Wandern im Winter - Sonnenland Teneriffa | BERGSTEIGER Magazin
Wandern auf der Sonnenseite

Wandern im Winter - Sonnenland Teneriffa

Im Sommer zu heiß, aber im Winter und Frühling einfach genial: Die größte Kanareninsel ist für Bergsteiger und Wanderer ein Urlaubsziel mit Sonnengarantie – und dem höchsten Gipfel Spaniens inklusive. Von Juliane Heßbrügge (Text und Bilder)

 
Der Farbkasten der Insel, der Teide-Nationalpark: der enorme Kraterkessel des Teide-Nationalparks, in einer Höhenlage von etwa 2000 Metern, wirkt wie ein gigantisches Amphitheater © Juliane Heßbrügge
Der Farbkasten der Insel, der Teide-Nationalpark: der enorme Kraterkessel des Teide-Nationalparks, in einer Höhenlage von etwa 2000 Metern, wirkt wie ein gigantisches Amphitheater
Endlose Sandstrände, warme Temperaturen auch im Winter – das ist das Bild, das man gemeinhin von Teneriffa hat. Dass die Insel in der bei uns kalten Jahreszeit für Bergwanderer ein wahres Paradies darstellt, ist viel zu wenig bekannt. Enorme Gebirgszüge teilen das kleine Eiland in verschiedene Miniklimazonen. Subtropische Lorbeerwälder, hoch­alpines Terrain, wo es im Winter sogar schneit, und Wüstenregionen – auf Teneriffa ballen sich die Vegetations- und Klimaschichten.

Das üppig grüne Anagagebirge im Osten, der Teide-Nationalpark in der Inselmitte oder das einsame und hügelige Hinterland im Süden sind lohnende Wanderziele. Atlantik und Sandstrände laden außerdem zum Baden und Entspannen ein.

Auch eine Vielzahl kulinarischer Köstlichkeiten gibt es auf der Insel zu entdecken, sei es in einer einfachen Tapas-Bar oder auf einem Wochenmarkt. Landestypische Erzeugnisse wie geräucherter Ziegenkäse, Wein, Honig oder die herzhaften Mojo-Soßen sollte man seinem Gaumen nicht vorenthalten. Die Gemeinde Granadilla ist ein Spiegelbild des landschaftlichen Facettenreichtums Teneriffas.

Sie erstreckt sich von der Küste – mit dem in El Médano gelegenen, längsten und schönsten Naturstrand der Insel – bis hoch in die Berge auf eine Höhe von 2400 Metern. Buchstäblich vor der Haustür befindet sich das Wanderrevier »Las Medianías del Sur«. Und von Granadilla erreicht man mit dem Auto auch die anderen Wandergebiete sehr gut.

Das einsame Hinterland auf Teneriffa

Die Berglandschaft von Granadilla ist ein abwechslungsreiches Wandergebiet. Beeindruckende Fernsichten – bei guten Bedingungen sieht man sogar Gran Canaria –, eine faszinierende Vegetation und alte Verbindungspfade mit Spuren früherer Besiedelung gilt es zu entdecken. Die »Guanchen«, die Ureinwohner Teneriffas, bevölkerten einst die Gegend, die damals zum Königreich Abona gehörte. Das Hirtenvolk führte seine Viehherden über ein dichtes Wegenetz, das heute zu Wanderwegen ausgebaut ist.

Ausgangspunkt für zahlreiche Touren ist ein kleines Bergdorf mit »großem« Namen: »Las Vegas« – ein Kleinod im Hinterland und einer der idyllischsten Inselorte. Von dort führen Wanderwege entlang alter »fincas«, auf denen die Zeit stehen geblieben ist: gepflasterte Dreschplätze, alte Öfen, Zisternen, in Stein gehauene Wasserleitungen und Höhlen, die als Erntelager dienten, versetzen den Besucher in die Vergangenheit zurück.

Die Landschaft ist geprägt von Sukkulenten, vor allem Wolfsmilchgewächse sind hier heimisch. Die an Trockenheit angepasste Vegetation beginnt im Herbst ihr Blattwerk auszutreiben und erreicht im Frühling ihren blütenreichen Höhepunkt. Naturliebhaber kommen in dieser Jahreszeit besonders auf ihre Kosten. Denn der früher auf Plantagen angebaute Feigenkaktus steht dann in voller Blüte.

Durch kleine, teils feuchte Schluchten führen die Wege auf einer Höhe von etwa 900 Metern durch ein riesiges Waldgebiet mit kanarischen Kiefern. Diese imposanten Bäume sind wichtige Wasserproduzenten, indem sie mit ihren Nadeln die durchziehenden Nebelschwaden optimal »auskämmen« und kostbares Wasser in den Boden leiten. In den kleinen Bergdörfern am Wegrand verlocken typisch kanarische Bars zur Einkehr, um sich mit würzigem Ziegenkäse, herzhaftem Schinken und frischem Brot zu stärken.

Gigantische spanische Bergwelt

Das kontrastreiche Teno-Gebirge im Westen gehört zu den ältesten Teilen der Insel. Das alte Gebirge präsentiert sich schroff, wild und mächtig in seiner Formation, aber auch sanft und weitläufig in höheren Bereichen. Die zum Westen an den Atlantik auslaufenden Schluchten zerschneiden ein gigantisches Bergmassiv, dessen Felswände bis zu 500 Meter senkrecht aufragen. Eine Schluchtenwanderung ist ein beeindruckendes Erlebnis, doch es lohnt auch das obere Teno-Gebirge zu erkunden.

Alte Terrassenfelder auf denen früher Getreide angebaut wurde, strahlen im Frühjahr durch farbenprächtige, wild wachsende Blumen und aus der Ferne ertönt das Gebimmel von Ziegenglocken – ein Wandergenuss für Augen und Ohren. Im Norden hat sich über viele Millionen Jahre ein riesiger, dichter Lorbeerwald gebildet, der vielfältige subtropische Pflanzenarten beherbergt. Heute noch können Wanderer alte Pfade begehen, die Bauern früher für den Tauschhandel eingerichtet hatten.

Naturpark Anaga - Wild und ursprünglich

Der Naturpark Anaga verzaubert durch eindrucksvolle und kontrastreiche Landschaften. Vor Jahrmillionen hat sich dieser Teil der Insel aus dem Atlantik erhoben. Senkrecht in die Luft ragende Felsnadeln sind Zeugnis für den vulkanischen Ursprung der Insel. Erosionskräfte und andere Naturgewalten haben tiefe und breite Schluchten geschaffen.

Im oberen Bereich durchzieht ein dichter Lorbeerwaldteppich die schroffen Gebirgszüge. Viele subtropische Pflanzenarten, die zu Eiszeiten einen Überlebensraum fanden, sind hier heimisch.

Doch der dichte Wald wird auch von bewirtschaftetem Kulturland unterbrochen, wo eine dicke Humusschicht und feuchtes Klima den Anbau von Kartoffeln und anderen Gemüsearten begünstigen, die die Bauern zwei- bis dreimal jährlich ernten. Das fabelhafte Panorama wird untermalt von einer duftenden Pflanzenwelt, deren Produkte man in den bunten Dörfern kaufen kann.

Der Garten des Teide

Das Orotaval-Tal ist die »Wohlfühl­oase« der Passatwolken und entsprechend ausgeprägt und vielseitig präsentiert sich seine Vegetation. Im oberen Bereich des Tals befindet sich der Naturpark »Corona Forestal«, der aus dichtem Kiefernwald besteht. Manchmal herrscht dort eine richtig mystische Stimmung: Die Bäume scheinen nicht nur alt, sondern auch weise zu sein; meterlange »Bärte« (Flechten) hängen von den Ästen herab und der Nebel schleicht lautlos durch den Wald.

Alte bequeme Pfade durchziehen diese Märchenlandschaft – sie dienten einst als Transportwege. Und wenn sich plötzlich der Schleier aus Wolken lichtet, beschert der azurblaue Himmel Bilderbuchaussichten ins Tal oder gar hinauf zum Pico del Teide.

Auf das Dach Spaniens

Mit einem Durchmesser von mehr als 17 Kilometern wirkt der Kraterkessel des Teide-Nationalparks wie ein gigantisches Amphitheater. Gekrönt wird diese auf 2000 Metern Höhe gelegene, beeindruckende Kulisse vom 3718 Meter hohen Pico del Teide, dem höchsten Berg Spaniens und Wahrzeichen Teneriffas.

Die Besteigung des Teide gehört zu den eindrucksvollsten Wandererlebnissen auf Teneriffa: Auf dem Gipfel bietet sich ein spektakuläres Inselpanorama, denn die gesamten Kanaren liegen dem Betrachter zu Füßen. Ein besonderes Naturschauspiel können Frühaufsteher erleben. Wir beginnen unseren Aufstieg deshalb bereits am Nachmittag.

Gestartet wird auf 2300 Metern Höhe am Montaña Blanca, einem hellen Berg aus Bimsgestein, der sich neben dem Teide auftürmt. In großen Kehren führt der breite Weg zunächst sanft an den Sockel des Teide-Massivs. Dort beginnt der  steilere Anstieg auf einem schmalen Serpentinenpfad. Mit zunehmender Höhe eröffnet sich ein herrliches Panorama auf die Hochebene des Nationalparks. Die stehen gebliebenen Flanken des Einsturzkraters erheben sich schroff bis auf eine Höhe von 2715 Metern (Montaña de Guajara).

Nach drei Stunden Gehzeit erreichen wir das »Refugio Alta Vista« (3260 m). Bevor wir es uns mit mitgebrachtem Essen in der Hütte gemütlich machen, genießen wir noch den sagenhaft schönen Panoramablick über Teneriffa im warmen Sonnenuntergangslicht.

Am nächsten Morgen klingelt der Wecker bereits um fünf Uhr. Knapp 450 Höhenmeter müssen wir noch bis zum Gipfel im Schein der Taschenlampen bewältigen. Der Weg ist holprig, die Luft dünn, wir kommen nur langsam voran. Das letzte Stück führt steil über die Südflanke des »Zuckerhutes«, wie die Einheimischen die Spitze des Teide nennen. Im Osten erscheint langsam Sonnenlicht in warmen Farben.

Pünktlich geht der glühende Ball am Horizont auf – ein Spektakel, das mit Worten kaum zu beschreiben ist: Plötzlich steht uns der riesige, pyramidenförmige Schatten des Teide über der in Pastelltönen eingehüllten Nachbarinsel La Gomera gegenüber. Berauscht von diesem Erlebnis aber auch vom beißenden Schwefelgeruch des Vulkans, begeben wir uns auf den kurzen Abstieg bis zur Seilbahn.
 
Juliane Heßbrügge
 
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