Immer mit der Ruhe - Skitouren in Bayern | BERGSTEIGER Magazin
Skitouren an den Münchner Hausbergen

Immer mit der Ruhe - Skitouren in Bayern

Sie sind weder sonderlich lang noch allzu schwer. Und genau deshalb so schön. Denn vor Partys, Heliflügen und besonders ehrgeizigen Alpinisten ist man bei Skitouren an den Münchner Hausbergen garantiert sicher.
Von Andrea (Text) und Andreas Strauß (Fotos)

 
Skitouren an den Münchner Hausbergen © Andreas Strauß
Der Hirschberg überzeugt mit traumhafter Landschaft – und garantiert mit Ruhe.
Skiopening in der Großstadt. Lastwagenweise lassen die Veranstalter Schnee antransportieren. Wer möchte, kann den weißen Hügel hinunterfahren. Die meisten Gäste kommen aber ohne Ski, dafür in Partystimmung. Den Akteuren schauen sie auf der Großleinwand zu.

Szenenwechsel. Hirschberg: Skitouren-Opening. 30 Zentimeter Pulverschnee liegen auf einer dünnen Altschneedecke. Doch die war bereits gut eingefahren. Um den Skibelag müssen wir uns also keine Sorgen zu machen. Man sieht, es kann auch Vorteile haben, sich auf beliebten Routen zu bewegen.

Der Aufstieg über die steile Piste wirkt nicht nur auf mich wie ein doppelter Espresso, auch andere Tourengeher beschleunigen ihr Tempo. Allein ist man auf Skitouren im Münchner Einzugsbereich selten. Dafür gehören jene, die hier unterwegs sind, eher zu den gemütlichen Sportlern. Alpine Ehrgeizlinge geben sich halt nicht mit einer 900-Höhenmeter-Tour ab. Und ruhiger als bei einer Ski-Opening-Party ist es allemal. Ja, im Vergleich ist der Anstieg zur Rauheckalm fast menschenleer: Zwei Tourengeher überholen, ein Pärchen pausiert an der Alm und genießt die Sonne, ein Einzelgänger zieht gerade eine elegante Spur in den Osthang, wo es noch einige unverspurte Streifen gibt.

Oben am Gipfel heißen die Akteure auf der Großleinwand dann: Rofan, Roß- und Buchstein, Karwendel, Zugspitze, Ammergauer Berge und Benediktenwand. Public viewing XX-Large. Live und dreidimensional. Ein Ski-Opening nach meinem Geschmack. Ein beißender Ostwind sorgt für echtes Outdoor-Feeling – naja, das ist eben auch live und damit einer der  Unterschied zwischen einem Erlebnis aus der Konserve und der Realität.
Drrrrrrr. Die ganze Nacht hindurch dröhnt es in den Ohren. Rollläden runterfahren hilft ein wenig, aber ganz kann man den Krach nicht aussperren. Flucht ist unmöglich. Unten im Tal ist es nicht anders als auf den Gipfeln. Hunderte von Schneekanonen sind nicht zu überhören. Das ist also die ruhige Zeit im Frühwinter in einem Alpental. Eine Nacht halten wir durch, dann fahren wir heim.

Skitour auf die Hochries

Szenenwechsel. Hochries. Außer dem Klacken der Bindung ist nichts zu hören. Die Stunden des gemütlichen Aufstiegs vergehen in wohltuender Stille. Naja, die Zeiten, in denen die Hochries eine Modeskitour war mit Sonderzügen zum Ausgangspunkt Frasdorf, sind längst vorbei. Zu flach, zu wenig »Kick«, zu kurz, zu nah. Wie schön! Weiß ummantelt stehen die Fichten am Waldsaum und droben am Riesenalmplateau sind selbst die tiefsten Dolinengruben mit einer dicken weißen Oberfläche überdeckt. Der Schnee für die Abfahrt verspricht reichlich und flauschig zu sein. Wie alle Skitouren im Münchner Einzugsbereich ist die Hochries die ganze Saison gespurt. Der letzte Aufschwung über den Ostrücken ist daher schnell geschafft. Das Hochrieshaus wartet schon. Ein trockenes Oberteil, eine heiße Suppe und dann ein paar schöne Schwünge. Während wir essen, fallen draußen ein paar Flocken. Echter Schnee, garantiert Bio und zu 100 Prozent lautlos.

»Super. Ein ganz toller Skiberg. Und wir waren fast alle am Gipfel. Bloß die Marie hat die Höhe net so vertragen. Ja, und der Sepp hat im Basislager bleiben müssen, weil dem seine Ski sind net mit dem Flieger mitkommen.«

Mit den Skiern auf die Rotwandreib'n

Szenenwechsel. Spitzing. Ein Namensvetter vom Basislagersitzersepp steht ratlos vor dem Kofferraum seines Autos. Ski finden sich darin, auch Schuhe. Nur leider liegen die Felle noch daheim. Keine zehn Minuten später hat Sepp die Auswahl zwischen verschiedenen Fellherstellern, -qualitäten und -längen. Unglaublich, wie viele Tourengeher ein zweites Paar im Kofferraum liegen haben und verleihen! Der Rotwandreib‘n steht also nichts mehr im Weg. Freilich, bis zum Rotwandhaus wäre Sepp auch so gekommen. Anschließend 150 Höhenmeter auf die Rotwand wären ohne Felle anstrengend geworden, aber für seinen Lieblingsberg hätte Sepp schon ein wenig gelitten. Die anderen beiden Anstiege der bekannten Reib‘n hätten jedoch auch fittere Tourengeher mürbe gemacht.
»Stell dir vor, die Dachauer wären net kommen!«, sinniert Sepp am Taubensteinhaus. So schön wie heute, hätte er die Rotwandreib‘n noch nie erlebt und so problemlos wäre er auch noch nie in die Rotwandrinne eingefahren. Ein Jammer, wenn er wegen der vergessenen Felle nicht auf Tour hätte gehen können.

Als wäre das noch nicht gut genug, lernt der Sepp heute auch noch eine gute Wirtschaft kennen, die er noch nicht kannte. Denn die Verleiher bitten ihn, die Felle in einem Gasthaus abzugeben, in das sie bei der Heimfahrt einkehren. »Der Schweinsbraten! So einen hab ich schon lang nicht gegessen«, schwärmt er eine Woche später noch. Die Rotwandreib‘n hat sich für den Sepp dieses Mal doppelt und dreifach gelohnt. Zwischen Allerheiligen und Fasching haben Dia-Abende und Multivisionsshows Hochkonjunktur. Die Bilder an diesem Abend sind gut, die gezeigte Landschaft großartig. Viele der Anwesenden wiegen im Halbdunkel bei den Abfahrtsbildern mit. Nein, heuer werde er anderswo Urlaub machen, gibt der Referent später im kleineren Kreis zu. »Da spurst 1500 Höhenmeter ein Kar hinauf und bevor du noch die Felle von den Ski hast, knattert ein Heli herein und spuckt ein halbes Dutzend ***  aus, die dir alle Hänge verspuren.«

Skitouren im Sudelfeld

Szenenwechsel. Sudelfeld. Wie ein weiß-blauer Traum liegt die Landschaft vor uns. Drüben im Skigebiet sieht man dunkle Pünktchen die Piste runterzischen, in großen und kleinen Radien, manche auf der geraden Linie zwischen Bergstation und Talstation. Die anderen Berge ohne Pistenzirkus tragen hier und da Zeichen von Serpentinen einer Aufstiegsspur und den Bögen von einigen Abfahrern.

Das Tempo heute reicht gerade um ins Schwitzen zu kommen. Hektik ist auch nicht nötig, denn die Aussicht wird fünf Minuten später noch genauso schön sein und als Geheimtipp für Heli-Skiing ist die Lacherspitz so wenig brauchbar wie Hirschberg, Hochries oder Jägerkamp. Nicht, dass es hier keinen Powder-Alarm gäbe, wenn es frisch geschneit hat. Aber bei Tourenlängen von 600 bis 1100 Höhenmetern wäre ein Heliflug eine Lachnummer. Die Berge vor unserer Haustüre werden also – hoffentlich – so gemütlich bleiben, wie sie sind: verschont vom Eventgeist, von Dauerdröhnen und Helilärm. Stattdessen mit jeder Menge Skitouren mit Herz.
Von Andrea (Text) und Andreas Strauß (Fotos)
 
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