Der Venedigerbergführer Alois Berger feiert seinen 80. Geburtstag

Alois Berger - mehr als nur Bergführer

Als Jugendlicher führte Alois Berger bereits seine ersten Touren, unzählige weitere folgten in seiner Berufslaufbahn als Bergführer. Und wer einmal mit Alois Berger auf Tour war, der merkt schnell: das Spektakuläre der unbekannten Routen, die nur er zu kennen scheint, ist seine Spezialität.
Von Wieland Elfferding
 
Als er mit uns die erste Hochtour unternahm und wir auf die Hütte kamen, die uns als Stützpunkt dienen sollte, fiel unser Blick beim Abendessen auf das Schild, das den Aschenbecher zierte: hier sei reserviert für den „Alpenkönig“. Der Verdacht, diese Reservierung könnte ein wenig großspurig klingen, wurde ohne Verzögerung durch das Verhalten der alpinen Umgebung zu ihm zerstreut: der Hüttenwirt begrüßte ihn speziell, die anderen und oft jüngeren Bergführer mit ihren Seilschaften entboten ihm einen Gruß, der durch die selbstverständliche Kameradschaft unter Berufsgenossen hindurch auch so etwas wie Achtung gegenüber dem Älteren und Erfahreneren erkennen ließ.

Das ist mittlerweile ein Vierteljahrhundert her. Alois Berger aus Prägraten, Venediger-Bergführer, wird am 1. Februar 2015 achtzig Jahre alt. Seine erste Tour, und zwar gleich auf die Dreiherrnspitze, führte er mit siebzehn. Die alten Bergführer aus dem Tal waren noch so, wie wir das von alten Fotos kennen: von großer, schwerer Statur, gewalkte Hosen, überall schweres Wetterzeug am Leib, Nagelschuhe aus Leder, den Hut nicht selten verwegen in den Nacken geschoben, dazu die alten Pickel mit dem Holzschaft und viel länger als die heutigen. Die Hanfseile böten allein vom Gewicht her heute ein Grund, gar nicht erst loszugehen, geschweige denn zurück, wenn sie sich vom langen Gletschermarsch voll Wasser gesaugt hatten.

Bergführer der alten Schule

Etwas forsch fragten wir am zweiten Abend, ob er denn schon einmal im Himalaya gewesen sei. Nein. Die Antwort war ziemlich trocken. Und dann, in welchem Grad er denn schon geklettert sei. Irgendwie nüchtern bemerkte der Führer, so kurz nach dem fünften Grad habe er dann aufgehört. Mit der Zeit bekamen wir mit, dass Alois Berger auch im Buch der Erstbesteigungen keine Einträge zu verzeichnen hat. Was also ist an dem Mann Besonderes dran? Was bleibt von seinem Bergführerleben?
Die Frage kann nur stellen, wer das Berufsbild des heutigen, globalisierten Bergführers vor Augen hat. Da stammt einer aus Innsbruck, man redet aber erst von ihm, wenn Bilder die Runde machen, die ihn an einer Steilwand in Patagonien zeigen. Die Söhne oder Töchter des Mattertals mögen hundertmal das berühmte Horn bestiegen und geführt haben, wenn sie nicht in den Anden oder im Himalaya mit etwas Spektakulärem aufscheinen, bleiben sie namenlos. Alois Berger stammt aus einer anderen Kultur des Bergsteigens, die erst noch wiederentdeckt werden will.

Im Tal kann im Herbst schon tiefer Winter sein in der Höhe. Der Gipfel des Hausbergs auf der Südseite liegt vierzehnhundert Meter über dem Tal. Kommen wir aus dem Wald heraus und die schon tiefer stehende Sonne blendet unsere Augen, sehen wir, dass der scharfe Ostwind den ersten Schnee vom Grat geweht hat. Beim kurzen Halt holt der Bergführer die leichten Steigeisen aus dem Rucksack, ohne diese wäre weder der Grat noch der Wanderweg auf der anderen Karseite zu meistern, auf dem sich an Sommertagen mitunter hunderte bewegen. Wir sind allein am Berg. Unter uns ziehen Gamsrudel zum Wasser hinab, die Sonne entflammt die herbstlich gelben Lärchen zu orangenem Feuer am unter uns liegenden Hang. Bei solcher Witterung kann eine längere Gipfelrast Halsverkühlung bedeuten. Nach kurzum Rundblick bei einer Trinkpause – die herbstliche Luft rückt die Kette der Hohen Tauern zum Greifen nah an uns heran - ziehen wir über Firn zur Hütte am See hinab, wo im Sommer Boot gefahren wird. Im Windschutz der Hütte packt Alois Berger einen kleinen Kocher aus dem Rucksack, so dass es zum Jausenbrot einen frischen heißen Tee – warum nicht auch mit einem Schluck Schnaps gemischt? – oder eine Suppe geben kann. 
Wieland Elfferding
 
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