Comici und die Erstbegehung der Nordwand der großen Zinne
Die Highlights aus 75 Jahren BERGSTEIGER

Comici und die Erstbegehung der Nordwand der großen Zinne

Wir wollen Ihnen die Highlights aus 75 Jahren »Bergsteiger« nicht vorenthalten und werden in den nächsten zwölf Heften an Höhepunkte aus der Geschichte des Bergsteigens erinnern, über die im »Bergsteiger« berichtet wurden. Schon die erste Folge ist ein Paukenschlag: die Erstbegehung der Nordwand der Großen Zinne!

 
Weltbekannt: Die Nordwände der Drei Zinnen von der Drei-Zinnen-Hütte aus. © Adobe Stock / taiga
Weltbekannt: Die Nordwände der Drei Zinnen von der Drei-Zinnen-Hütte aus.
Würde man einem Bildhauer den Auftrag geben, er solle aus seiner Phantasie das Ideal einer schwierigen Wand für Kletterer modellieren, es kämen wohl die Konturen der Großen-Zinne-Nordwand dabei heraus!
 

Große Zinne Nordwand: Außergewöhnliche Ästhetik, perfekte Kletterkunst

Von außergewöhnlicher Ästhetik, führte die wie mit dem Messer abgeschnittene Wandflucht wie kaum eine Zweite die für Alpinisten herausforderndsten Attribute mit sich: unersteigbar, unmöglich! So steht ihre Erstbegehung im Jahr 1933 für Wagemut und perfekte Kletterkunst. Untrennbar ist sie mit einem der größten Klettergenies des 20. Jahrhunderts verbunden – mit Emilio Comici!

»So viele Haken, arme Nordwand«
- Emilio Comici nach seiner Alleinbegehung der Großen-Zinne-Nordwand, 1937


Comici und Dülfer: Tänzerisches Klettern

Comici galt als Intellektueller, als Schöngeist, dessen Leben von Kultur und der Liebe zur Natur geprägt war. Sein Selbstausdruck orientierte sich an Eleganz und Ästhetik.

Deutlich waren Parallelen zu Hans Dülfer sichtbar, die sich auch in den Linien seiner Erstbegehungen und der ausgefeilten, fast tänzerischen Feinheit seiner Klettertechnik widerspiegelten. Dabei kam Emilio Comici erst ziemlich spät, im Alter von 24 Jahren, zum Bergsteigen.
 

Beamter, Höhlenforscher, Kletterer

Bis dahin beschäftigte sich der 1901 in Triest Geborene neben der Kunst und Musik mit verschiedenen Sportarten, in denen er durchaus erfolgreich war. Beruflich tätig zunächst als Beamter in den Lagerhäusern des Hafens seiner Heimatstadt, fand er Gefallen an der Höhlenforschung und entdeckte dann das Klettern für sich, das fortan zur Leidenschaft, zum Mittelpunkt seines Lebens wurde.


Rund 100 Erstbegehungen

Schnell zeigte sich sein außerordentliches Talent, und er gehörte bald zu den besten Felskletterern des gesamten Alpenbogens. In der Folge unternahm er um die vierhundert schwere und schwerste Touren sowie rund einhundert Erstbegehungen.
 

Der VI. Grad: Die Grenze des Möglichen

Spätestens, als er im Mai 1931 eine bis heute selten wiederholte Route in der gigantischen Nordwand der Civetta eröffnete, bewies er, dass er zu den fähigsten Sestogradisten zählte, die den gerade erst als äußerste Grenze akzeptierten VI. Schwierigkeitsgrad auch in ganz großen Wänden in Vollendung beherrschten.

Und dann sein Meisterstück an der Nordwand der Großen Zinne! Zusammen mit den Brüdern Dimai überwand er die enormen Schwierigkeiten an der rund 500 Meter hohen, für unmöglich gehaltenen Riesenmauer.
 

Neue Ära des Alpinismus oder Entweihung der Berge?

Lange stritt man nach dieser Tat, ob eine neue Ära des Alpinismus begonnen hätte oder die Berge um ein »Heiligtum« entweiht worden wären. Es war der neue Stil, der provozierte, weil für damalige Verhältnisse vermehrt Haken und Karabiner, bisweilen auch zur Fortbewegung, eingesetzt wurden.

Aus heutiger Sicht darf man Comici allerdings als Kompositeur großzügiger Seillängen in Freikletterei bezeichnen, der mit seiner Route an der Großen-Zinne-Nord dem Alpinismus ein einzigartiges Denkmal schuf!
 
 
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