Wandern im Frühling | BERGSTEIGER Magazin
Die schönsten Frühlingstouren

Wandern im Frühling

Sie sind längst vorbei – die Tage, an denen man morgens im Dunklen aus dem Haus ging und zum Fünf-Uhr-Tee Kerzen anzündete: Es ist wieder Frühling! Abends bleibt es länger hell, das erste Grün sprießt und der Kalender zeigt jene verlängerten Wochenenden an, die für viele Wanderer den Frühling zur schönsten Jahreszeit machen. Andrea (Text) & Andreas Strauß (Fotos)

 
Blumenwiesen, blauer Himmel – am Hirschberghaus ist alles bereit für unseren Frühlingsbesuch © Andreas Strauß
Blumenwiesen, blauer Himmel – am Hirschberghaus ist alles bereit für unseren Frühlingsbesuch

Warm, wärmer, Lugano

An der südlichsten Ecke der Schweiz hat es der Frühling meist besonders eilig! Wenn anderswo noch Übergangskühle herrscht, kann der Wanderer am Luganer See schon hoch hinaufsteigen. Bergsteiger und Mountainbiker finden am »Lago Ceresio« (= der Gehörnte, wegen seiner extrem verzweigten Form) ein Top-Ziel für den Frühling. Vom Ufer des verästelten Sees ziehen die Wanderwege bis zu 1500 Höhenmeter hinauf zu Aussichtsgipfeln ersten Ranges. Da ist der »Zuckerhut« San Salvatore mit seiner Standseilbahn und dem Blick hinab auf die mondäne Stadt und mit seinem Höhenweg nach Morcote. Da ragt der Monte Bre im Norden auf, mit seinem wilden Hinterland und zahlreichen Tourenmöglichkeiten. Da warten im Süden die Berge des Mendrisiotto auf Besuch – allen voran der Monte San Giorgio und der Monte-Generoso-Stock. Allerdings – für nur drei Tage ist der Weg vom Nordsaum der Alpen bis ins südliche Tessin recht weit, aber könnte man nicht ein paar Tage anhängen? Zu Ostern etwa? Am 24. April – in diesem Jahr der Ostersonntag – lagen die Temperaturen in Lugano in den letzten zehn Jahren achtmal über 20° und einmal sogar bei 28°…

Gipfel und Palmen – am Lago Maggiore

»Lago Maggiore« – das klingt nach Sonne, Palmen, nach Urlaub schlechthin. In der Tat – die niedrige Seehöhe und die Lage am Südrand der Alpen lassen Palmen und Zitrusfrüchte gedeihen, sogar Bananenstauden und Bambus wachsen hier. Im Frühling ist die optimale Zeit, um die Wanderungen in Seenähe zu genießen. Es gibt fast keinen Gipfel und keinen Höhenweg, von dem aus man den See nicht bewundern könnte. Über 60 Kilometer zieht sich der »Langensee«, wandern kann man fast überall rundherum, und der Nordteil ist besonders attraktiv. Schließen wir die nahen Gebirgstäler in unseren Aktionsradius mit ein, dann reichen die Tourenziele vielleicht für ein ganzes Bergsteiger-Leben. Das Centovalli, die Täler von Onsernone, Maggia und Verzasca bieten auch früh in der Saison schon Wanderungen zu malerischen Dörfern, zu Almsiedlungen und versteckten Gebirgsseen. Keinesfalls sollte man bei der Fahrt ins Tessin Seil und Klettergurt vergessen: Die Sportklettergebiete im Maggiatal gehören zu den absoluten Leckerbissen für Plaisirkletterer – vor allem im Frühjahr!

Brixen – auf dem Sprung in die Dolomiten

Brixen hat Flair, keine Frage. Der Bischofssitz gilt als älteste Stadt Tirols, sie feiert heuer ihren 1110. Geburtstag. Für Bergsteiger ist sie ein prima Ausgangspunkt. Nach Westen kann man praktisch vom Domplatz in die Sarntaler Alpen losgehen. In Tagestouren eröffnet sich ein weiträumiges Wanderareal mit Almweiden, gemütlichen Hütten, einigen Scharten und Gipfeln. Radlseehütte, Hordrawiesen und Latzfonser Kreuz sind Ziele, die man immer wieder ansteuern kann. Das Besondere dabei: der Dolomitenblick pur. Auf der anderen Seite – im Osten der Stadt – stehen die Felszacken der Geislergruppe. Aferer Geisler und Peitlerkofel ragen da in den Himmel und auf der Südseite des Villnösstals erreicht der Sass Rigais sogar die Dreitausendmetermarke. Welch Kulisse für Wanderer, welch Möglichkeiten für Klettersteiggeher und für Kletterer!
Auch wenn die höchsten Ziele im Frühling noch nicht möglich sind, wird dem Urlauber in Brixen und Umgebung nie langweilig. Für ein verlängertes Wochenende ist die Stadt genau die richtige Wahl.

Ein Frühlingsmärchen – in Füssen und Umgebung

Die Boote auf dem Forggensee haben erst vor kurzem ihre Wintermützen ausgezogen, kalter Nebel zieht über die Felder. Auf den Nordseiten von Tegelberg und Säuling, von Großer Schlicke und Brentenjoch liegt der letzte Schnee. In ein paar Stunden aber hat die Frühlingssonne den Nebel verscheucht. Die Bienen werden durch die Löwenzahnwiesen summen. Jetzt ein paar Tage Zeit nehmen und durch dieses Märchenland stromern!
Füssen und Umgebung ist einer meiner Favoriten für den Saisonstart. Alles gibt es hier: ein Dutzend großer und kleiner Seen; Wanderwege und gemütliche Bikestrecken am Fuß der Berge bis zum Abwinken; Löwenzahnwiesen, bis man nur noch gelb sieht; die Königsschlösser Neuschwanstein und Hohenschwangau als Kulisse; die schöne Altstadt von Füssen für einen Nachher-Cappuccino.
Und vor dem Cappuccino: 1001 Wandergipfel in den Tannheimer Bergen und vor allem in den Ammergauer Alpen. 1001 Mountainbikerunden rund um Tegelberg, Klammspitze und Co. Da reichen selbst alle verlängerten Wochenenden nicht, um davon genug zu bekommen.

Vor den Toren Münchens – aktiv am Tegernsee

Eine kleine Brotzeit auf der Aueralm geht sich nach dem Fockensteingipfel noch aus. Spät am Nachmittag bekommen wir gleich einen Platz, die meisten Gäste haben sich schon auf den Weg hinunter nach Bad Wiessee gemacht.
Sitzen bleiben können, wenn die anderen nach Hause müssen und Auto an Auto Richtung München kriechen – ist so ein verlängertes Wochenende nicht etwas Phantastisches? Man muss gar nicht in den Süden fahren, das Glück kann vor der Haustüre liegen. Wir müssen es nur erkennen und fest zupacken.
Fest zupacken heißt es auch für die Mountainbiker auf dem Weg ins Tal. Einige haben den Hirschberg umrundet, ein paar kommen aus dem Isarwinkel herüber, viele sind direkt vom Tegernsee herauf gefahren, – und das sind nur drei der schönen Strecken am Tegernsee.
Heute einen Wandergipfel ansteuern, morgen eine Radlrunde fahren und übermorgen vielleicht klettern am Plankenstein. Wir freuen uns darauf, nach dem Winter wieder echten Fels unter den Sohlen zu spüren und den Saisonauftakt zu feiern. Am Sonntag dann noch ein kleiner Gipfel als Zugabe? Den Hirschberg oder doch den Ross- und Buchstein, wo’s durch wunderbaren, hellgrünen Laubwald hinauf geht?

Saisonstart zwischen Chiemgau und Kaiser: am Walchsee

Am Rand der Berge und doch mitten drin sein, das ist ein gutes Rezept für den Beginn der Wandersaison. Am Walchsee finden wir beides: wunderbare, Sonnen geflutete Südseiten und den Blick auf düstere Nordkare und Felswände. So früh im Jahr sind die Sonnenhänge der Chiemgauer Berge die erste Wahl zum Wandern. Die Krokusse blühen, das frische Gras leuchtet wie sonst nie, ein paar Firnflecken reichen für eine letzte Schneeballschlacht, aber nicht für mehr. Am Wandberg, am Brennkopf oder an der Rudersburg werden wir fündig. Wir blicken zum Kaiser hinüber, in dessen Schneerinnen noch letzte Tourengeher unterwegs sind. Ob am Walchsee das Strandbad schon offen hat? Ob das grüne, aufblasbare Krokodil schon die Zähne zeigt? Eher nicht, aber lange kann es nicht mehr dauern.
Dann geht es los auf die Kaiserseite des Walchseebeckens. Wir fangen mit einer Almrunde zur Lippenalm und zur Raineralm an und dann… Gut, dass es im Frühling gleich ein paar verlängerte Wochenenden gibt!

Bad Reichenhall – Frühling in der alten Salzstadt

Ein paar Tage in der Natur genießen, ohne lange fahren zu müssen? Die alte Salzstadt Bad Reichenhall fällt mir da spontan ein. Zwischen den Chiemgauer Bergen auf der einen Seite gelegen und den Berchtesgadener Alpen auf der anderen, können wir uns von beiden Gebieten die Schmankerl herauspicken, die früh im Jahr möglich sind. Zu Fuß oder mit dem Bike zu einer Alm hinauf geht eigentlich immer und rund um Bad Reichenhall sind die Optionen riesig. Auch an südseitigen Wanderungen stehen ein paar zur Auswahl; der Hochstaufen wird im Laufe des verlängerten Wochenendes jedenfalls dabei sein: eine warme Südseite und oben der Blick sowohl auf Bad Reichenhall wie auch auf das Salzburger Becken. Vom frischen Grün in der Weißbachschlucht träume ich ebenfalls.
Zumindest einen Tag des Wochenendes reserviere ich für eine Berchtesgadener Tour. Die höheren Ziele müssen wegen der Schneereste noch warten, aber das nach Süden ausgerichtete Naturdenkmal Steinerne Agnes sollte bereits möglich sein. Was könnte schöner sein, als den Steig zu dem bizarren Felsgebilde hinauf wandern, den ersten Schmetterlingen zuschauen, die Schneerosen bewundern und gleichzeitig Hohen Göll und Watzmann noch im Winterkleid zu sehen?

Andrea Strauß
 
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