Trekkinggipfel: Die italienischen Vulkane

Vorsicht Suchtgefahr! Davor warnt unser Autor ganz eindringlich all diejenigen, die einmal einen Vulkan besteigen wollen. Und er muss es wissen, ist er doch einer der besten Kenner der italienischen Vulkane. Folgen Sie uns auf eine Reise zu Feuer, Wasser, Wind und Wolken…
Von Rollo Steffens (Text und Fotos)

 
Die Bucht von Neapel und der Vesuv vom Monte Faito aus gesehen © Rollo Steffens
Die Bucht von Neapel und der Vesuv vom Monte Faito aus gesehen
Sie träumen davon, auf einen Vulkan zu wandern und dabei vielleicht zu sehen, zu hören, zu fühlen, wie ein solcher Berg »explodiert«? Sie wollen erleben, wie der Boden unter den Füßen bebt? Wie glühende Teile unserer Erde in weiten Bögen in einen tiefschwarzen Nachthimmel hinauf katapultiert werden, bis sie der Schwerkraft unterliegen und von Pfeiftönen begleitet zurückkehren, um in Kraternähe auszuglühen und zu verlöschen? Sie möchten heißen Schwefel riechen?
Ich warne Sie eindringlichst! Spätestens auf dem fast ständig Feuer speienden Berg Stromboli oder an einem der glühenden Lavaflüsse des Ätna auf Sizilien werden Sie diesem Schauspiel der Natur verfallen sein – wie der Trinker der Flasche oder der Spieler dem »Rien ne va plus«, und das vielleicht für immer! Ich war rund einhundert Mal auf dem Gipfel des Stromboli, gelegentlich in der Caldera des Vesuvs und oft in der heißen Zone des Ätna auf Sizilien – und ich bin jedes Mal neu fasziniert und weit davon entfernt, die Geheimnisse dieser Berge zu kennen und das »Mysterium Vulkan« gar zu verstehen.

Startpunkt Bella Napoli

Wer eine Vulkanreise im Süden Europas effektiv gestalten möchte und geordnetes Chaos nicht fürchtet, beginnt in Neapel. Allein die Millionenstadt am Golf ist mehr als nur einen Besuch wert. Über ihr thronen die Berge Vesuv und Monte Somma. Der vulkanische Komplex entstand in seiner heutigen Form vor rund 2000 Jahren. Beide Berge bilden seit 1995 den Parco Nazionale del Vesuvio. Wer Wildnis und Stille erleben möchte, besucht die freundlichen Mitarbeiter der Nationalparkverwaltung in San Sebastiano al Vesuvio, erhält dort Wanderkarten und eine Fülle von Informationen und steigt dann nach etwas Vorbereitung aus Richtung Norden kommend auf gut markierten Wegen und durch dichte Kastanienwälder auf die Monte-Somma-Gipfel Cognoli di Ottaviano (1112 m), auf die Punta Nasone (1132 m) oder in das beeindruckende Valle del Gigante; Blicke auf den letzten großen Lavastrom von 1944 sind garantiert. Wer es bequemer möchte, fährt von der Stadt Ercolano oder von der Ausgrabungsstätte Pompeji organisiert bis in etwa 1000 Meter, kauft sich nach 20 Minuten Spaziergang an der Biglietteria des Vesuvs ein Ticket und kann Augenblicke später mit Golf und Neapel zu Füßen in einen riesigen Krater spucken (was man aus Respekt vor dem Berg jedoch bleiben lassen sollte). 

Stromboli und Liparische Inseln

Der Sprung vom Festland zur ersten vulkanischen Insel dauert nach dem 1. Juni jedes Jahres mit dem Schnellboot (»Aliscafo«) nur wenige Stunden; wer dagegen außerhalb der Hauptsaison reist, benötigt mit dem Fährschiff eine Nacht. Wie auch immer man Vulkan und Insel Stromboli erreicht – dort ist noch niemand enttäuscht worden. Wer sich bei einer geführten Exkursion gute drei Stunden durch Staub, Brockenlava und feinen vulkanischen Sand bis auf den Pizzo sopra la Fossa (924 m) empor gearbeitet hat, kann einen Teil der Schöpfungsstunde miterleben. Ist der Stromboli gut aufgelegt, so sendet er bis zu 150 Meter hohe Feuersäulen in den Himmel. Bergführer Nino Zerilli, in Stromboli geboren und aufgewachsen, nennt das auch nach vielen Jahren und nicht mehr zählbaren Besteigungen, allein und mit Gästen, noch immer »la grande Avventura« (Das große Abenteuer). Vorzugsweise besucht er mit seinen Gruppen den Gipfel über den Krateröffnungen bei einbrechender Dunkelheit. Die glühenden Lavateile zeichnen sich dann gegen einen nächtlichen Himmel besonders gut ab. Tagsüber erlebt man die Eruptionen eher als dunklen Sand und graue Schlacken.

Zum höchsten aktiven Vulkan in Europa

Zwischenstation auf dem Weg zum höchsten aktiven Vulkan in Europa ist die kleine Insel Vulcano. Rund 60 Kilometer vor der Küste Siziliens gelegen, spucken die Krater dieser Insel keine Aschen mehr. Dennoch – das vulkanische Spektakel dieses Vulkans ist nicht nur weithin sichtbar, es ist auch zu riechen. Seit über 100 Jahren liefert der Gran Cratere dem Touristen Dampf und Schwefel kostenfrei. Der Aufstieg auf den 391 Meter hohen Kraterrand ist schnell gemacht und die Aussicht an klaren Tagen grandios. Wer es gut erwischt, blickt auf sechs weitere vulkanische Inseln – und bis zum Ätna. Das bis in den Mai auf seiner Nordseite schneebedeckte Massiv nennen die Sizilianer beinahe liebevoll »Mongibello«, von Monte und Djebel (arabisch »Berg«), was »Berg der Berge« bedeutet.

Der Ätna ist jedoch kein Berg, sondern ein ganzes vulkanisches Gebirge mit einem Durchmesser von gut 40 Kilometern an seiner Basis. Dort gibt es Gipfel, Täler, Straßen, Ortschaften, Anbaugebiete und Sommer wie Winter eine gut funktionierende Infrastruktur für den Bergtouristen. Auf der Südseite erreicht man für gewöhnlich in kürzester Zeit mit Hilfe einer Seilbahn und einem Jeep-Transfer die Höhe von 2900 Meter und befindet sich bereits im Bereich aktiver Krater. Ob man den Hauptkrater des Berges erreichen kann, hängt von dessen Laune ab. Nach einer großen Explosion im August 2010 ist sein höchster Punkt zur Zeit gesperrt. Und auch wenn eine Besteigung möglich ist: Für den Gipfel des Ätna gibt es keine Garantie. Ich selbst habe den Gipfelbereich des Berges in den Jahren 1993 bis 2010 ganz sicher 30 Mal besucht, aber nur wenige Male gelang uns dort ein Aufstieg bis zu seinem höchsten Punkt. Bei allen anderen Versuchen – meist in den Jahreszeiten Frühjahr oder Herbst – waren es stets die Faktoren Wind, Wetter oder vulkanische Aktivität, die unseren Aufstieg bis in die höchsten Höhen stoppten.

Eine schöne und etwas ruhigere Alternative als der Besuch von Süden bietet während der schneefreien Zeit die Nordseite des Berges. Eine gut ausgebaute Bergstraße führt von Linguaglossa an der Nordostseite des Massivs auf das »Piano Provenzana«. Von hier sind – unter Berücksichtigung aktueller Verordnungen – Bergtouren auch bis in den Gipfelbereich möglich. Auf welchem Weg auch immer man den Ätna oder einen der anderen aktiven Vulkane Italiens erreicht – die Gefahr, den grandiosen Naturschauspielen für immer zu verfallen, ist gewaltig groß…
Die Vulkane Italiens
 
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