Ein Bergtour im Tölzer Land
Die Benediktenwand, mein Lieblingsberg
© Peter F. Kuhn
Vom Gipfelhüttchen an der Benediktenwand bietet sich ein überwältigender Ausblick ins Wettersteingebirge
Vom Gipfelhüttchen an der Benediktenwand bietet sich ein überwältigender Ausblick ins Wettersteingebirge
Manchmal, besonders bei Föhn, fahre ich auf dem Heimweg über die kleine Anhöhe, die mit der Bank neben dem Marterl unter der uralten Linde, denn von hier kann man sie wunderbar sehen. Und dann freue ich mich schon darauf, irgendwann wieder auf ihr herum zu kraxeln. So wie damals, als ich das erste Mal unter der Nordwand stand, ganz weit über mir das Gipfelkreuz erkannte und sofort wußte: Das ist er, mein Lieblingsberg. Und genau das, Benewand, bist du bis heute geblieben.
Wahrscheinlich hat ein jeder so sein ganz spezielles Lieblingsplatzerl im Gebirge, einen besonders steilen Gipfel vielleicht oder eine besonders romantische Almwiese, Orte, die sicher auch mit ureigenen Erinnerungen verbunden sind. Und für mich gibt es halt keinen schöneren Ort als die Wiesen rund um das Gipfelkreuz der Benediktenwand im Tölzer Land. Es macht mir auch nichts aus, daß so viele andere Bergwanderer offenbar genauso denken wie ich, denn Einsamkeit wird man auf diesem Gipfel meistens vergeblich suchen! Nur ein einziges Mal, in aller Herrgottsfrühe, habe ich es bis jetzt geschafft, allein droben zu stehen – na ja, zumindest für eine halbe Stunde, aber immerhin! Es stört ja eigentlich auch nicht, daß man nicht allein ist, denn die ausgedehnten Wiesen bieten genug Gelegenheit, sich von der Masse abzusetzen, sich ein stilles Platzerl zu suchen, und das Panorama ist hier überall grandios! Durch ihre exponierte Lage ist die Benediktenwand ein Aussichtsberg besonderer Güte. Richtung Norden schweift der Blick in die Ebene, das Kloster Benediktbeuern liegt einem zu Füßen und – je nach Wetterlage und Jahreszeit – schaut man in die Dunstglocke, die sich bis zur Landeshauptstadt erstreckt (oder vielleicht sogar von ihr und ihren vielen Autos verursacht wird…?). Im Westen grüßen Kochel- und Walchensee herüber, während im Süden die schroffen Zacken des Karwendels und des Rofans des Wanderers Sehnsüchte wecken. Im Osten schließlich erkennt das geübte Auge die Spitzen der Tegernseer Berge, die an so manche gemütliche Berg- oder Hüttentour erinnern.
Fast genauso schön – aber eben nur fast! –, dafür aber um so einsamer ist es auf dem Brandköpfl, einem kleinen Spitz oberhalb der Tutzinger Hütte, den die Wanderkarawanen auf ihrem westseitigen Anstieg zur »Benewand« meist links – oder, geographisch korrekt, rechts – liegen lassen. Fast schon dramatisch offenbart sich von diesem Logenplatz aus die Schroffheit der Nordwand, besonders am späten Nachmittag, wenn das schräg einfallende Sonnenlicht die Kanten und Zacken plastisch hervortreten läßt. Das ist schon wirklich ein imposanter Anblick für einen kleinen Voralpenberg, und außerdem die einzige Himmelsrichtung, von der aus ich persönlich demselbigen noch nicht aufs Haupt gestiegen, weil ich ja nur ein harmloser Bergwanderer und kein Kletterer, kein »richtiger Bergsteiger« bin.
Von allen Wegen, die zum Gipfel führen, ist der schönste sicherlich der, der in Petern beginnt, da die landschaftlich einmalige Jachenau schon allein einen Besuch wert ist. Durch Wald und Wiesen, am Reichenaubach entlang, an der Bichler Alm und der malerischen Höllgrube vorbei, auf deren Wiese sich die Steinböcke tummeln, gelangt man nach einer kurzen Steilstufe und durch Latschengestrüpp zu den gemütlichen Liegewiesen, die den Gipfelaufbau umgeben. Ach ja, Steinböcke: Wer diese majestätischen Tiere je in freier Natur aus nächster Nähe erleben durfte, versteht, warum sie die »Könige der Alpen« genannt werden. Wohl kein anderes Tier dieser Region bewegt sich derartig sicher und gelassen auch in steilsten Felswänden, man meint fast, ein spöttisches Lächeln wahrzunehmen, wenn sie einen dabei beobachten, wie man seine überflüssigen Pfunde (und damit meine ich jetzt nicht den Rucksack!) den Berg hinauf schleppt.
Bei einer Tour über den Ostgrat kam ich einmal in den Genuß eines besonderen Schauspiels. Eine Familie mit einem großen Hund, der auf dem schmalen Weg ständig hin und her wuselte, ging ungefähr fünfzig Meter hinter uns. Plötzlich blieb der Hund einige Schritte vor mir wie angewurzelt stehen, kläffte und jaulte wie verrückt. Auf einer Wiese wenig unterhalb des Gratweges hatte es sich eine Steinbockherde bequem gemacht. Trotz der noch recht kleinen Kitze, die sich um ihre Mütter drängten, zeigten sich sämtliche Tiere von dem Gekläff absolut unbeeindruckt. Erst als der Hund wie verrückt bellend ein paar Schritte auf die Herde zu machte, stand der Größte der Böcke auf, drehte sich betont langsam zu dem Störenfried hin und senkte den Kopf, um die Größe seiner mächtigen Hörner noch deutlicher zum Ausdruck zu bringen. Jetzt aber beeilten sich die Hundebesitzer, ihren Vierbeiner zurückzuhalten, wobei – siehe da! – nun auch eine Hundeleine zum Vorschein kam. Wäre es tatsächlich zu einem Zweikampf Bock gegen Hund gekommen, könnte ich jetzt bestimmt, ohne zu lügen, davon berichten, daß es auch in den bayerischen Bergen fliegende Hunde gibt!
Auf jeden Fall mitgewirkt hat er dabei, die Tutzinger Hütte zu einer der beliebtesten Hütten in den Bayerischen Voralpen zu machen. Man kann sich aber auch kaum einen schöneren Platz für eine Bergsteigerunterkunft vorstellen, direkt unter der schroffen Nordwand und von Wald und grünen Wiesen umgeben. Und wenn dann der Wirt nach einem üppigen Abendmahl seine Zither auspackt und »die Musi aufspuit«, dann paßt einfach »ois z’́amm«. Davon abgesehen gibt es ja nicht nur die Benewand als lohnendes Ziel in der Umgebung. Der Weg über die Achselköpfe zum Brauneck ist trotz der Übererschlossenheit des Zieles eine Panorama-Gratwanderung erster Güte. Schon etwas versteckter ist der Weg über die Glaswand in Richtung Rabenkopf, dafür begegnet man hier deutlich weniger Mitwanderern, ebenso wie im Längental und bei den Kirchsteinen, wo noch viele idyllische Plätze darauf warten, entdeckt und vielleicht sogar als Lieblingsplatzerl erkoren zu werden.
Meistens genügt es schon, Augen und Ohren offen zu halten und so die versteckten kleinen Schönheiten am Wegesrand wahrzunehmen: einen blühenden Schwalbenwurz-Enzian vielleicht, einen uralten Grenzstein oder einen in der Morgenkälte noch trägen Feuersalamander. Dann kann man selbst auf einem unbedeutenden Voralpenhügel seinen »inneren Mount Everest« finden. Und wenn das nächste Mal der Föhn bläst, werde ich jedenfalls wieder den Umweg über die kleine Anhöhe nehmen und mein ganz persönliches Lieblingsplatzerl, meine Benewand, aus der Ferne grüßen.
Wahrscheinlich hat ein jeder so sein ganz spezielles Lieblingsplatzerl im Gebirge, einen besonders steilen Gipfel vielleicht oder eine besonders romantische Almwiese, Orte, die sicher auch mit ureigenen Erinnerungen verbunden sind. Und für mich gibt es halt keinen schöneren Ort als die Wiesen rund um das Gipfelkreuz der Benediktenwand im Tölzer Land. Es macht mir auch nichts aus, daß so viele andere Bergwanderer offenbar genauso denken wie ich, denn Einsamkeit wird man auf diesem Gipfel meistens vergeblich suchen! Nur ein einziges Mal, in aller Herrgottsfrühe, habe ich es bis jetzt geschafft, allein droben zu stehen – na ja, zumindest für eine halbe Stunde, aber immerhin! Es stört ja eigentlich auch nicht, daß man nicht allein ist, denn die ausgedehnten Wiesen bieten genug Gelegenheit, sich von der Masse abzusetzen, sich ein stilles Platzerl zu suchen, und das Panorama ist hier überall grandios! Durch ihre exponierte Lage ist die Benediktenwand ein Aussichtsberg besonderer Güte. Richtung Norden schweift der Blick in die Ebene, das Kloster Benediktbeuern liegt einem zu Füßen und – je nach Wetterlage und Jahreszeit – schaut man in die Dunstglocke, die sich bis zur Landeshauptstadt erstreckt (oder vielleicht sogar von ihr und ihren vielen Autos verursacht wird…?). Im Westen grüßen Kochel- und Walchensee herüber, während im Süden die schroffen Zacken des Karwendels und des Rofans des Wanderers Sehnsüchte wecken. Im Osten schließlich erkennt das geübte Auge die Spitzen der Tegernseer Berge, die an so manche gemütliche Berg- oder Hüttentour erinnern.
Fast genauso schön – aber eben nur fast! –, dafür aber um so einsamer ist es auf dem Brandköpfl, einem kleinen Spitz oberhalb der Tutzinger Hütte, den die Wanderkarawanen auf ihrem westseitigen Anstieg zur »Benewand« meist links – oder, geographisch korrekt, rechts – liegen lassen. Fast schon dramatisch offenbart sich von diesem Logenplatz aus die Schroffheit der Nordwand, besonders am späten Nachmittag, wenn das schräg einfallende Sonnenlicht die Kanten und Zacken plastisch hervortreten läßt. Das ist schon wirklich ein imposanter Anblick für einen kleinen Voralpenberg, und außerdem die einzige Himmelsrichtung, von der aus ich persönlich demselbigen noch nicht aufs Haupt gestiegen, weil ich ja nur ein harmloser Bergwanderer und kein Kletterer, kein »richtiger Bergsteiger« bin.
Von allen Wegen, die zum Gipfel führen, ist der schönste sicherlich der, der in Petern beginnt, da die landschaftlich einmalige Jachenau schon allein einen Besuch wert ist. Durch Wald und Wiesen, am Reichenaubach entlang, an der Bichler Alm und der malerischen Höllgrube vorbei, auf deren Wiese sich die Steinböcke tummeln, gelangt man nach einer kurzen Steilstufe und durch Latschengestrüpp zu den gemütlichen Liegewiesen, die den Gipfelaufbau umgeben. Ach ja, Steinböcke: Wer diese majestätischen Tiere je in freier Natur aus nächster Nähe erleben durfte, versteht, warum sie die »Könige der Alpen« genannt werden. Wohl kein anderes Tier dieser Region bewegt sich derartig sicher und gelassen auch in steilsten Felswänden, man meint fast, ein spöttisches Lächeln wahrzunehmen, wenn sie einen dabei beobachten, wie man seine überflüssigen Pfunde (und damit meine ich jetzt nicht den Rucksack!) den Berg hinauf schleppt.
Bei einer Tour über den Ostgrat kam ich einmal in den Genuß eines besonderen Schauspiels. Eine Familie mit einem großen Hund, der auf dem schmalen Weg ständig hin und her wuselte, ging ungefähr fünfzig Meter hinter uns. Plötzlich blieb der Hund einige Schritte vor mir wie angewurzelt stehen, kläffte und jaulte wie verrückt. Auf einer Wiese wenig unterhalb des Gratweges hatte es sich eine Steinbockherde bequem gemacht. Trotz der noch recht kleinen Kitze, die sich um ihre Mütter drängten, zeigten sich sämtliche Tiere von dem Gekläff absolut unbeeindruckt. Erst als der Hund wie verrückt bellend ein paar Schritte auf die Herde zu machte, stand der Größte der Böcke auf, drehte sich betont langsam zu dem Störenfried hin und senkte den Kopf, um die Größe seiner mächtigen Hörner noch deutlicher zum Ausdruck zu bringen. Jetzt aber beeilten sich die Hundebesitzer, ihren Vierbeiner zurückzuhalten, wobei – siehe da! – nun auch eine Hundeleine zum Vorschein kam. Wäre es tatsächlich zu einem Zweikampf Bock gegen Hund gekommen, könnte ich jetzt bestimmt, ohne zu lügen, davon berichten, daß es auch in den bayerischen Bergen fliegende Hunde gibt!
Vom Zauber der Benediktenwand
Noch eine andere Erinnerung macht mir diese Tour unvergeßlich. Ich hatte nämlich eine Begleiterin, die, im Flachland beheimatet, zum ersten Mal überhaupt auf einer richtigen Bergtour dabei war. Leichtfertig und konditionsstark wie ich war (das damalige Verhältnis Bierbauch zu Beinmuskeln war umgekehrt proportional zum heutigen…) schlug ich an der Tutzinger Hütte vor, statt dem Normalweg den abwechslungsreicheren Ostgrat zu begehen. Dadurch wurde diese »kleine Vormittagstour« (ein Begriff, der mein Leben ab diesem Tag begleiten sollte) natürlich ein wenig ausgedehnter als geplant. Als ich damals am Abend die ebenfalls ausgedehnten Blasen an den Füßen meiner zukünftigen Gattin begutachtete, wurde mir klar, daß ich wohl einen Fehler gemacht hatte. Nun ja, sie hat es mir nicht allzu übel genommen; vielleicht hat ja auch bei ihr der Zauber der Benewand gewirkt?Auf jeden Fall mitgewirkt hat er dabei, die Tutzinger Hütte zu einer der beliebtesten Hütten in den Bayerischen Voralpen zu machen. Man kann sich aber auch kaum einen schöneren Platz für eine Bergsteigerunterkunft vorstellen, direkt unter der schroffen Nordwand und von Wald und grünen Wiesen umgeben. Und wenn dann der Wirt nach einem üppigen Abendmahl seine Zither auspackt und »die Musi aufspuit«, dann paßt einfach »ois z’́amm«. Davon abgesehen gibt es ja nicht nur die Benewand als lohnendes Ziel in der Umgebung. Der Weg über die Achselköpfe zum Brauneck ist trotz der Übererschlossenheit des Zieles eine Panorama-Gratwanderung erster Güte. Schon etwas versteckter ist der Weg über die Glaswand in Richtung Rabenkopf, dafür begegnet man hier deutlich weniger Mitwanderern, ebenso wie im Längental und bei den Kirchsteinen, wo noch viele idyllische Plätze darauf warten, entdeckt und vielleicht sogar als Lieblingsplatzerl erkoren zu werden.
Von Lieblingsplatzerln…
Ich will jetzt aber gar keine detaillierten Tourenbeschreibungen abliefern, dafür gibt es schließlich hervorragende Karten und Führerliteratur en masse, ich möchte eigentlich nur klarstellen, daß es nicht unbedingt extreme Routen, schroffe Gipfel und Grate, steile Firn- oder Eiswände braucht, um in den Bergen seinen ganz eigenen Seelenfrieden zu finden.Meistens genügt es schon, Augen und Ohren offen zu halten und so die versteckten kleinen Schönheiten am Wegesrand wahrzunehmen: einen blühenden Schwalbenwurz-Enzian vielleicht, einen uralten Grenzstein oder einen in der Morgenkälte noch trägen Feuersalamander. Dann kann man selbst auf einem unbedeutenden Voralpenhügel seinen »inneren Mount Everest« finden. Und wenn das nächste Mal der Föhn bläst, werde ich jedenfalls wieder den Umweg über die kleine Anhöhe nehmen und mein ganz persönliches Lieblingsplatzerl, meine Benewand, aus der Ferne grüßen.
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Anmerkung des Autors: Dieser Text wurde in ALTER deutscher Rechtschreibung erstellt; diesbezügliche Kritik bei der Redaktion bzw. beim Schreiber ist zwecklos!
Eine Art Liebeserklärung von Peter F. Kuhn
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