Skitouren in Romsdalen | BERGSTEIGER Magazin
Drolliges Kurven-Erlebnis

Skitouren in Romsdalen

Romsdalen gilt als »Chamonix Norwegens«. Die Region in Fjord Norwegen, in der der Alpinismus Norwegens seine Wiege hat, wird auch im Winter bei Skitourengehern immer beliebter. Faszinierend: eine E-Bike-Skitour am berühmten Trollstigen.


 
 
Die ersten Höhenmeter werden per E-Bike zurückgelegt. © Petra Rapp
Die ersten Höhenmeter werden per E-Bike zurückgelegt.

Mächtig hängt die weiße Wand oben am Hang. »Es ist besser, wir fahren hier lieber einzeln. Da kann eventuell doch noch was runterkommen«, meint Guide Odd Erik, den alle nur Erik nennen. Er fährt davon auf seinem nagelneuen E-Bike, die Skischuhe an den Füßen, Ski samt Stöcke am Rucksack auf dem Rücken befestigt. Es dauert eine Weile, bis die ganze Gruppe wieder oben bei ihm ist. Aber macht gar nichts, es gibt wohl nur wenige Orte, wo man lieber wartet. Wann hat man schon den Luxus, eine der beliebtesten und deshalb normalerweise stark frequentierten Passstraßen Norwegens ganz für sich zu haben. Und das bei strahlend schönem Wetter.

Elf Haarnadelkurven führen über 15 Kilometer den Trollstigen hinauf. Die berühmte Bergstraße unweit des zum UNESCO-Welterbe zählenden Geirangerfjords wurde 1936 eröffnet und hat sich zum Touristenmagneten Norwegens entwickelt. Warum ist offensichtlich: Tosende Wasserfälle rechts und links, grandiose Ausblicke auf jetzt frühlingshaft grüne Täler unten, rundherum hohe Berge mit majestätischen Namen wie Kongen (»König«), Dronningen (»Königin«) und Bispen (»Bischof«) und oben am höchsten Punkt auf 620 Metern über dem Meeresspiegel der großartige Blick auf den bekanntesten Fjord der Welt – den Geirangerfjord.


Mit Motorunterstützung geht es flott hinauf. Foto: Valentin Rapp

Autofreier Luxus am Trollstigen

Die letzten Vorbehalte gegen E-Bikes surren hier oben am Stigrøra, wo sich die Schneewände am Straßenrand zum Teil noch meterhoch türmen, mit jeder Kurve auf der bis zu zehn Prozent steilen Passstraße davon. Vor ein paar Tagen haben Schneefräsen die im Winter geschlossene Straße passierbar gemacht, sie ist aber offiziell für den Autoverkehr noch nicht freigegeben. »Jetzt Anfang Mai ist hier die perfekte Zeit für E-Bike-Skitouren. Auch, wenn es heute schon ein bisschen warm ist und wir schauen müssen, wie weit es die Verhältnisse zulassen.« Odd Erik Reenning (34) war lange Zeit Ausbilder für Ski- und Lawinensicherheit in Nordnorwegen, viel in der Schweiz und Kanada unterwegs, bevor er sich hier in seiner Heimat als Skiguide niederließ. Er betreibt mit seiner Frau Kristine das liebevoll renovierte, kleine Hotel Aak in Åndalsnes, in dem bereits Winston Churchills Großvater jedes Jahr Urlaub gemacht hat und welches früher Treffpunkt der norwegischen Bergszene war. Diese Tradition wollen die beiden jetzt wiederaufleben lassen und bieten ihren Gästen dafür viel Flair, modernste Ausrüstung wie Ausstattung, unkomplizierten Service gepaart mit großer Leidenschaft und Bergkompetenz.

»Wir sind hier in Norwegen, da klaut keiner was. Zumindest nicht jetzt, wenn keine Touristen da sind«, beruhigt Erik, während die Gruppe die Felle aufzieht und die teuren E-Bikes unverschlossen am Straßenrand ablegt. Die Schneedecke ist kompakt, noch sind die Temperaturen nicht zu warm. Ziel ist der 1665 Meter hohe Alnestinden, ein Skitouren-Klassiker am Trollstigen. 


Aufstieg zum Alnestinden; Foto: Valentin Rapp

Noch kein Skitouren-Boom

Von hier aus sind es rund 850 Höhenmeter hinauf. Nur vier andere Tourengeher kreuzen den Weg der Gruppe, ziemlich wenig für so einen Klassiker an diesem Traumtag. »Skitourengehen steckt hier noch in den Kinderschuhen«, erzählt Erik. »Hier gehört Langlaufen zu den traditionellen Sportarten, mit denen unsere Kinder auf Ski groß werden. Aber immer mehr merken jetzt, wie viel Spaß es machen kann, die Berge mit Ski raufzugehen und dann wieder runterzufahren.« Auch Skitouristen zieht es im Winter noch nicht allzu viele hierher, bisher sind es überwiegend noch Skandinavier. »Lyngen oder die Lofoten, die ja im Moment als Skitourenziele in Norwegen sehr populär sind, sind sehr küstenreiche Regionen. Bei schönem Wetter sicher extrem reizvoll. Aber wenn da schlechtes Wetter ist, dann ist es richtig schlecht. Hier in Romsdalen haben wir ein anderes Klima und die Region ist größer. Du hast hier die Küste, aber auch die hohen Berge weiter im Land, so hast du immer unterschiedliche Verhältnisse und kannst bei schlechtem Wetter immer irgendwohin ausweichen, wo doch was geht und guter Schnee ist. Hier sind die Berge auch sehr vielfältig, du hast sehr steile Hänge, aber findest auch flachere Tourenmöglichkeiten«, meint Erik.


Spaß im Firn: Erik lässt es krachen. Foto: Valentin Rapp

Flach ziehen sich auch am Alnestinden die ersten paar Hundertmeter hinauf, wo die Frühjahrssonne allmählich immer intensiver strahlt. Eine kurze Rast auf einem schneefreien Hügel und noch ein paar Meter weiter in Richtung der über 30 Grad steilen Nordflanke. Erik wird es zu heikel. Es ist zu warm und zu gefährlich, dass hier etwas abgeht. Ok, dann kein Gipfel, was heute angesichts des bisher Erlebten für keinen der Gruppe ein Problem ist. Der letzte Aufstiegshang wird von denen, die noch ein paar Abfahrtsmeter mehr im schönen Frühjahrsfirn wollen, mehrmals genutzt, während die anderen die grandiose Aussicht genießen, bevor sich unten alle wieder auf die E-Bikes schwingen und das Kurvenerlebnis vom Schnee auf dem Asphalt fortsetzen. Ein kurzer Stop am Trollstigen Kafé samt Museum am Ende der Passstraße, dann ein glückseliges Herunterrauschen auf dieser imposanten Straße der Trolle. Hinüber über die mächtige Natursteinbrücke, wo die Gischt des Stigfossen-Wasserfalls ins Gesicht spritzt, und zurück ins Hotel Aak, wo die meist unsichtbaren Trolle bereits Kaffee gekocht und das Lagerfeuer im Garten für den Abend gerichtet haben. Einen Abend draußen mit Blick auf die vielen Gipfel rundherum, wo noch unzählige Tourenmöglichkeiten warten. Unbedingt wiederkommen…

 


 
Petra Rapp