Wandern auf La Gomera: die Insellösung | BERGSTEIGER Magazin
Vulkanlandschaften auf La Gomera

Wandern auf La Gomera: die Insellösung

Wer der winterlichen Kälte entfliehen will, muss gar nicht einmal so weit reisen. Ein paar Flugstunden entfernt warten Ziele mit angenehmen Temperaturen und Sonnenschein während des ganzen Jahres – wie die faszinierend vielfältige Kanareninsel La Gomera.
 
Das Bergdorf Las Hayas liegt von einem Palmenhain gesäumt am Rande des Nationalparks Garajonay. © TVB La Gomera
Das Bergdorf Las Hayas liegt von einem Palmenhain gesäumt am Rande des Nationalparks Garajonay.
Schwarzer, warmer Sand am fast menschenleeren Strand von Valle Gran Rey, Sonnenuntergang und rauschende Meeresbrandung! Was für ein Empfang auf einer Insel, die eine üppige Natur und vor allem ganz viel Ruhe fernab der großen touristischen Nachbarn Teneriffa und Gran Canaria verspricht.

Einsam zeigt sich auch der Weg von Las Hayas nach Igualero. Er ist Teil des GR 131 Camino Natural Cumbres de La Gomera, der auf knapp 40 Kilometern quer über die Insel von Vallehermoso bis zur Hauptstadt San Sebastián führt und zum europäischen Weitwanderweg E7 gehört. Wer lieber in Küstennähe bleibt, kann die 12 Millionen Jahre alte Vulkaninsel, die mit 378 Quadratkilometern eine überschaubare Größe hat, auch auf dem GR 132 umrunden. Dank der vielen Schluchten hat dieser Weg aber sehr viel mehr Höhenmeter.


Vielfältige Flora und Fauna: Eine Rieseneidechse tut sich an der heimischen Blütenpracht gütlich.

Basiswissen: Wanderparadies La Gomera

  • Wie hinkommen? Per Flugzeug nach Teneriffa; von dort weiter per Inlandsflug nach La Gomera oder mit der Fähre von Teneriffa Süd/Los Christianos nach La Gomera/San Sebastian. Auf der Insel ist der einfachste und billigste Weg des Transfers mit »Autobuses Mesa«: www.autobusesmesa.es
  • Wo anklopfen? Tourismusbüros in San Sebastián, in Valle Gran Rey und in Playa de Santiago. Adressen und Infos unter www.hallokanarischeinseln.com. Unter www.lagomera.travel gibt es viele Touren mit Profilen und gpx-Daten zum Download.
  • Welche Wanderziele? La Gomera bietet ein gut beschildertes Wander-Wegenetz von mehr als 600 Kilometern Länge. Darunter durchziehen zwei weiß-rot markierte Weitwanderwege die Insel: der GR 131 und der GR 132. Der »Camino Natural Cumbres de La Gomera« (GR 131) von San Sebastián nach Vallehermoso überquert La Gomera über den Hauptkamm (2-3 Tage, 39 km). Der GR 132 umrundet La Gomera in Küstennähe (5-8 Tage, 114 km).
  • Mehr erfahren: Klaus Wolfsperger, Annette Miehle- Wolfsperger »La Gomera – Die schönsten Küsten- und Bergwanderungen«, Rother 2014
  • Lage: La Gomera ist nach El Hierro die zweitkleinste der sieben Hauptinseln des Kanarischen Archipels und liegt westlich im Windschatten seiner großen Schwester Teneriffa. Höchster Punkt der Vulkaninsel ist der Garajonay (1487 m) im von der UNESCO zum Weltbiosphärenreservat erklärten Parque National de Garajonay.
  • Klima: Im Winter liegen die Durchschnittstemperaturen bei milden 18°C, im Frühling zwischen 18°C und 22°C, im Sommer zwischen 23°C und 30°C. Am meisten regnet es im Winter. In den südlichen und westlichen Küstenorten ist es wärmer und sonniger, während es aufgrund der Passatwinde und atlantischen Tiefausläufer im Norden häufiger Niederschläge und Wolken gibt.
  • Wo buchen? Wanderreisen gibt es unter www.dav-summit-club.de

Süße Medizin

Die Strecke hinüber nach El Cercado und dann weiter zum Bergdorf Chipude alten Iglesia Virgen de la Candelaria weiter in Richtung Pavón und zur Fortaleza. Gesäumt von Wildkräutern, Kakteen und Agaven geht es auf Schotter immer wieder vorbei an Palmenoasen, aus deren Palmherzen der »Guarapo« gewonnen wird, ein süßer Saft, der zu Palmhonig verarbeitet wird. Der dunkle, zähflüssige Honig gilt als der König der Küche La Gomeras und wird für Desserts und viele ist ideal zum Eingehen.

Erstes optisches Eintauchen in die überwältigende Landschaft im Südwesten der Insel mit ihren Schluchten, Hochebenen und dem sattblauen Meer im Hintergrund. Hier in den tiefen Barrancos konnte Silbo Gomero, die von der Unesco als immaterielles Weltkulturerbe geschützte und nach wie vor praktizierte Pfeifsprache La Gomeras, über Jahrhunderte und auch zuletzt Francos Ausrottungsversuche überleben.

Von weitem ist die imposante Klippe Fortaleza zu sehen, die optisch als kleine Schwester des Tafelbergs in Kapstadt durchgehen könnte. Ein erstes lukullisches Eintauchen in die so fruchtbare Natur, als Wanderführer Manuél Padilla eine reife Kakteenfrucht pflückt, fachmännisch öffnet und zum Probieren anbietet. »Ah, Manuel el loco«, wird der 52-Jährige in El Cercado von einem der vielen Töpfer im Dorf begrüßt. Was so viel heißt wie »Manuel, der Verrückte«. »Das ist aber nicht negativ gemeint, sondern eher mit einem Augenzwinkern, weil ich immer schon gerne mein eigenes Ding gemacht habe«, erklärt der Wanderführer.


Wander-Pionier auf La Gomera: der Einheimische Manuél Padilla

Manuel ist bekannt auf La Gomera. Er ist hier geboren und aufgewachsen, hat 1986 den ersten Wanderverein La Gomeras gegründet und verdient seither sein Geld als Wanderführer für den DAV Summit Club auf den Kanareninseln.


Grün und schluchtenreich: Die Barranco am Rande des Garajonay- Nationalparks ist typisch für die Landschaft auf La Gomera.

Sein Domizil hat Manuel nach Abstechern in die Pyrenäen, Valencia und auch nach Berlin – weshalb er sehr gut Deutsch spricht – mittlerweile auf Teneriffa. »La Gomera ist mir dann doch ein wenig zu eng geworden«, sagt er. In Chipude, eines der ältesten Dörfer der Insel und auf 1241 Metern Meereshöhe auch das höchstgelegene, führt der Weg vom Dorfplatz mit der fast 500 Jahre alten Iglesia Virgen de la Candelaria weiter in Richtung Pavón und zur Fortaleza.

Gesäumt von Wildkräutern, Kakteen und Agaven geht es auf Schotter immer wieder vorbei an Palmenoasen, aus deren Palmherzen der »Guarapo« gewonnen wird, ein süßer Saft, der zu Palmhonig verarbeitet wird. Der dunkle, zähflüssige Honig gilt als der König der Küche La Gomeras und wird für Desserts und viele andere Speisen verwendet.

Dem vitaminreichen Honig wird außerdem eine antiseptische Wirkung bescheinigt. »Meine Mutter hat mir den immer eingeflößt, wenn ich krank war«, erzählt Manuel.

Argoday, der Mächtige

La Fortaleza, der Tafelberg, ein erodierter Vulkanschlot mit einem weitläufigen Gipfelplateau und einer 500 Meter hohen Steilwand, rückt mit jedem Schritt näher. Bei den Einheimischen galt der 1241 Meter hohe Berg als geheiligter Platz, den sie für ihre Opferrituale nutzten und auf dessen flacher Kuppel sie deshalb neben Steinkreisen auch Opferaltäre errichteten. Mit Ankunft der Spanier diente das Felsmassiv zudem als Rückzugsgebiet vor den Belagerern. Die Altkanarier nannten den Berg Argoday, den Mächtigen. Viele in Stein geschlagene Stufen führen auf einem abwechslungsreichen, steilen Weg, der Trittsicherheit und ein wenig Kraxelei erfordert, hinauf.


Steinstufen führen auf den einstigen Vulkan Argoday.

Oben auf dem Plateau wartet ein hässliches Gipfelkreuz aus weißen Stahlrohren. Besser konzentriert man sich auf die grandiose Aussicht in alle Himmelsrichtungen: zum Küstendorf Valle Gran Rey und dessen Bergen ringsum im Westen, auf die spektakuläre Schlucht Erque mit ihrer Mündung im Süden, die grünen Bananenpflanzungen von La Dama. Den höchsten Punkt der Insel, den Alto de Garajonay (1487 m), kann man hier bei gutem Wetter ebenso sehen wie im Norden das Grün des Nationalparks Garajonay.

Im Herzen des Nebelwaldes

Er ist das Juwel im geschützten Inselinneren. Der immergrüne Nebelwald mit seinen Lorbeerbäumen ist ein Relikt des Tertiär und steht seit 1981 als Nationalpark, seit 1986 zudem als Unesco Welterbe unter Schutz. Hier irgendwo am Monte del Cedro im Herzen des Waldes mit dem gleichnamigen Örtchen El Cedro ist auch Manuels absoluter Lieblingsplatz auf der Insel. Zeigen will ihn »el loco« aber nicht.

Feuchte, angenehm kühle Luft, dazu die pittoresken Naturlandschaften: Man würde sich nicht wundern, sprängen Gnome und Elfen hinter den knorrigen, mit grünem Moos und Flechten bewachsenen Ästen aus dem Nebel hervor.
Ein Märchenwald, dessen Bestand aber durch einen fatalen Brand im Jahr 2012 im südlichen Teil um über 18 Prozent (730 ha) dezimiert wurde.

Die Wege durch den Nationalpark sind gut beschildert und führen auf weichem Boden immer wieder über Lichtungen und vorbei an Wasserfällen. Eine weltweit einzigartige Oase mit unglaublich reiner Luft, die man mit jedem Schritt und jedem Atemzug aufnehmen und ganz tief in sich bewahren sollte.

Wundervoll ist auch der Ausblick von der Glasterrasse des Miradores de Abrante, einem zwar von Touristen stark frequentierten, aber doch sehenswerten Ausflugsrestaurant mit ausgezeichneter Küche. Von dort oben zeigt sich das kleine Tal von Agulo, eingekeilt zwischen fast vertikalen Klippen, zum Atlantischen Ozean hin aber offen. An klaren Tagen reicht die Sicht sogar bis zum Teide, dem mit 3718 Meter höchsten Punkt der Kanaren auf Teneriffa. Auch ein lohnenswertes Ziel auf den Kanaren für alle, denen es wie Manuel dann doch einmal zu eng werden sollte auf La Gomera.

Interessante Infos zu La Gomera

  • Los Orga nos, die »Orgelpfeifen« ziehen sich über rund 200 Meter entlang einer Felswand an der Klippe von Punta de las Salinas (Gemeinde Vallehermoso). Dieses Naturwunder, das bis zu 80 Meter hoch aus dem Meer aufragt, zählt zu den beeindruckendsten Basaltröhrenanlagen der Welt.
  • Die Pfeiffsprache Silbo Gomero ist die Sprache der Ureinwohner von La Gomera und wurde von der UNESCO als Weltkulturgut anerkannt. Sie wird nach wie vor in der Schule unterrichtet.
  • Das UNESCO Welterbe Nationalpark Garajonay ist ein weltweit einzigartiges Ökosystem. Das herausragendste Merkmal des Garajonay Nationalparks ist der Lorbeerwald, ein prähistorischer Waldtyp, der typisch für die Region Makaronesien ist und vor Millionen von Jahren den gesamten tropischen Raum bedeckte. Auf La Gomera hat sich der Lorbeerwald dank des gemäßigten Klimas bis heute erhalten, wurde aber durch einen Brand 2012 stark dezimiert.
Petra Rapp
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 01/2017. Jetzt abonnieren!
 
Mehr zum Thema