Die Martin-Busch-Hütte| BERGSTEIGER Magazin
Traditionsreiches Schutzhaus in den Ötztaler Alpen

Leichte 3000er rund um die Martin-Busch-Hütte

Eindrucksvolle Wander-3000er, einfache Gletschertouren und der leichteste 3600er in Tirol – das und noch viel mehr bietet die Martin-Busch-Hütte, traditionsreiches Schutzhaus im Herzen der Ötztaler Alpen.
Text: Christian Schneeweiß

 
Die Martin-Busch-Hütte © BERGSTEIGER
Abendstimmung in der Nähe des Hauslabjochs, links oben die Fineilspitze
Eingebettet zwischen die Flanken hochaufragender Dreitausender liegt am Schluss eines Ursprungs­asts des Ötztals der Ort Vent (1896 m), das archetypische »Bergsteigerdorf« inmitten des »Ruhegebiets Ötztaler Alpen«. Mag dadurch dem Ausgangsort der Martin-Busch-Hütte der Ausbau zur Ski- und Fun-Arena verwehrt sein, so ging doch von hier die touristische Erschließung der Alpen aus: Seit 1862 trieb der Pfarrer Franz Senn den Bau von Wegen und Schutzhütten voran, um den Einheimischen ein Zusatzeinkommen durch den aufblühendenTourismus zu verschaffen. Bei der von ihm mit­initiierten Gründung des Deutschen Alpenvereins im Jahr 1869 enthielt die Urkunde den zentralen Passus: »Die Bereisung der Alpen soll erleichtert, … Hospize gebaut… werden«.    

Die Martin-Busch-Hütte    

Nach dem rührigen »Gletscherpfarrer«, der selbst einige Erstbesteigungen vorweisen konnte, wurde der bergsteigerisch kaum erschlossene Sennkogel (3400 m) im Kreuzkamm westlich der Martin-Busch-Hütte (2501 m) benannt. An schönen Wochenenden pilgern Hundertschaften von Vent durch das Niedertal hinauf zu dieser erst 1938 erbauten Alpenvereinshütte. Einige steigen nach kurzer Mittagspause und unerwartet raffinierter Mahlzeit weiter zur aussichtsreichen Similaunhütte (3019 m) am Niederjoch zwischen Niederjochferner und Felsabbrüchen nach Südtirol. Ein Fehler, denn auf Samoar mit seinen sattgrünen Talwiesen und dem Blick auf die von Schafen und Felsen bräunlich gesprenkelten Almhänge der Sömen unter den Urgesteinsschrofen von Kreuzspitze bis Saykogel erholt sich nicht nur der Körper, sondern auch das Gemüt.

Beim Aufstieg hierher kommt man am flachen Rastplatz des Kaser vorbei. Neben einer tischartigen Steinplatte steht hier ein kleiner Menhir mit Blick auf den firnglitzernden Similaun, und mit etwas gutem Willen lassen sich sogar zwei Steinkreise erkennen: Dies war eine spätsteinzeitliche Kultstätte. Kurz hinter Vent befindet sich oberhalb des Wegs sogar der durch Artefakte belegte, saisonale vorgeschichtliche Siedlungsplatz des Hohlen Steins. Der dorthin führende Abzweig geht übrigens über den Sichtpunkt des Hörnle (2406 m; bis hier markiert) satte 1500 Meter hoch und 500 Meter Kraxelei (I) auf zerborstenem Grat hinter zur markanten Talleitspitze (3408 m), dem nördlichsten Gipfel des Kreuzkamms.

Similaun: Leichter Berg mit weiter Sicht

Der Similaun ist der wohl leichteste und sicher beliebteste 3600er der Ostalpen. Zwar lässt sich dorthin auch über die Similaunhütte aufsteigen. Besonders lohnend von der Martin-Busch-Hütte aus ist aber die weniger frequentierte Route über den Marzellkamm (3149 m), der eindrucksvolle Blicke auf die Gletscherberge und -flanken um den zerrissenen Marzellferner bietet. Über den firnweißen Nordrücken des Niederjochferners erreicht man gemächlich den sich aufsteilenden Gipfelrücken und reiht sich in die durch Seile verbundene Schlange der von der Similaunhütte aufgebrochenen Gipfelaspiranten ein; der abschließende ausgesetzte Übergang zum Hauptgipfel verlangt bisweilen Steigeisen.

Am südlichsten Punkt Nordtirols breitet sich ein Gebirgspanorama aus, das nur noch von der hinter Vent aufragenden Wildspitze übertroffen wird. Ganz nah stehen die düsteren Nordwände der Ortlergruppe hinter dem Vinschgau im Südwesten und verdecken beinahe das bei klarem Wetter sichtbare Dreigestirn des Piz Palü in der Berninagruppe. Die kalte Nordflanke der Presanella im Süden kündigt das weite Plateau  des Adamellogletschers und die Riffe und Türme der Brenta daneben an. Während das Auge sich südostlich hinter den Spitzen der Ötztaler Texelgruppe zwischen den schroffen Gipfeln der bleichen Dolomiten verirrt, wäre die Hintere Schwärze ein besserer Ort zur Betrachtung der Hohen Tauern mit dem dunklen Großglockner als Orientierungspunkt.

Mord am Schafsübergang

Nach der opulenten Gipfelschau sollte man unbedingt westwärts zur Similaunhütte am Niederjoch absteigen. Über diesen Übergang treiben die Südtiroler Bauern alljährlich im Frühsommer (ab 15. Juni) bis zu 2000 Schafe vom Schnalstal übers Tisental auf die Hochalmen um die Martin-Busch-Hütte und das Niedertal. Zurück geht es mit Zugewinn an Lämmern minus Abstürzen am 15. September wieder nach Vernagt, wo die Tiere unter ihre Besitzer aufgeteilt werden. Nach kurzer Einkehr ist die Wanderung auf vielbegangenem Steig entlang der Grenze nordwestwärts zum Alternativübergang des Tisenjochs (3210 m; gut 1 km) absolute Pflicht. Ein Denkmal erinnert hier an den sensationellen Fund der ausgeaperten, mumifizierten Leiche eines vor 5300 Jahren mit einem Pfeil erschossenen Mannes aus der Kupfersteinzeit. Dieser war den klimatischen Bedingungen mit Grasmantel, Ziegenfell-Leggins, gefütterten Bärenleder-Mokassins und Glutbecher zum Feueranzünden bestens angepasst; »Ötzi« ruht jetzt in einer Eiskammer des Südtiroler Archäologiemuseums in Bozen (Infos: www.iceman.it).

Von alpinen Spritztouren zum lieblichen See

Am Hauslabjoch setzt der Kreuzkamm an, welcher sich Richtung Nordosten bis zur Talleitspitze zieht, die das Niedertal vom Rofental trennt. Der Hauslabkogel (3403 m) besitzt keinen rundum attraktiven Aufstieg und ist daher eher für gestandene Alpinisten interessant: Man steigt entweder vom Hauslabjoch über den Südwestgrat (II und leichter, aber brüchig) oder direkt von der Martin-Busch-Hütte auf: Nordöstlich von Saybach und dem kleinen, spaltigen Sayferner geht es mühsam auf dem »Normalweg« durch Schutt und Geröll hinauf zu einer Scharte im Block- und Firngrat (teils I) und weiter auf diesem unterm dunklen Höhenhimmel zum Gipfel. Über den gegenüber aufragenden Saykogel (3360 m) gelangt man auf offiziell markiertem Weg von der Martin-Busch-Hütte zum Hochjoch-Hospiz (2472 m) im nordwestlich benachbarten Rofental.

Ab hier ist die Südostseite des nördlichen Kreuzkamms im Herbst bis auf Firnreste in Mulden völlig aper. Während der Sennkogel (3400 m) wegen seines teils mühsamen Aufstiegs und des eventuell firnig-eisigen Nordgrats (Steigeisen!) am Gipfel relativ wenig bestiegen wird, ist der Kulminationspunkt der Kreuzspitze (3457 m; Erstbesteigung ebenfalls durch Franz Senn) das beliebteste Ziel im gesamten Kreuzkamm. Denn wo lässt sich schon gletscher- und seilfrei trockenen Fußes bei Durchwanderung aller alpinen Höhenstufen in solche Höhen aufsteigen? Einschließlich des Tiefblicks auf die umliegenden Minigletscher und der Szenerie der riesigen Gletscherplateaus von Gepatschferner und Vernagtferner hinterm Rofental, mit dem Eistrapez der Weißkugel im Westen bzw. der schroffen Wildspitze im Norden.

Eine besondere Attraktion ist die breite Mittelterrasse, auf der der Samoarsee (2920 m) zum Übernachten unterm Sternenzelt einlädt. Der Maler Brizzi konnte dessen Reiz nicht widerstehen und ließ sich am Wegrand eine Hütte erbauen, wo er erstmals naturalistische Bilder der grandiosen Bergregion malte und in München ausstellte; sein Auftraggeber war – wer anders als – Franz
Senn…                        
Die Martin-Busch-Hütte
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 09/2010. Jetzt abonnieren!
 
Mehr zum Thema