Bayerische Voralpen | BERGSTEIGER Magazin
Wandern im bayerischen Inntal

Bayerische Voralpen

Man muss nicht unbedingt »katholisch geworden« sein, um sich an den bergseitigen Kleinoden des bayerischen Inntals zu erfreuen. Es lässt sich dies zu allen Jahreszeiten tun und man wird allemal mit gutem Gefühl nach Hause zurück kehren. Von Horst Höfler

 
Maria Schwarzlack aus dem Jahr 1716 oberhalb Brannenburg am Fuß des Sulzbergs © Horst Höfler
Maria Schwarzlack aus dem Jahr 1716 oberhalb Brannenburg am Fuß des Sulzbergs
Wer kennt es nicht, das bayerische Inntal mit seinen kleinen, doch formmarkanten begrenzenden Gipfeln: Heuberg, Kranzhorn im Osten, Sulzberg, Großer Riesenkopf im Westen. Das ist der erste Eindruck, wenn man von Norden, aus dem Alpenvorland, kommt. Keine großartigen, aber nette Wanderziele, meist auch für den Winter tauglich. Manche dieser zu den Chiemgauer bzw. den Bayerischen Voralpen gehörenden Gipfelchen erfahren indes eine enorme Aufwertung durch ihre kleinen Kunstschätze: Es sind die Kirchen, die man unterwegs passiert.

Mariä Heimsuchung zu Kirchwald

Am Nordhang des Heubergs, den die Rosenheimer gern »Hanswurst des Inntals« nennen, weil er sich mit seinen vier Spitzen allseits je nach Standpunkt bis fast zur Unkenntlichkeit verwandelt, verbirgt sich hinter hohen Bäumen Maria Kirchwald. Dem Bau zugrunde liegt eine Eremitage aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Der Einsiedler Casimir Weiß investierte sein väterliches Erbe in den Bau der jetzigen Kirche Mariä Heimsuchung, die 1720 fertig gestellt wurde. Ein Werk des Wolfgang Dinzenhofer aus Au bei Bad Aibling. Beim Namen Dinzenhofer horchen Kenner auf. In der Tat war jener Dinzenhofer mit dem berühmten Wolfgang Dientzenhofer, dem führenden Baumeister in Amberg, verwandt. Übrigens: Der Heuberg heißt nicht etwa wegen seiner freien Gipfelwiese so. Ein »geheuter« (geheiter) Berg ist ein verbotener Berg. Ein verwunschener Ort, den man meiden sollte. So jedenfalls deutet es der Namensforscher Karl Finsterwalder…

Maria Schwarzlack am Sulzberg

An der westlichen Innseite über Brannenburg und am Nordosthang des Sulzbergs steht das kleine Kirchlein St. Maria in Schwarzlack. Es hat seinen Namen von einem Moortümpel, den es einst an dieser Stelle gab. Im Jahr 1659 ließ sich der Einsiedler Georg Tanner nahe dieser schwarzen Lacke nieder. 1716  schuf man anstelle der immer wieder baufällig gewordenen Holzkapellen eine neue kleine Kirche mit Glockentürmchen. Graf Max IV. von Preysing-Hohenaschau finanzierte die heutige Kirche, die 1764 vollendet stand.

Petersbergkirche am Kleinen Madron

Ein Stück innaufwärts grüßt schon von weitem die hellgetünchte Petersbergkirche ins Land hinaus. Als Ziel für sich bereits lohnend, sollte man – wählt man den Großen Riesenkopf und/oder die Astenhöfe als Ziel – den kleinen Umweg zu ihr nicht scheuen. Vermutlich ist das Gotteshaus eine ehemalige Klosterkirche, Teil einer Anlage, die um das Jahr 1000 n. Chr. entstanden sein könnte. Wann genau, das wird derzeit noch erforscht. Fest steht, dass die Petersbergkirche (jetziger Bauzustand aus dem Jahr 1130) als das älteste romanische Bauwerk im Landkreis Rosenheim gelten darf.

Ansonsten…

…sollte man das Wendelstein-Kirchlein auf der Schwaigerwand nahe des Wendelsteinhauses – von Brannenburg führt ja die Zahnradbahn hinauf –  nicht vergessen. 1890 fertig gestellt, gebührt ihm der Ruhm des höchst gelegenen Gotteshauses Deutschlands, und es dient als beliebtes Ziel für Hochzeiten. Ganz oben am Wendelsteingipfel duckt sich neben Senderantenne, Sonnenobservatorium, Station des Wetteramtes München und Sternwarte die kleine St.-Wendelin-Kapelle. Angeblich wurde sie im Jahr 1718 durch den Sixbauer Georg Klarer aus Bayrischzell errichtet. Er erfüllte damit ein Gelöbnis, auf Grund dessen er seine sich zum Gipfel des Wendelsteins verirrten Pferde wieder bekam. – Wenngleich bereits auf Tiroler Boden, gehört auch die Filialkirche St. Nikolaus oberhalb von Ebbs zu den Wahrzeichen des (bayerischen) Inntals. Sie ging aus einer Kapelle der früheren, längst verschwundenen Ebbser Burg hervor. Der spätgotische Bau stammt aus dem Ende des 15. Jahrhunderts. Und weil nur einen Katzensprung entfernt, sei an dieser Stelle auch noch auf die Hauskapelle des Hinteren Kaiserhofs im Kaisertal hingewiesen. Wie bitte, nie gehört? Aber freilich: Das ist doch die berühmte Antoniuskapelle – mit dem Hintergrund der silbriggrauen Kaiser-Kalkriesen eine der berühmtesten Ostalpen-Ansichten.

Kieferer Kapellenwanderung

Zuletzt ein echtes Schmankerl: die Kieferer Kapellenwanderung. Sie verbindet auf einem 20 Kilometer langen Rundweg bei ca. 700 Höhenmetern im Auf- und Abstieg zehn Hauskapellen und Kirchen in und um Kiefersfelden. Eine tagesfüllende Unternehmung, doch kann man sich in den gastlichen Wirtshäusern am Weg immer wieder »frisch auftanken«. Landschaftliche Höhepunkte der Runde sind die Vordere Gießenbachklamm, der Kaiserblick zwischen Rechenau und Wildgrub und der Nußlberg mit der ehemaligen Einsiedelei und dem Gipfel-Kirchlein. Wenn man zurück am Ausgangspunkt südlich von Kiefersfelden bei der König-Otto-Kapelle angelangt ist, dürfte man sich des ausgefüllten Tagesprogramms durchaus bewusst sein. Aus Bergwanderers Sicht mag die Tour nicht der Rede wert sein – dieses »Kapellen-Hopping« ist das pure Gegenteil von Leistungsstreben. Ein Weg zu innerer Einkehr und Ruhe, zu Beschaulichkeit und – wenn ich dieses neue Modewort nicht so hassen würde! – Entschleunigung: »Das Rad ruhiger drehen« tät’s vielleicht auch… 
Von Horst Höfler
Kleinode am Hang - von Horst Höfler
 
Mehr zum Thema