Rucksack packen für die Hochtour | BERGSTEIGER Magazin
Auf's Dach der Alpen - Traumziel Mont Blanc

Rucksack packen für die Hochtour

Wer auf das Dach der Alpen will, braucht die richtige Technik am Berg – und das richtige Material. Experte Bernd Kullmann erklärt, was für die Hochtour in den Rucksack gehört.
Von Moritz Baumstieger
 
Der Vorteil guter Ausrüstung: Sie hält auch noch, wenn das Können später einmal Touren wie Dani Arnolds »Bird of Prey» am Mooses Tooth in Alaska erlauben sollte. © David Lama / Archiv Mammut
Der Vorteil guter Ausrüstung: Sie hält auch noch, wenn das Können später einmal Touren wie Dani Arnolds »Bird of Prey» am Mooses Tooth in Alaska erlauben sollte.
Herbstliche Regentage bieten sich an, mal eine Inventur in der Materialkammer durchzuführen. Wer im Sommer das Dach der Alpen erklimmen will, braucht nicht nur die richtige Technik, sondern auch die richtige Ausrüstung. Die jetzt durchzugehen, bietet sich aus einem weiteren Grund an: Bald ist Weihnachten – Zeit also, sich über den Wunschzettel Gedanken zu machen.

Hochtouren-Grundausrüstung

Beginnen wir mit dem Ausrüstungsstück, in dem wir alles andere Material herumtragen – dem Rucksack. Hier ist Bernd Kullmann Experte, der 60-Jährige war lange Jahre Chef des Herstellers Deuter, bevor er sich vergangenes Jahr teilweise zur Ruhe setzte, um wieder mehr Zeit für das Besteigen von Bergen zu haben. »Ein kleinerer Rucksack diszipliniert zu bewusstem Packen«, meint Kullmann, »auch für eine Hochtour reicht ein Rucksack von 35 bis maximal 45 Litern«. Auch bei dem sollte man die gesamte Ausrüstung im Rucksack unterbringen, »alles, was man außen dran hängt, kann irgendwo hängen bleiben oder behindern.«

Bei der Auswahl des geeigneten Rucksacks empfiehlt Kullmann, im Fachhandel mehrere Modelle auszuprobieren, bis man eines gefunden hat, das gut sitzt. Deckelfach mit Innentasche und eine Pickelschlaufe sollte der Rucksack auf jeden Fall haben, ansonsten nicht viel mehr: »Ich persönlich mag es lieber spartanisch«, sagt Kullmann, »je mehr Schnallen, Reißverschlüsse und anderer Schnickschnack dran sind, desto schwerer, reparaturanfälliger und wasserdurchlässiger wird der Rucksack.«
 
Das berühmteste Foto von Bernd Kullmann zeigt den damals 24-Jährigen 1978 im Khumbu-Eisbruch am Mount Everest – in Jeans. »Das war einfach ein bisschen Provokation«, lacht Kullmann, der damals mit der Hose bis zum Gipfel stieg. Heute trägt Kullmann in Schnee und Eis eine Softshell-Hose, die für Wärme sorgt und Spritzwasser oder Schnee abweist. Falls die Umstände widriger werden, hat er eine leichte Hardshell-Hose im Rucksack, ein einfaches Modell, dass dazu dient, Wasser und Wind draußen zu halten.

Für den Oberkörper empfiehlt Kullmann Funktionshemden, einen Fleece, eine Hardshelljacke im Zwiebelprinzip. Und vielleicht eine Daunenjacke oder -weste. »Die sind heute so unglaublich leicht geworden und lassen sich in ein kleines Säckchen stopfen – sind aber Gold wert, wenn es am Grat pfeift und richtig kalt wird.« Und das wird es am Mont Blanc unter Garantie.

Kälte ist das Stichwort: Eine Investition in Plastikbergschuhe, früher das Nonplusultra in eisigen Höhen, hält Kullmann heute für überflüssig. »Die normalen Schuhe sind wahnsinnig gut geworden.« Kullmann rät zu einem Lederschuh, »die atmen besser«, steigeisenfest und mit steifer Sohle. Für Touren in den Alpen ist ein Expeditionsstiefel mit herausnehmbarem Innenschuh nicht zwingend nötig, solange im Schuh genügend Platz für dicke Socken ist.

Dafür macht er sich für einen Ausrüstungsgegenstand stark, der ein wenig vom Aussterben bedroht ist: Gamaschen. Die halten nicht nur etwa bei Neuschnee die Schuhe trocken, sondern haben einen weiteren Vorteil: »Gerade Anfänger fädeln gerne mit den Frontzacken ihres Steigeisens im Hosenbein oder dem Schnürsenkel ein und fliegen dann auf die Schnauze. Und wenn sie dann ihre Partner mitreißen, kann das wirklich gefährlich werden.«

Die Hochtouren-Hardware


     
Kullmann ist Fan von Ausrüstung, die lange hält – und das ist selten die, die am wenigsten Gewicht auf die Waage bringt. »Natürlich geht es immer noch leichter, zum Beispiel bei Steigeisen sollte man aber einen gesunden Kompromiss suchen.« Denn leichter heißt meist auch: weniger Komfort, weniger Haltbarkeit, weniger Funktion. Kullmann empfiehlt deshalb Steigeisen aus leichtem Stahl anstatt aus Alu, »da verbiegt nix«. Und rät zur Investition in einen Steigeisen-Beutel, so können die Eisen in den Rucksack gepackt werden und müssen nicht außen dran baumeln, wo sie den Träger oder andere verletzen können.

In den Rucksack gehört auch der Helm (wenn er nicht auf dem Kopf sitzt), außen dran dürfen ein leichter Pickel und Stöcke. Den Pickel brauche man natürlich immer noch für die Spaltenbergung oder steilere Passagen im Blankeis, wenn die Haue zum Einsatz komme. »Zum Abstützen beim Gehen würde ich in flacheren Partien aber immer Stöcke nehmen – die Gelenke danken es einem.«

Generell empfiehlt Kullmann, weniger Ausrüstung zu kaufen und dafür gute, vom Fachhändler empfohlene – dann begleitet sie einen über Jahre. Was fehlt, kann auch beim Alpenverein oder beim Bergführer geliehen werden.

Die Sicherheits-Ausrüstung

Komplettgurte haben inzwischen eigentlich ausgedient, Kullmann empfiehlt einen Sitzgurt mit verstellbaren Beinschlaufen – so ist der variabel einsetzbar und kann auch beim Felsklettern benutzt werden. An die Schlaufen des Gurtes kommen – um im Falle eines Spaltensturzes gerüstet zu sein – zwei Schraubkarabiner, zwei bis drei Normalkarabiner und zwei Eisschrauben, um einen Sicherungsfixpunkt setzen zu können. Außerdem eine Reepschnur, fünf bis sechs Millimeter dick und etwa in Körperlänge (für die Trittschlaufe bei der Selbstrettung), eine von etwa einem Meter Länge (für die Prusikschlinge) und eine weitere von etwa vier Meter Länge (für die lose Rolle).

Über die Brust werden zwei vernähte Bandschlingen getragen, je 1,20 Meter lang, um bei der Spaltenbergung um den als T-Anker vergrabenen Pickel gelegt zu werden. Fehlt nur noch das Seil: Es sollte lang genug sein, um in der Seilschaft mit zehn bis zwölf Metern Abstand pro Person gehen zu können. Wer aber etwa stets zu zweit geht und ein altes Einfachseil vom Felsklettern herumliegen hat, dem empfiehlt Kullmann: »Einfach abschneiden und auf 30 Meter kürzen – dann muss weniger geschleppt werden.«

Der Kleinkram

Neben einer Mütze, guten Handschuhen und einer Sturmhaube kommen noch Sonnenbrille, -creme und Verbandspack in Kullmanns Rucksack. Bei Hochtouren auch zwei Extras: »Ohrenstöpsel und leichte Kopfschmerzmittel wegen der Höhe – helfen beide, um auf der Hütte besser schlafen zu können.« Und eine Thermoskanne: »Auch deren Gewicht sollte man sich nicht sparen, gerade in großen Höhen braucht man etwas Warmes.« Trinksystemen steht er eher skeptisch gegenüber. Bedient man sie nicht richtig, friert gerne die Restflüssigkeit im Schlauch ein, zudem verleiten sie dazu, den Rucksack gar nicht mehr abzusetzen. »Dann bleiben die Leute immer nur kurz stehen, um zu trinken, so ist der Tank bald leer.« Ab und zu jedoch eine richtige Pause zu machen, ist aber wichtig. Um zu essen, um zu ratschen, um das Wetter zu beurteilen – und um das Panorama zu bestaunen.

Trainingsplan: Fit werden für die Hochtour

Umsetzung: Da wir nicht wie Bergführer jeden Tag in den Bergen unterwegs sein können, ist ein gutes Grundlagentraining für unsere Bergziele umso wichtiger. Unter der Woche, gerade im Herbst und Winter, wenn die Tage kurz sind, reicht die Zeit oft nicht für lange Trainingseinheiten nach der Arbeit. Trotzdem sollten wir regelmäßig unser Pensum absolvieren: Idealerweise zwei bis drei einstündige Lauftrainings pro Woche, auf einer Runde mit einer Steigung, damit der Puls auch etwas in die Höhe schnellt. Nach einer Viertelstunde gemütlichem Traben zum Aufwärmen geht es dreimal die knackige Steigung bergauf, so dass der Puls auf 170 bis 190 steigt. Wenn es zur Erholung wieder bergab geht, sollte sich der Puls bei 130 bis 150 einpendeln.

Dieses Intervalltraining simuliert das Bergsteigen in technischem Gelände gut, wo sich schnellere Schritte und Stellen mit ein paar langsamer auszuführenden Kletterzügen abwechseln. Wer nicht gerne rennt, für den ist das Training auch mit dem Bike gut zu absolvieren. Wichtig auch da, dass nicht nur geradeaus gefahren wird, sondern die Strecke die Puste fordert.

Besonders beachten: Auch der beste 400-Meter- Läufer würde sich an einem Marathon schwer tun – das gilt auch fürs Bergsteigen. Wer nur kurze Einheiten trainiert, wird auf einer acht- bis neunstündigen Bergtour ganz schön in den roten Bereich kommen. Daher ist wichtig, dass auch lange Bergwanderungen unternommen werden, je näher die große Tour rückt – und sich der Körper an die Belastung über einige Stunden hinweg gewöhnen kann.
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 11/2014. Jetzt abonnieren!
 
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