News > Erstmals alpine Sicherheitsgespräche in Bayern
25.10.2018

Erstmals alpine Sicherheitsgespräche in Bayern

Die alpine Sicherheit in den bayerischen Bergen durch Unfallforschung und Prävention zu erhöhen, ist das Ziel des 2012 gegründeten Bayerischen Kuratoriums für alpine Sicherheit. Ein Weg dazu sind die vom Kuratorium erstmalig veranstalteten alpinen Sicherheitsgespräche am 18. Oktober 2018 in München. 75 nationale und internationale Expertinnen und Experten des Bergsports und 15 namhafte Referentinnen und Referenten berichteten und diskutierten im Bayerischen Ministerium des Innern und für Integration über den Stand der Präventionsarbeit in den Themenfeldern Mountainbiking, Hochtourengehen und Sicherungsausrüstung.
 
 
© DAV/Marco Kost
“Die alpinen Sicherheitsgespräche stellen eine neue und exzellente Plattform für Fachverbände und Experten des Bergsports dar – auch über Bayern hinaus”, sagte Stefan Winter, der zweite Vorsitzende des Kuratoriums in seiner Begrüßung.

Mehr Mountainbiker: mehr Prävention und Lenkung nötig

Die Teilnehmer der Sicherheitsgespräche stellten fest, dass es immer mehr Menschen mit dem Mountainbike in die Natur zieht – viele suchen die Ruhe, die Erholung, andere das besondere Erlebnis.

Die Ergebnisse der Sicherheitsgespräche:
  • Mountainbiker sind meistens gut ausgerüstet, bei unterschiedlichem Können und individueller Praxiserfahrung werden einzelne Situationen aber oftmals fehleingeschätzt.
  • Die Unfallzahlen für eMountainbikes steigen nicht im selben Maße an, wie deren starke Verbreitung es vermuten ließe.
  • MTB-Guides führen Gruppen souveräner und können mehr Ressourcen für den Mehrwert einer Tour freisetzen, je besser vorbereitet sie sind. Dafür setzen der Deutsche Alpenverein und andere ausbildende Verbände in ihrer MTB-Ausbildung auf ein spezielles Risikomodell und schult gezielt die Tourenplanung.
  • Die aktuellen und „trendigen“ Ausprägungen des MTB-Sports bewegen sich in Bayern vielfach außerhalb der rechtlichen Grenzen des Betretungsrechts und weisen damit neben dem gesellschaftlichen auch ein hohes rechtliches Konfliktpotential auf. Kommt es zu keinen tragfähigen Lösungen, sind „ordnungsrechtliche“ Maßnahmen zu erwarten.
  • Das E-Mountainbiking erhöht den Nutzungsdruck auf die alpinen Räume zusätzlich. Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz fördert deshalb das DAV-Lenkungsprojekt “Bergsport Mountainbike - Nachhaltig in die Zukunft“ und dient somit auch der Umsetzung der Bayerischen Alpenstrategie
  • Verkehrsrechtlich ist ein Mountainbiker/Radfahrer ein Fahrzeugführer oder gar ein Kraftfahrzeugführer (spezielle Varianten des E-Bikes). Es kommen die entsprechenden Verhaltensvorschriften zur Anwendung. Dies muss den Bergsport-Verbänden und Endverbrauchern stärker bewusst gemacht werden.

Gefahren auf Hochtouren im Eis: spezielle Sicherung nötig

Beliebte Hochtouren im Gletscherbereich wie zum Beispiel Großglockner, Piz Palü und Montblanc erfordern eine spezielle Sicherungstechnik mit Seil. Bei den alpinen Sicherheitsgesprächen stellten Experten aus dem Profit- und Non-Profitbereich (Bergführerverbände und Alpenvereine) aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol ihre eigenen Sichtweisen und Lehrmeinungen vor.

Die Ergebnisse der Sicherheitsgespräche:
  • Auf Hochtouren muss die Sicherungstechnik ständig angepasst werden: am halblangen Seil gemeinsam gesichert am Grat gehen, Sichern in Kurzseillängen über Eisaufschwünge, gemeinsamer gleichzeitiger Seiltransport, in Gletscherseilschaft gehen usw.
  • Besonders anspruchsvoll ist das gleichzeitige Gehen am „kurzen Seil“ mit einem oder zwei Geführten, was meist nur von staatl. gepr. Berg- und Skiführern gemacht wird.
  • Ob auch Privatbergsteiger und Ehrenamtliche in Vereinen das „kurze Seil“ anwenden, wird in den Verbänden unterschiedlich gehandhabt. Im ÖAV und AVS wird das Thema in der Ausbildung kurz angesprochen, aber nicht komplett gelehrt. Im DAV gibt es erstmals eine Bewusstseinsmachung und Demonstration der Technik, jedoch nur für absolute Notsituationen. Im SAC wird das kurze Seil verwendet und gelehrt, und das von Beginn der Ausbildung an auf dem entsprechenden Niveau. Der Deutsche, Südtiroler und Österreichische Bergführerverband sieht das „kurze, scharfe Seil“ nicht für den Non-Profit-Bereich geeignet an, während der Schweizer Bergführerverband die Technik niemandem vorenthalten möchte.
  • Einig ist man sich darin, dass Bergsportlerinnen und Bergsportler für Hochtouren eine sehr gute Ausbildung benötigen – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Klimawandels und seiner Auswirkungen auf die Gletscher

Bayerisches Kuratorium als Netzwerk und Think Tank

Um die Menschen vor kritischen Situationen im alpinen Raum besser zu schützen und mehr Bewusstsein für sichere sowie verantwortungsvolle Aktivitäten in den Bergen zu schaffen, wurde das Bayerische Kuratorium für Alpine Sicherheit 2012 gegründet. Einige Organisationen und Verbände führen bereits eine langjährige und erfolgreiche Unfallforschung und -prävention durch. Hier will das Kuratorium Verbindungen schaffen und Lücken schließen. Es hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Unfallforschung zu intensivieren, wissenschaftliche Arbeiten zu fördern und zu koordinieren sowie die Prävention insgesamt auszuweiten.

Erste Vorsitzende des Bayerischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit ist Michaela Kaniber, Mitglied des Bayerischen Landtags. Zweiter Vorsitzender ist Stefan Winter, Ressortleiter Sportentwicklung im Deutschen Alpenverein e.V. Beide zeigten sich hochzufrieden mit den ersten Alpinen Sicherheitsgesprächen in Bayern und sind davon überzeugt, dass die behandelten Themen und Ergebnisse ihre Wirkung in der Präventionsarbeit der Verbände zeigen werden, was letztlich allen Menschen, die Bayerns Berge besuchen, zu gute kommen wird. Dabei ist für die beiden Vorsitzenden klar, dass nicht alle Unfälle und Notlagen verhindert werden können, weil beim Bergsport immer ein Restrisiko bestehen bleibt. Selbständigkeit und Eigenverantwortung liegen immer in den Händen jedes und jeder Einzelnen. "Zudem ist es nicht zielführend, die dem Bergsport innewohnende Freiheit, einer per se illusorischen Null-Unfall-Strategie zu opfern, da dies - durch welche Maßnahmen auch immer - zu nicht gewollten Eingriffen in die Natur und die Freiheit der Menschen führen würde.”, so Stefan Winter.