Kurz und zackig - Wandern im Chiemgau | BERGSTEIGER Magazin
Die schönsten Touren für den Frühling im Chiemgau

Kurz und zackig - Wandern im Chiemgau

Wandern im Chiemgau. Der Chiemgau bietet einige wunderbare Frühjahrstouren, um sich schon einmal für den Sommer aufzuwärmen. Sogar ein wenig Felskontakt ist an den Gipfeln mit dabei. Von Christian Mayerhofer und Monika Hippe
 
Macht seinem Namen alle Ehre: die bugartige Felsnase des Dampfschiffs im Chiemgau © Christian Mayerhofer
Macht seinem Namen alle Ehre: die bugartige Felsnase des Dampfschiffs im Chiemgau
Wenn im Chiemgau der Schnee schmilzt, locken die ersten drei Felsschmankerl: Engelstein (972 m), Bauernwand (1580 m) und Dampfschiff (1428 m). Da die Touren nicht markiert sind, muss man ein gewisses Gespür für die Wegfindung haben. Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und Spaß am Klettern im untersten Schwierigkeitsbereich kommen hinzu. Belohnt wird man mit Fernblicken, kleinen Klettereinlagen im Gipfelbereich und Einsamkeit.

Wandern im Chiemgau - zwischen Sagen und Bärlauch

Auf der Straße von Grassau nach Bergen sieht man rechter Hand die kleine Felsnase aus dem Wald spitzen. Von Pattenberg führt der breite Forstweg vorbei an einer Damwildzucht. Eine knappe halbe Stunde geht es an steilen Hängen entlang, die im Frühjahr einen würzigen Knoblauchduft aussenden. Bärlauch säumt den Wegrand bis zur Lichtung am Fuße des Felsens. Seit jeher gilt der Engelstein als Kraftort. Einer alten Sage nach hauste hier oben die Frau Engela. Sie verliebte sich in einen Bauernbuben, der allerdings ein anderes Mädchen heiraten wollte. Da schenkte die Frau Engela dem Burschen einen verzauberten Gürtel, den er seiner Holden überreichen sollte. Der junge Bauer ahnte die böse Absicht und band den Gürtel um einen Baum. Am nächsten Tag war der Baum an der Stelle des Gürtels zerquetscht, zerbrochen, gefällt. Seitdem soll die schreckliche Hexe Engela, zu Fels geworden, über dem Bergener Filz wachen. Es gibt auch wahre Geschichten über den Engelstein. So haben die Kletterlegenden Georg Mitterer und Fritz Schmitt hier trainiert. Der leichteste Anstieg führt über den teils luftigen Ostgrat mit einer Stelle im II. Schwierigkeitsgrat – und mit jeder Menge Fels- und Wurzelhenkel. Für Sportkletterer bietet der Engelstein eine feine, im Frühjahr allerdings meist nasse Route mit drei kurzen Seillängen (VII-). Durch die Westwand führen mehrere Durchstiegsmöglichkeiten in den unteren Schwierigkeitsgraden, alle mit Bohrhaken bestens abgesichert.

Unterschätzte Felsnase

Ganz so bequem wie am Engelstein kommt man am Dampfschiff nicht in den Genuss der felsigen Gipfelfreude, denn es gilt zunächst mindestens 800 Höhenmeter zu überwinden. Der kürzeste Zustieg beginnt in Oberwössen und führt durch herrlichen Mischwald über die Burgaualm hinauf zur Rechenbergalm. Hier versüßt – je nach Saison – Sennerin Leni den Aufstieg mit einer deftigen Mehlspeise. Seit 28 Jahren verbringt sie jeden Sommer hier oben mit Sohn Simon, 40 Stück Jungvieh und zwei Milchkühen. Fragt man Leni nach dem Zustieg zum Dampfschiff, bekommt man meist keine oder nur eine dürftige Antwort. »Da soll kein Unwissender rauf gehen«, meint sie. Zu viel sei schon passiert. Deshalb war die Sennerin froh, als der Wegweiser unterhalb des Gipfels – den mal ein Bergsteiger aufgestellt hatte – wieder verschwunden war. Hinter der Alm führt ein steiler Steig geradeaus hinauf in eine Scharte. Ist der Zustieg zum Dampfschiff über einen Weidezaun einmal entdeckt, findet man den Weg zum Gipfel trotz fehlender Markierung relativ leicht. Wer beim Abstieg dem Grat weiter in Richtung Kleiner Rechenberg folgt, erkennt besonders gut, warum der Felsen Dampfschiff heißt. Wie der Bug eines mächtigen Schiffes ragt der Gipfel aus dem Wald. Der Grat führt weiter durch Wald und Fels und offenbart immer wieder herrliche Weit- und Tiefblicke.

Einsam in der Masse

Wer den Gipfel der Bauernwand erklimmt, hat ihn meist für sich allein, obwohl die Bergnase direkt neben der Kampenwand liegt. Der schönste Zustieg ist zugleich der längste. Von Hainbach aus geht es durch den wildromantischen Klausgraben. Das Rauschen des Baches begleitet einen fast bis hinauf zur Dalsenalm. Während der Schneeschmelze donnert es mächtig im Graben. Schon kurz vor der Alm zweigt man links ab, hinauf zur Huberalm und folgt den Markierungen in Richtung Kampenwand. Jetzt heißt es den richtigen Riecher für die Abzweigung haben. Kurz hinter den Mauerresten der alten Huberalm geht es steil hinauf bis zu einem Wiesenbuckel. Zwischen den Latschen befindet sich ein Durchgang. Er wird im Sommer von Weidevieh ausgetreten, was die Orientierung erleichtert. Dahinter leuchtet das Gipfelkreuz der Bauernwand (1580 m) in der Sonne. Auf den letzten Metern darf man dann tatsächlich die Hände zur Unterstützung nehmen. Der Aufstieg lohnt auch wegen des schönen Gipfelkreuzes: schmiedeeisern mit gedrechseltem Fuß und einem Edelweißsymbol in der Mitte. Oft sitzt hier Josef Messerer, zweiter Vorsitzender des Fördervereins zur Erhaltung der Gebirgstrachten in Prien. 1982 hat er das Gipfelkreuz gemeinsam mit Freunden auf die Bauernwand geschleppt und dort einbetoniert. »Es stammt von einem alten Priener Anwesen und müsste etwa 150 Jahre alt sein«, sagt er. Er klettert gern auf die Bauernwand. Denn während sich auf der gegenüberliegenden Kampenwand die Menschen tummeln, ist es hier ganz einsam.
Von Christian Mayerhofer und Monika Hippe
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 03/2015. Jetzt abonnieren!
 
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