82 Viertausender in 62 Tagen
Ueli Steck: Nach dem Projekt 82 Summits
© Jon Griffith
Nicht nur Normalwege: Steck am Peutereygrat (Mont Blanc)
Nicht nur Normalwege: Steck am Peutereygrat (Mont Blanc)
UELI STECK: Auf der einen Seite froh, dass das Projekt geklappt hat. Auf der anderen Seite habe ich mir gedacht: ›Schade, dass es jetzt vorbei ist!‹ Das ist häufig so, wenn man eine längere Sache abschließt.
Das Projekt wurde von einem Unglück überschattet: Dem tödlichen Absturz von Martijn Seuren am Rochefort-Grat.
Es ist natürlich tragisch, dass das passiert ist – erst recht, wenn man weiß, dass Seuren kurz vor Ende seines 82-Viertausender-Projekts stand. Entgegen mancher Berichte waren wir nicht gemeinsam unterwegs, als das passiert ist. Wir hatten uns am Tag davor das erste Mal getroffen und für eine gemeinsame Tour verabredet – das wäre am Tag nach seinem Absturz gewesen.
Sie haben danach eine Woche ausgesetzt, sind auf die Beerdigung Seurens gefahren. Dann haben Sie sich entschieden, weiterzumachen. Warum?
Das eine war eine Frage des Respekts gegenüber den Angehörigen. Außerdem macht es einen nachdenklich, wenn so etwas passiert. Wenn ich die Viertausender-Serie abgebrochen hätte, wäre ich allerdings auch nicht zu Hause sitzen geblieben. Dann hätte ich was anderes in den Bergen unternommen. Wenn das so ist, kann ich aber gleich mit den Viertausendern weitermachen.
Sie haben im Vorfeld gehofft, das Projekt könne helfen, mit den Negativerlebnissen der letzten Jahre abzuschließen: dem Clash mit den Sherpas am Everest, der Annapurna-Solobegehung mit der Kontroverse um den fehlenden Gipfelbeweis, das Unglück am Shishapangma. Haben Sie den Spaß am Bergsteigen wiedergefunden?
Es ging darum, einen Weg zu finden, in die Berge zu gehen, ohne mich alpinistisch an der Grenze zu bewegen und trotzdem wieder Spaß zu haben. Den hatte ich zuletzt etwas verloren. Am schönsten war für mich, zwei Monate lang ständig in Bewegung zu sein. Und nicht in einem Basecamp herum zu hocken und auf bessere Bedingungen zu warten. Ich habe viel Kraft aus diesen zwei Monaten gezogen.
Sie haben 117.450 Höhenmeter und 1.770 Kilometer Strecke zu Fuß und per Rad in 62 Tagen bewältigt – das ist keine alpinistische Grenze mehr für Sie?
Klar: Ich war schon mal platt und hatte müde Beine. Aber am Limit war ich eigentlich nie.
Waren Sie mit deutlich jüngeren Kollegen wie Andreas Steindl unterwegs, um sich mit ihnen zu messen?
Nein. Das hat eher damit zu tun, dass es in meinem Alter nicht so viele gibt, die die Möglichkeit und den Willen haben, das zu machen, was ich mache.
Eine Ihrer besten Fähigkeiten, heißt es, sei Ihr Konzentrationsvermögen. Wie konzentriert man sich über 62 Tage?
Die Herausforderung bestand eher darin, sich auch dann optimal zu konzentrieren, wenn man sich nicht am Limit bewegt. Am Limit fällt einem das leicht. Viel schwieriger ist es, im vermeintlich leichten Gelände fokussiert zu bleiben.
Ihr schönster Viertausender?
Kann ich so nicht sagen, weil ich schlecht mit Superlativen bin. Und weil das Gesamterlebnis das eigentlich Schöne war. Klar, es gibt Tage, die herausragen und an die ich mich auch später erinnern werde: Den 18-Gipfel-Tag mit Andreas Steindl zum Beispiel. Aber eigentlich hat alles Spaß gemacht. Sogar das Radfahren.
Gab es gefährliche Momente?
Es gab Momente, die nicht optimal waren: Einmal hat ausgerechnet bei schlechter Sicht mein GPS nicht funktioniert. Aber das war alles weit entfernt von dem, was ich im Himalaya erlebt habe.
Zu jedem Gipfeltag haben Sie einen GPS-Track gepostet. Wollten Sie es Ihren Annapurna-Kritikern zeigen?
Ich habe lernen müssen, dass das verlangt wird. Also mache ich das jetzt. Was vorher war, kann ich aber auch nicht ändern.
Als Sie zwischen Dom und Täschhorn absteigen mussten: Haben Sie an Patrick Berhault gedacht, der 2004 bei einem identischen Viertausender-Projekt in den Tod stürzte?
Nicht während des Bergsteigens. Da blende ich alles, was mich ablenken könnte, aus. Aber als ich unten im Tal angekommen bin, ist mir das plötzlich in den Sinn gekommen: Ach, dort oben ist ja der Patrick Berhault ums Leben gekommen…
Miha Valič bestieg zwischen Dezember 2006 und Frühjahr 2007 alle Viertausender der Alpen. Eine reine Winterbegehung steht noch aus. Etwas für Sie?
Das geht sicher. Aber genauso sicher werde nicht ich es sein, der das angeht. Das wäre komplett was anderes, als das, was ich gemacht habe. Da geht es mehr ums Skibergsteigen.
Das Projekt "82 Summits" im Video
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 10/2015. Jetzt abonnieren!
So bleiben Sie immer auf dem neuesten Stand!
Die aktuellen Neuigkeiten von BERGSTEIGER
auch auf Facebook.
Klicken Sie auf
Nein, ich möchte kein Facebook Fan werden.
Ich bin schon Fan.
Vielen Dank.
Mehr zum Thema