Pitztal: Skitouren am Dach Tirols | BERGSTEIGER Magazin

Pitztal: Skitouren am Dach Tirols

Das Pitztal, eines der wilderen Seitentäler der Ostalpen, wartet nicht nur mit unzähligen Tourenmöglichkeiten in vielerlei Schwierigkeitsstufen auf, sondern zeigt sich auch extrem aufgeschlossen gegenüber Tourengehern und solchen, die es werden wollen.
 
 
© Mario Webhofer
Wildspitze, Pitztal
Raphael Eiter ist einer der „wuideren Hunde“ hier im Pitztal, das merkt man dem verschmitzt lächelnden Bergführer gleich an. „Technisch schwierig is ned, die Wildspitze, aber heut bei 20 Grad minus, schlechter Sicht und extrem starken Wind ist das absolut kein Spaß oben am Grat“, sagt er. Es wird also wieder nichts mit dem höchsten Gipfel in Tirol (3774 m). Kein Problem, irgendwann wird’s schon klappen. Und der 31-jährige Abkömmling der Pitztaler Bergführer-Dynastie Eiter weiß zum Glück auch bei schlechtem Wetter genug Alternativen hier.

Tourengeher im Pitztal willkommen

Skitouren am Dach Tirols: Das sind Touren auf die umliegenden 3000er, das sind aber auch Routen und Programme für Tourenneulinge. Im Skigebiet Hochzeiger bietet die Skischule Hochzeiger beispielsweise jeden Mittwoch eine Skitour für Einsteiger an. Neben der Skitour lernen die Teilnehmer den Umgang mit der Tourenausrüstung, bekommen Tipps und Empfehlungen zu den verschiedenen Aufstiegstechniken im freien Skiraum und eine Einführung in die Beurteilung der Lawinensituation. Die Einsteiger-Skitour am Hochzeiger startet bei der Mittelstation auf 2000 Metern. Von hier aus geht es der Aufstiegsspur entlang bis zum Zollberg auf 2225 Metern.
 
Wer es hochalpiner mag, kann von der Bergbahn Rifflsee aus u.a. K2 (3250 m), Rostizkogel (3394 m), Schneidiges Wandle (3357 m) und einige andere Gipfelziele angehen oder über das Rostizjoch, sowie das Wurmtaler Joch bis ins Kaunertal touren. Oben am Pitztaler Gletscher warten neben der Wildspitze beispielsweise der Brochkogel (3635 m), der Linke Fernerkogel (3277m) oder der Rechte Fernerkogel (3300m) auf bereits erfahrene Skitourengeher. Wer noch nicht soweit ist, vorher in der Höhe etwas trainieren möchte oder es abseits zu lawinengefährlich ist, findet in den drei Routen des Mitte November 2017 neu eröffneten Skitourenparks am Pitztaler Gletscher (wir berichteten) eine gute Möglichkeit, Skitourenhöhenluft am Pistenrand zu schnuppern. 
 
Für Skitourengeher gibt es hier übrigens ein spezielles Skitouren Ticket: Die einmalige Berg- und Talfahrt mit dem Gletscherexpress sowie die Bergfahrt mit Mittelbergbahn und Gletscherseebahn mit Skitourenausrüstung kostet 32 € für Erwachsene und 20 € für Kinder.

Trend „Freeriding meets Skitouring“

Die Schlechtwetter-Alternative heute fällt auf den Rechten Fernerkogel. „Die Route ist ziemlich lawinensicher und ein bissl Kraxelei am Ende hinauf zum Gipfel habt’s auch dabei“, sagt Raphael.  Eigentlich wäre er auch gerne mit der Gruppe hinauf zum Mittagskogel, aber da liegt derzeit noch zu wenig Schnee für das, was einigen hier auch extrem gefallen würde: wenige Höhenmeter Anstieg und dafür eine ganz lange Abfahrt im freien Gelände. „Freeriding meets Skitouring“ - das Pitztal hat den Trend zum abfahrtsorientierten Skitourengehen als Motto aufgegriffen und bietet dafür eigene Programme mit guten Guides wie Raphael, der im Pitztal eine eigene Alpin- und Freerideakademie betreibt und die besten Routen im riesigen Areal kennt.

Foto: Daniel Zangerl

„Pitztal Wild Face“ für Freerider aus aller Welt

Nach einigen Jahren am Arlberg und drei Jahren als Heliskiguide in Kanada ist er jetzt wieder zurück im Pitztal, wo er auch als Organisator des „Pitztal Wild Face“ viel zu tun hat. Das Freeride-Rennen vom Mittagskogel hinunter nach Mandarfen (4,6 Kilometer, 1510 Höhenmeter) ist der einzige Wettbewerb in dieser Disziplin, bei dem es nur um die Geschwindigkeit geht und die Ideallinie frei gewählt werden kann. Zusammen mit seinem Cousin Philipp hat Raphael das Rennen, das unter Freeridern als eines der härtesten Rennen der Welt gilt, ins Leben gerufen.

Beide sind im hinteren Pitztal mit Blick auf den Mittagskogel (3173 m) aufgewachsen, der den Talschluss und zumindest Richtung Süden das Ende der Welt markiert. Mit dem Gletscher-Express hoch in acht Minuten, eine halbe Stunde mit geschulterten Skiern bis zum Gipfelkreuz, dann Powder pur zurück ins Tal. Nach unzähligen internen Freeride-Battles um die beste Zeit sind die beiden Cousins auf die Idee gekommen, ihren Mittagskogel, der sich wie ein Musterberg in Pyramidenform auftürmt, ins Zentrum eines Wettbewerbs zu stellen. So ist das „Pitztal Wild Face“ entstanden, das sich zum Hotspot der Szene entwickelt hat. Der erste Sieger hieß übrigens Schmatz Eiter, der Onkel von Philipp und Raphael, der sich damit lebenslang die Startnummer eins gesichert hat. Für das neunte „Pitztal Wild Face“ vom 8. bis 11. März 2018 kommen Freerider aus aller Welt zum Pitztaler Gletscher, es ist offiziell als Zwei-Sterne-Qualifikationslauf im Kalender der Freeride World Tour gelistet.
 
Heute will Raphael aber erst rauf mit seiner Truppe auf den Rechten Fernerkogel, um danach den frischen Powder hinunter auf sicheren Hängen auch genießen zu können. Spurenlegen im frischen Weiß. Ab und zu lichtet sich der Nebel und der Berg lässt sich sehen. Der Aufstieg am Seil hinauf auf den Gipfel im immer wieder fast hüfttiefen Schnee mit Kraxelei auf rutschigem Fels ist dann schon ein wenig mühevoll, aber am Ende sind alle heil oben und auch wieder zurück im Skidepot, bevor ein paar schöne Schwünge am Dach Tirols als Belohnung warten.

Tourdaten Rechter Fernerkogel (3300 m):
  • Start: Pitztaler Gletscherbahn Gipfelstation
  • Ausgangspunkt: Mittelbergbahn Talstation (2685 m)
  • Charakter: schneesichere Tour über Gletscherflächen mit anspruchsvollerem Gipfelanstieg in zum Teil losem Blockwerk mit leichter Kletterei (1 bis 2)
  • Aufstieg: 615 Hm
  • Zeit: ca. 2 bis 2,5 Std
  • Abfahrt: wie Aufstieg oder bei guter Schneelage bis ins Tal (1560 Hm)

 
Petra Rapp
Fotos: 
Petra Rapp
 
Mehr zum Thema