Großer Praxistest: LVS-Geräte | BERGSTEIGER Magazin
BERGSTEIGER Testbericht: LVS-Geräte

Großer Praxistest: LVS-Geräte

Im Test: LVS-Geräte. LVS Geräte gehören zur Grundausrüstung eines jeden Winter-Bergsteigers. Wir haben die am Markt erhältlichen LVS-Geräte von Ortovox, Pieps, Mammut, DTS, Arva auf Herz und Nieren getestet.
(Aus BERGSTEIGER 01/2009)
 
LVS-Geräte im Test © Christof Schellhammer/VIVALPIN
LVS-Geräte im Test
Seit über 30 Jahren ermöglichen LVS (=Lawinen-Verschütteten-Such)-Geräte die Ortung von Lawinenverschütteten nach dem Sender-Empfänger-Prinzip. Bis heute hat sich das LVS-Gerät als unverzichtbarer Ausrüstungsgegenstand für Skitourengeher, Schneeschuhwanderer, Freerider – kurz, für alle, die sich im winterlichen Hochgebirge bewegen – etabliert. Zusammen mit Lawinensonde (für die Punktortung) und Lawinenschaufel zählt das LVS-Gerät zur Sicherheitsausrüstung, die auf keiner Tour fehlen darf. Denn nur innerhalb der ersten 15 Minuten nach einem Lawinenabgang besteht eine große (ca. 90 Prozent) Überlebenswahrscheinlichkeit für den Verschütteten. Im Laufe der 30-jährigen Entwicklung haben sich LVS-Geräte vom einfachen analogen Sender-Empfänger- zu komplexen High-Tech-Geräten entwickelt. Durch ihre technische Leistungsfähigkeit sollen moderne LVS-Geräte auch dem wenig Geübten in Stresssituationen eine rasche Ortung von Verschütteten ermöglichen. Kein einfaches Unterfangen, denn die Materie hat ihre Tücken. So blockt der Schnee viele moderne und im Computerzeitalter gängige Frequenzen wie z. B. Bluetooth oder WLAN ab, und die zahlreichen, am Markt befindlichen (Alt-)Geräte fordern eine uneingeschränkte Kompatibilität. Zusammen mit den Herstellern und dem Kompetenzzentrum Sport, Gesundheit und Technologie in Garmisch-Partenkirchen sowie der Technischen Universität München wurde nun ein Testmodus erarbeitet, der eine objektive Bewertung von LVS-Geräten unter praxisnahen Bedingungen ermöglicht. Denn schlussendlich geht es darum, möglichst schnell und zuverlässig einen Lawinenverschütteten zu finden. Dabei gilt es, verschiedene Szenarien zu bedenken. Bei einem großen Lawinenfeld spielt die mögliche Suchstreifenbreite (= die maximale Reichweite) eine wichtige Rolle für den Wettlauf gegen die Zeit. Denn durch die Verkürzung der Laufwege bzw. den schnelleren Erstempfang kann sich die Überlebenswahrscheinlichkeit deutlich erhöhen.

Aber Reichweite ist nicht alles. Vom Erstempfang bis zur Ortung des Verschütteten führen verschiedene Technologien und Wege zum Ziel: Von der Suche mit dem Analoggerät (wobei Lautstärkeunterschiede vom Suchenden interpretiert werden müssen) bis zur »vollautomatischen« Navigation mit Pfeil- und Richtungsanzeige. Das Ergebnis hängt dabei im hohen Maße vom Können des Benutzers ab: Ein Ungeübter ist mit einem analogen Ein-Antennen-Gerät in vielen Situationen überfordert und hat nur mit einer »Vollautomatik« eine reelle Trefferchance, während der Profi mit dem Analog-Gerät beste Sucherergebnisse erzielen kann. Es verhält sich ähnlich wie in der Fotografie: Der Laie wird mit einer Vollautomatik-Kamera ansprechende Fotos machen, während der Profi gerne auf die manuelle Einstellung zurückgreift und damit noch bessere Ergebnisse erzielt. Zusätzlich zu diesen Szenarien, die bei einem Großteil der Lawinenfälle auftreten, sollte ein modernes LVS-Gerät auch bei komplexen Sonderfällen funktionieren: Zum Beispiel bei der Verschüttung mehrerer Personen oder bei einer großen Verschüttungstiefe von über zwei Metern. Bei mehreren, eng beieinander liegenden Verschütteten können sich die Signale der Sender überlagern. Die Lösung dieser Situationen erfordert auf technischer Ebene einen hohen konstruktiven Aufwand. Im Idealfall muss der Empfänger nicht nur alle Signale erkennen, sondern sie auch differenzieren können, so dass gezielt nach einzelnen Sendern gesucht werden kann.

LVS-Geräte-Test: Szenarien

Grobsuche bzw. Messung der möglichen Suchstreifenbreite: Je größer die Suchstreifenbreite, desto kürzer sind die Wege beim Abgehen des Lawinenfeldes und desto schneller kann ein Signal empfangen werden. Gemessen bzw. bewertet wurde die Reichweite eines LVS-Geräts unter praxisrelevanten Bedingungen bei drei unterschiedlichen Antennenlagen des standardisierten Senders. Die empfohlene Suchstreifenbreite entspricht 60 % der im Versuch gemessenen Minimalreichweite eines LVS-Geräts (abgerundet in Fünfer-Schritten).

Feinsuche: Wie schnell und zuverlässig führt das LVS-Gerät vom Erstempfang zum Verschütteten? Eine Übung, die die meisten Geräte gut beherrschen und die einen Großteil der Lawinenunfälle simuliert. Um möglichst objektive Daten über die Leistungsfähigkeit eines LVS-Geräts zu erhalten, wurde die zurückgelegte Entfernung pro Suchstreifen von einem genormten Anfangspunkt aus gemessen. Zusätzlich wurde die Leistung der Geräte in einer standardisierten Versuchsreihe von »Laien« getestet. Diese mussten in einem überschaubaren Lawinenfeld (20 x 20 m) einen in zehn Zentimeter Verschüttungstiefe liegenden Sender orten.

Punktortung: Wie treffsicher ist die Anzeige bei der Punktortung? Ist eine Punktortung auch unter erschwerten Bedingungen, z. B. bei einer großen Verschüttungstiefe möglich? Zum Messen der Punktortung unter erschwerten Bedingungen wurde die Abweichung vom Lot eines zwei Meter tief Verschütteten gemessen. Bei Zwei- oder Ein-Antennengeräten liegt konstruktionsbedingt über dem Verschütteten kein Signalmaximum vor. Hier muss der Punkt zwischen den jeweils zwei Signalmaxima auf wiederum zwei Achsen ermittelt werden. Dieses Vorgehen ist allerdings nur mit Routine und entsprechender Erfahrung zu bewerkstelligen und würde jeden Gelegenheits-Skitourengeher oder -Freerider überfordern. Da diese Technik keine gerätespezifische Technologie und Leistung erfordert, fehlt in der Tabelle eine entsprechende Bewertung.

Suche nach mehren Verschütteten: Ist es möglich mehrere Verschüttete zu identifizieren und die Signale sauber zu trennen? In einem einfachen Versuchsaufbau wurde eine komplexe Situation mit drei Verschütteten simuliert. Während zehn Versuchen mit unterschiedlichen Empfängerstandorten wurden die Exaktheit der Anzeige und die Markierfunktion getestet. Diese Aufgabe wurde nur von den drei besonders empfehlenswerten Geräten zuverlässig gelöst. Wir möchten an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es trotz der sehr guten Trefferquote dieser LVS-Geräte in der Praxis dennoch vorkommen kann, dass u. U. nicht alle Verschütteten einwandfrei geortet werden! Dies gilt besonders in den Fällen, in denen sich deutlich mehr als drei Sender auf sehr engem Raum befinden. 
Wolfgang Pohl und Christof Schellhammer
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 01/2009. Jetzt abonnieren!
 
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