaus Ähndl – für eine Einkehr ist es noch zu früh. Christian quert die B2 und steuert den Seidlpark an. Der erinnert an den Architekten Emanuel von Seidl, den Bruder des berühmteren Münchner Stadtbaumeisters Gabriel von Seidl, dem Bad Tölz seine schmucke Marktstraße verdankt. Emanuel war ein erfolgreicher Villenarchitekt, sein Talent für Landschaftsgestaltung bewies er bei der Planung des Tierparks Hellabrunn. Christians Weiterweg führt von Mühlhagen durch einen kleinen Graben bergan. Am Wasser steht eine alte, längst stillgelegte Hammerschmiede. Knapp hundert Meter höher, an der quer verlaufenden Asphaltstraße hält er sich rechts und peilt den Weiler Hagen an, der – wie ihm sein Wanderführer verrät – 1148 urkundlich erstmals erwähnt wird.

Aus jener Epoche dürfte die St.-Blasius-Kirche stammen; ihr Chor ist gotisch, die Ausstattung spätbarock. An dem schönen Platz kommt man leicht in Versuchung, eine längere Rast einzulegen, bietet der Biergarten des Gasthauses Heimgarten doch freie Sicht übers Murnauer Moos auf die Alpengipfel. Die bezauberte schon Prominente wie Ludwig Thoma, Henry Ford und Steve McQueen. Letzterer besuchte hier seinen Schauspielerfreund Siegfried Rauch, den viele von der TV-Serie »Traumschiff« kennen und der um 1960 in Hagen wohnte. Christian widersteht der Versuchung einer längeren Pause. Arthur, der ihn bestimmt dazu überredet hätte, sitzt ja zu Hause auf der Ofenbank und trinkt heißen Tee. Gute Besserung! Im Rücken des Weilers geht’s gleich wieder bergan, mit zunehmend freier Aussicht auf die Voralpenketten und das Wetterstein. »Guglhör« sagen die Wegschilder, und da gibt es dann beides: Aussicht und Brotzeit.

Christian sucht und findet einen Platz auf der gemütlich kleinen Terrasse, bestellt einen Steckerlfisch vom Grill und dazu eine Weiße. Schmeckt lecker. Sein Tischnachbar klärt ihn darüber auf, dass Guglhör zum Hauptlandesgestüt Schwaiganger gehört, und dass hier vom Aussterben bedrohte Nutztierarten gezüchtet werden. Gute Sache. Beim Weiterweg über den Molasserücken sieht Christian tatsächlich ein paar Murnau-Werdenfelser Rinder auf der Wiese stehen: schöne, kräftige Tiere, früher zur Arbeit am Hof und als Milch- und Fleischlieferant sehr geschätzt.

Wandern durch die Mondscheinfilze nach Benediktbeuern

Christian steigt hinunter zur Garmischer Autobahn, die hier auf mächtigen Pfeilern die Loisach quert, wandert hinein nach Kleinweil und vom Nachbarort Großweil hinaus in die ewig weite Mondscheinfilze, immer am alten Triftkanal entlang. Die Sonne steht jetzt im Südwesten über dem Laberberg, sie wärmt angenehm. Die barocken Zwiebeltürme von Benediktbeuern rücken näher, langsam nur, und der Hausberg des Klosters bekommt allmählich sein Nordwandgesicht. Eine Stunde später sitzt der Solo-Wanderer im Biergarten des Bräustüberls, die Beine unter der Bank ausgestreckt. Nächstes Mal wird Arthur bestimmt wieder dabei sein, hofft er und räuspert sich ungewollt: einmal, noch einmal. Womöglich Vorboten einer Erkältung? Jetzt, wo’s Frühling wird? Nur das nicht!
Eugen E. Hüsler
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 03/2015. Jetzt abonnieren!
 
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