Heinz Mariacher in der Marmolada

»Der Weg durch den Fisch«

Mit der Begehungsgeschichte dieser Route ist ein Name verbunden, der zu den wichtigsten Pionieren der modernen Freikletterbewegung zählt. Einer, der es wie sonst kaum jemand verstand, die Akzente des Sportkletterns mit der Essenz des klassischen Alpinismus zu verbinden – Heinz Mariacher! Von Uli Auffermann

 
Heinz Mariacher; Foto: Heinz Mariarcher © Heinz Mariacher
Heinz Mariacher
Die Marmolada Südwand sollte zu »seiner« Wand werden. Hier hat Heinz Mariacher mit vielen Erstbegehungen, Wiederholungen und Alleinbegehungen seine Art zu klettern und sein Können in eindrucksvoller Weise dokumentiert. Auch dem kompakteren Teil der gut 800 Meter hohen Wandflucht galt längst sein Augenmerk – er hatte schon einige Versuche in den »Silberplatten« unternommen –, als ihm 1981 die Tschechoslowaken Indrich Sustr und Igor Koller zuvor kamen. Die 37 Seillängen messende Route tauften sie »Weg durch den Fisch« wegen der großen Höhle in Wandmitte in Form eines Fisches.

Zunächst fand die Führe relativ wenig Beachtung, aber nach und nach wurde deutlich, dass hier die wohl schwierigste Neutour der Dolomiten entstanden war, ja vielleicht eine der bedeutendsten alpinen Klettereien der Alpen. Denn es war der Stil, mit dem die Tschechoslowaken zu Werke gingen, der zum ganz wichtigen Markstein wurde. Bei der ersten Wiederholung des »Fisches« im Jahr 1984  sah Heinz Mariacher, dass seine Vision, eine Route derartiger Länge und Schwierigkeit ohne Bohrhaken zu meistern, erfüllt war, wenn auch Schlüsselpassagen »technisch« überwunden worden waren. Und bald schon fesselte ihn ein Gedanke, der vielen zunächst unmöglich erschien: den »Weg durch den Fisch« frei zu klettern und auch dabei auf Bohrhaken zur Absicherung zu verzichten. Ein gewagtes Unterfangen, so enorme Schwierigkeiten hoch über äußerst fragwürdigen Sicherungspunkten zu überwinden – es gelang! Mit der sensationellen ersten Rotpunktbegehung machten 1987 Heinz Mariacher und Bruno Pederiva aus dem »Fisch« ein grätenfreies Filetstück!

Es sollte noch weitergehen. Die Avantgarde der Sportklettergeneration hatte inzwischen ein Selbstbewertungssystem entwickelt, das als Differenzierung der Herausforderungen die On-sight-Begehung und das Free-Solo vorsah. Im August 1992 kamen die Südtiroler Roland Mittersteiner und Hanspeter Eisendle zur Wand, durchstiegen sie ohne viel Aufhebens auf Anhieb frei. Wenn auch mehr als »on sight« wohl kaum geht, winkt der bekannte Bergführer Hanspeter Eisendle dazu bescheiden ab: »Die ›Szene‹ sagt, als ›on sight‹ gilt nur, wenn einer der Seilschaft alle Seillängen im Vorstieg gemeistert hat, und dem möchte ich nicht widersprechen. Es ging uns nicht darum, auf irgendeiner Rangliste zu erscheinen, sondern einen Tag lang eine spannende Tour zu klettern, wie immer im Überschlag…Was dabei (fast zufällig) herauskam, war eine Zehn-Stunden-Begehung des ›Fisches‹, ohne technische Fortbewegungsmittel zu benutzen und ohne zu stürzen, im Vorstieg wie im Nachstieg. Das ist alles.«

Bis in die jüngste Zeit ist der »Weg durch den Fisch« Schauplatz allerhöchster Kletterkunst. Als 2007 der 23-jährige Tiroler Hansjörg Auer in knapp drei Stunden ohne Seil durch die Führe eilte, trug er sich mit diesem womöglich längsten und schwierigsten Free-Solo aller Zeiten unauslöschlich in das alpine Geschichtsbuch ein! Alle maßgeblichen Begehungen am »Fisch« untermauern auf eindrucksvolle Weise, was Heinz Mariacher schon früh so nachhaltig angemahnt hatte: Trotz aller Sportkletter-Euphorie dürften die Werte des Abenteuerkletterns in alpinen Wänden nicht der Zäsur des Bohrhakens geopfert werden! 
 
Uli Auffermann
 
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