Maderanertal am Gotthard

Maderanertaler Höhenweg - Wandern auf der Sonnenseite

Viele Autofahrer ahnen gar nicht, wie nah sie bei der Ausfahrt Amsteg auf der Gotthard-Autobahn an ihrem Glück vorbeirasen. Nur wenige Kilometer entfernt liegt mit dem Maderanertal ein verstecktes Gebirgstal, das eine Art Schweizer Traumwelt verkörpert.
Von Mark Zahel
 
Von lieblich bis schroff : Das Maderanertal ist eine typische Schweizer Landschaft . © Uri Tourismus/ Angel Sanchez
Von lieblich bis schroff : Das Maderanertal ist eine typische Schweizer Landschaft .
Windgällen, Ruchen und Schärhorn, Düssi, Oberalpstock und Bristen – der Kranz der Dreitausender rund um das Maderanertal erscheint gewaltig. Mächtige Tröge als Zeugen der Eiszeiten, Steilflanken, über die zahlreiche Wasserfälle stieben, aber auch malerische Geländeterrassen, die der Mensch seit Jahrhunderten als Sommerweiden für sein Vieh nutzt. Wild schäumt der Chärstelenbach durch die Talsohle, gespeist vom Hüfifirn, der als größter Gletscher der Zentralschweiz einen Hauch von Arktis verströmt. Das Traumbild einer Schweizer Bilderbuchlandschaft – im Maderanertal wird es real. Selbst ein »Toblerone-Gipfel« fehlt nicht. Der heißt hier zwar nicht Matterhorn, aber Gross Düssi klingt doch auch nicht schlecht. 
Maderanertal
Am Maderanertaler Höhenweg rauschen Wildbäche durchs Gelände.

Schweizer Alpenidyll am Gotthard

Nur einen Steinwurf von der Transitachse durchs Urner Reusstal entfernt – eine schmale kurvige Bergstraße hinaufgefahren – und man wähnt sich in einer anderen Welt. Der Spruch »Die Uhren ticken hier langsamer« meint keinesfalls Rückständigkeit. Vielmehr ticken die Uhren hier noch ganz normal. Das traditionsbewusste Leben orientiert sich am natürlichen Lauf der Tages- und Jahreszeiten, den unaufhaltsamer Fortschritt und Zeitgeist anderswo kurzerhand beiseiteschieben. Besiedelt ist das Maderanertal ohnehin nur dünn: Eine nennenswerte Ortschaft (Bristen) und einige bäuerliche Streusiedlungen, eingebettet in eine weithin ungezähmte Natur, ergeben eine Harmonie, die Herz und Sinne berührt. Als besonderes Idyll strahlt Golzern Urschweizer Heimeligkeit aus.

Keine Straße erschließt das locker in sattgrüne Wiesen gestreute Alpdorf, dafür aber eine Seilbahn, die nicht nur als Nabelschnur für die Almen dient, sondern auch von Wanderern gern genutzt wird. So verkürzt sich der Zustieg zur Windgällenhütte auf zwei Stunden. Mit dem Golzernsee als Blickfang beginnt hier eine Panoramatour sondergleichen. Gegenüber bäumt sich der gewaltige Oberalpstock mächtig auf und am Höhenweg taleinwärts lässt sich die Verzückung sogar noch steigern. Beim Blick auf die Kalkwuchten auf der einen und die kristallinen Gipfel auf der anderen Seite wird klar: Die Erdgeschichte hat es hier besonders gut gemeint.

Reichtum an Mineralien

Einen der schönsten Hüttenstandorte betreut der Hüfipaul. Aus welchem Fenster er auch schaut, die Wildnis ist überall. Hüfistöcklenen heißt die Kanzel, von der das Maderanertal bestens zu überblicken ist – reizvolle Sonnenuntergänge und Dämmerstunden inklusive. Von hier geht es für alle, die mit Seil und Pickel die umliegenden Gipfel erklimmen wollen zum Gletscher. Die Wanderer interessieren sich eher für den Schafweg, eine elegante Verbindung zur Hinterbalm im Brunnital. Mit seinen luftigen Traversen besitzt auch er einen gewissen Abenteuer-Touch.
 
Haflinger
     Pferde fühlen sich auf den Sommerweiden des Maderanertals wohl.

Wer sich weiter bergwärts wendet, kommt zur Bündner Kantonsgrenze und gleich dahinter zur Cavardirashütte beziehungsweise Camona da Cavardiras, wie sie rätoromanisch heißt. Sie dient als Basislager für die Hochtour auf den Oberalpstock und ist auch Stützpunkt der sogenannten Strahler, die im Gelände nach besonderen Steinen suchen. Denn das Maderanertal ist für seinen Reichtum an Mineralien bekannt. Souvenirs, die bestimmt nicht unter die Kategorie »Kitsch« fallen. Man sollte das Maderanertal nicht verlassen, ohne auch den Etzlikessel besucht zu haben.

Eine bequeme Hüttenwanderung führt in diese Nebenkammer, die sich erst spät öffnet und rund um die Etzlihütte einige charismatische Gipfel zur Schau stellt: den Piz Nair zum Beispiel, den Schattig Wichel oder den benachbarten Sunnig Wichel. Bergsteigen ist hier eine zünftige Angelegenheit. Doch ganz gleich, ob man sich den ambitionierteren Spielarten verschrieben hat oder es beschaulicher angehen lässt: Im Maderanertal findet garantiert jeder sein Stück Bilderbuch-Schweiz.

Basiswissen Maderanertal

  • GUT ANKOMMEN? Mit der SBB nach Erstfeld, von dort besteht eine Autobusverbindung nach Amsteg. Von Amsteg nehmen Sie das Postauto nach Bristen bis zur Talstation der Golzernbahn. Weiter taleinwärts dürfen übrigens nur Berechtigte fahren!
  • WO ANKLOPFEN? Tourismusregion Maderanertal, Gotthardstraße 54, CH-6473 Silenen, Tel. 0041/ (0)41/8 84 81 10, www.maderanertal.ch
  • SICH ORIENTIEREN: Gamma Druck, Maderanertal, 1:25 000
  • WELCHE HÜTTEN? Windgällenhütte (2032 m), Anfang Juni bis Mitt e Oktober, Tel. 0 41/8 85 10 88, www.windgaellenhuette.ch; Hüfihütte (2334 m), 20. Juni bis Ende September, Tel. 0 41/8 85 14 75, www.huefipaul.ch; Hinterbalmhütte (1820 m), Anfang Juni bis Ende Oktober, Tel. 0 41/8 83 19 39; Cavardirashütte (2649 m), Anfang Juli bis Mitte September, Tel. 0 52/2 33 20 63, www.cavardiras.ch; Etzlihütt e (2052 m), Anfang Juni bis Mitte Oktober, Tel. 0 41/ 8 20 22 88, www.etzli.sac-tg.ch
  • MEHR ERFAHREN: Toni Fullin, Andy Banholzer »Oberalpstock Windgällen« (Reihe Alpine Touren), SACVerlag; Mark Zahel »Hüttenwandern im Osten der Schweiz«, Bruckmann Verlag

Am Maderanertaler Höhenweg

Bei dieser Tour lernen wir drei Stockwerke kennen: die Talsohle, die erste Geländeterrasse mit den malerisch verstreuten Hütten von Golzern sowie die Alpstufe, die sich um die 2000-Meter-Marke erstreckt. Hier verläuft ein toller Panoramaweg vis-à-vis von Gross Düssi, Oberalpstock und Co.

Eckdaten zur Tour:

  • Schwierigkeit: Leicht
  • Dauer: 5½ Std.
  • Höhendifferenz: ↗660 Hm ↘1220 Hm
  • Ausrüstung: Normale Bergwanderausrüstung
  • Talort: Bristen (770 m)
  • Ausgangspunkt: Talstation der Golzernbahn (832 m), ca. 2 km hinter Bristen
  • Öffentliche Verkehrsmittel: Postauto vom Bahnhof Amsteg
  • Gehzeiten: Bis Windgällenhütte 2 Std., gesamte Runde 5½ Std.
  • Beste Jahreszeit: Mitte Juni bis Mitte Oktober
  • Karten: Swisstopo 1:50 000, Blätter 246 T »Klausenpass« und 256 T »Disentis/Mustér«
  • Information: Tourismusregion Maderanertal, Gemeindeverwaltung Silenen, Gotthardstraße 54, CH-6473 Silenen, Tel. 00 41/41/8 84 81 10, www.maderanertal.ch
  • Hütten: Windgällenhütte (2032 m), SAC, Anfang Juni bis Mitte Oktober, Tel. 00 41/41/8 85 10 88
  • Charakter/Schwierigkeiten: Meist gut ausgebaute Bergwanderwege, auch die Bachquerungen und die steilere Passage am Tritt sind für Berggewohnte mit etwas Trittsicherheit unproblematisch. Schwierigkeitsgrad T2 nach der SAC-Skala

Routenverlauf Maderanertaler Höhenweg

Mit der Golzernbahn schweben wir zur Bergstation bei Egg (1395 m). Nun ostwärts über die Geländeterrasse von Golzern mit ihren stattlichen Hüttenensemblen. Kurz vor dem See schräg links hoch und abwechselnd über Weiden sowie durch Wald- und Strauchareale. Man kommt auf freie Berghänge voran und durch einen seichten Geländeeinschnitt zur Windgällenhütte (2032 m). In Grundrichtung Ost geht es mit leichtem Höhenverlust quer durch die Hanglagen, zunächst zur Alp Stäfel (1899 m) und nach Überschreitung einiger Wildbäche zum Tritt.

Eine Variante führt zuvor mit einem Mehraufwand von 30 Min. über die oberhalb gelegene Alp Gnof. Am Tritt setzt ein kehrenreicher Abstieg über eine steile Geländestufe an. Wir gelangen nach Sass und orientieren uns rechts zur Balmenegg (1349 m), wo das Hotel Maderanertal seinen Platz hat. Ein Güterweg leitet hinab in den Talgrund nach Balmenschachen (1185 m). Schließlich noch gute 4 km am rauschenden Chärstelenbach entlang talauswärts bis zum Parkplatz bei der Golzernbahn.
 
Maderanertaler Höhenweg
Routenverlauf Maderanertaler Höhenweg
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 09/2015. Jetzt abonnieren!
 
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