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24.03.2015

Schlagintweit-Ausstellung in München

Die Brüder Hermann, Adolph und Robert Schlagintweit brachen 1854 zu einer vierjährigen Expedition nach Indien und in die angrenzenden Bergregionen auf. Ihre Bilder und Berichte prägten das damalige Bild des Himalayas in Europa ganz entscheidend. Doch die Unternehmung geriet in Vergessenheit. Das ändert sich nun.
 
 
 
Nanda-Kot-Kette und Pindari-Gletscher, Uttarakhand/Indien © Alpines Museum des Deutschen Alpenvereins
Denn seit 19. März bis 10. Januar 2016 ist auf der Münchner Praterinsel die Sonderausstellung „Über den Himalaya. Die Expedition der Brüder Schlagintweit nach Indien und Zentralasien 1854 bis 1858“ zu sehen. Anlass für Ausstellung war die Schenkung von rund 200 Aquarellen der Familie Schlagintweit an den DAV und dem damit verbundenen Auftrag sie der Öffentlichkeit zu präsentieren.


Expedition zwischen Naturforschung und Kolonialismus

Im Herbst 1854 brachen die aus München stammenden Brüder Hermann, Adolph und Robert Schlagintweit von Southampton Richtung Indien auf. Die jungen Wissenschaftler, 28, 25 und 20 Jahre alt, hatten ein paar Jahre zuvor den schon zu dieser Zeit legendären Forscher Alexander von Humboldt kennen gelernt. Er sorgte dafür, dass der preußische König Friedrich Wilhelm IV. und die britische Ostindien-Kompanie sie für eine mehrjährige Forschungsreise nach Indien und Zentralasien in den Dienst nahmen. Offizieller Auftrag war zunächst die Erhebung von magnetischen Messdaten. Die Brüder nutzten die Reisen jedoch zu weiteren umfangreichen Beobachtungen und dem Anlegen von Sammlungen in verschiedensten geografischen, naturwissenschaftlichen und ethnologischen Disziplinen – ganz im Sinne der Humboldt’schen Naturforschung.


Höhenrekord und dramatisches Ende

Die Gebrüder Schlagintweit waren bemüht, sich auch ihrem Auftraggeber, der East India Company, unentbehrlich zu machen. Ihre Strategie: Die Erkundung von möglichen Wegen über Himalaya und Karakoram, die Kartierung bisher wenig dokumentierter Landstriche und das Sammeln von Bodenproben. Schließlich waren die drei Brüder auch um ihren Ruf bemüht. Dazu sollten Erkundungen in bisher nicht von Europäern begangenen Regionen dienen. Auch dies war wohl mit dafür ausschlaggebend, dass Adolph und Robert Schlagintweit den Kamet im Garwhal-Himalaya bis auf eine Höhe von 6.785 Metern erstiegen und damit einen jahrzehntelang geltenden Höhenrekord aufstellten. Eine Mischung aus all diesen Gründen verleitete vielleicht den Bruder Adolph dazu, die Expedition mit einer Erkundung des politisch höchst unstabilen und bisher auf diesem Weg von Europäern nicht begangenen Turkestans abzuschließen. Dies wurde ihm zum Verhängnis. Ein kurzzeitig herrschender Warlord in der Handelsstadt Kashgar nahm ihn als Spion gefangen und köpfte ihn.


Umstrittene Ergebnisse der Expedition

Die Expedition der drei Brüder und ihre Forschungsergebnisse waren von Beginn an umstritten. Die Fronten bestanden zum einen zwischen den in der Tradition Humboldts arbeitenden Wissenschaftlern und denen, die an einer tieferen Betrachtung einzelner Fragestellungen interessiert waren. Praktiker aus den britischen Kolonialbehörden wiederum bewerteten die Ergebnisse der Expedition gänzlich anders als die Wissenschaft. Schließlich ließen sich auch Brechungen entlang nationaler Grenzen ausmachen: In England galt das, was die Schlagintweits erforscht hatten, als zumindest teilweise bekannt und banal. In den deutschen Staaten hingegen wurden die Brüder als Autoritäten geschätzt. Nationalstolz und das aufkommende Interesse an eigenen Übersee-Kolonien ließen sie zu öffentlich gefeierten Helden und Pionieren werden.


Zweite Ausstellungen am Tegernsee

Das Alpine Museum zeigt in seiner neuen Ausstellung Zustandekommen, Durchführung und Wirkungsgeschichte der Schlagintweit’schen Expedition auf. Eine Auswahl von hundert Aquarellen und zahlreiche Objekte aus den von den Brüdern zusammengetragenen Sammlungen geben auf vielfältige Weise Aufschluss über die Geschichte der Expedition und präsentiert ein faszinierendes Bild der Landschaften Indiens und Zentralasiens vor mehr als 150 Jahren. Eine zweite Ausstellung mit einer Auswahl der Aquarelle, die heute von der Staatlichen Graphischen Sammlung München aufbewahrt werden, ist vom 22. März bis zum 21. Juni im Olaf Gulbransson Museum Tegernsee zu sehen.


Umfangreiches Rahmenprogramm

Rund um die Ausstellung hat der DAV gemeinsam mit der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, dem Indien-Institut München, dem Österreichischen Alpenverein, dem DAV Summit Club und mehreren Verlagen ein umfangreiches Rahmenprogramm erarbeitet.

Die Schlagintweit’schen Aquarelle
Expertengespräch in der Ausstellung mit der Kuratorin Stephanie Kleidt
15. April, 18 Uhr, Alpines Museum, Eintritt 4 Euro plus Museumseintritt
Anmeldung: Nicht erforderlich

Hidden Histories. Die Rolle der einheimischen Experten und Helfer in der Expeditionsgeschichte des 19. Jahrhunderts
Festvortrag in englischer Sprache von Prof. Felix Driver
22. April, 19.30 Uhr, Alpines Museum, Eintritt frei
Anmeldung: 089/14003-0 oder alpines.museum@alpenverein.de

Die Expedition der Brüder Schlagintweit im Spiegel der aktuellen Forschung
Symposium in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Akademie der Wissenschaften                         
23. April, 10-17 Uhr, Plenarsaal in der Bayerische Akademie der Wissenschaften, Alfons-Goppel-Str. 11, München; Weitere Infos und Anmeldung: glaziologie.de/schlagintweit

Crossing Bridges. Aktuelle Bergfilme aus Nepal und Indien
Filmabend in Kooperation mit dem Indien-Institut e.V.
20. Mai, 19 Uhr, Alpines Museum, Eintritt 10/5 Euro
Anmeldung: Nicht erforderlich

Lesungen
Geetanjali Shree „Chronistin des Wandels“ (4.11.)
Uday Prakash „Geschichten von der Schattenseite der Macht“ (16.7.)
Ilija Trojanow „Der Weltensammler“ (17.9.)
Infos rechtzeitig unter: alpenverein.de/Kultur/Veranstaltungen-Alpine-Kultur

Auf den Spuren der Brüder Schlagintweit in Ladakh, Changtang und Nubra
Themenreisen zur Ausstellung. Gewinner der Goldene Palme 2015 von Geo Saison
16. Juli-2. August und 3.-20. September; Infos: www.davsc.de/insch
 
Infos zur Ausstellung
im Alpinen Museum, Praterinsel 5, 80538 München
vom 19. März 2015 bis 10. Januar 2016