Auf Wandertour durch die »bleichen Berge«
Durch die Dolomiten - eine elftägige Durchquerung
© Mark Zahel
Über Canazei ragt das gewaltige Sellamassiv auf (li. Piz Ciavazes, re. Piz Pordoi), dahiner die Tofanen und die Gipfel des Ampezzano
Über Canazei ragt das gewaltige Sellamassiv auf (li. Piz Ciavazes, re. Piz Pordoi), dahiner die Tofanen und die Gipfel des Ampezzano
Dass es nun nicht gerade üblich ist, die Dolomiten von West nach Ost zu durchqueren, ist uns ziemlich egal. Schließlich sind wir schon immer gern unsere eigenen Wege gegangen. Und was da mit dem Finger auf der Landkarte erscheint, kann sich wahrlich sehen lassen: Schlern und Seiser Alm, Langkofel und Sella, Pralongià, Nuvolau und Pelmo, Sorapìss und zum krönenden Abschluss die guten alten Sextener. Eine Dolomiten-Transversale zwischen Seis und Sexten steht berühmten Nummernwegen wie dem »Einser« vom Pragser Wildsee nach Belluno ganz sicher in nichts nach.
Machen wir doch einfach die Probe aufs Exempel…
Uns auch. Wir wollen dem bekannten Heimatkundler Josef Rampold Folge leisten, zumal »nur der das Land Südtirol kennt, der es von dieser luftigen Warte einmal geschaut hat«. Von Seis über die malerisch am Waldrand gelegene Schlernbödelehütte und den Touristensteig ist das zwar ein Aufstieg über stramme 1500 Höhenmeter, aber beileibe kein schwieriges Unterfangen. Meistens, wenn ich hier unterwegs bin, erwäge ich jedoch auch die wildere Variante des Gamssteiges, der ganz nah an die Wände des Burgstalls heranrückt und schon so etwas wie ein gefinkelter Schleichweg ist. Die Karte weist ihn gar nicht als offizielle Route aus. In jedem Fall bequemer gibt sich der Touristensteig, mit dem einst das geflügelte Wort von der »Reise auf den Schlern« aufkam. Nachdem sich auf der begrünten Hochfläche beide Routen wieder vereinigt haben, schlendern wir hinüber zu den stattlichen Schlernhäusern und besuchen später natürlich noch die Gipfelblöcke am Petz. Den Zauber der Dämmerstunde hier oben zu erleben, ist schon etwas ganz Besonderes – mit dem Widerschein der Abendsonne in den Felsengemäuern von Rosengarten und Langkofel der Ausdruck purer Bergromantik.
Diesbezüglich sind freilich jedwede Bedenken überflüssig, zumal für Einkehrstationen beim Wandern in den Dolomiten fast im Überfluss gesorgt ist. Die nächste erwartet uns spätestens am Fassajoch, dem Standort der Plattkofelhütte. Und bis zum Sellajoch folgt eine nach der anderen. Nicht umsonst zählt diese seit dem letzten Sachsenkönig als Friedrich-August-Weg bezeichnete Route zu den beliebtesten Panoramameilen weit und breit. In aller Gelassenheit bummeln wir über die grüne »Schneid« zwischen Seiser Alm und Val Duron, halten dabei genau auf das Riesenatoll des Langkofelmassivs zu: Welch’ eine Silhouette! Neben dem stolzen Hauptgipfel prägt sich besonders die ebenmäßige Schräge des Plattkofels ein. Über den etwa 30 Grad geneigten Riffhang lässt sich der Berg – übrigens als einziger der Gruppe – leicht besteigen.
Wir wollen diese Sellaburg nun »einnehmen«, bis zum höchsten Punkt hinauf! Mit dem Pößnecker Klettersteig sollte jedoch wirklich nur liebäugeln, wer auch einen schweren Rucksack über eine nahezu senkrechte Mauer hinauftragen kann. Weil dies mit Wandern nicht mehr allzu viel zu tun hat, schlagen wir jenen Weg ein, den uns das canyonartige Val Lasties öffnet – eine beeindruckende, wie von Titanenhand geschlagene Kerbe. Fast glaubt man, die Felsmassen über dem eigenen Kopf zusammenstürzen zu sehen. Und oben erwartet uns dann der landschaftliche Kontrapunkt schlechthin: eine riesige, steinern-bleiche Hochfläche, auf der kein Halm wächst und wo man sich unweigerlich auf den Mond versetzt fühlt. Nur die Gipfelpyramide des Piz Boè sitzt dem Flachdach nochmals oben auf – ein Schauinsland, den wir uns keinesfalls entgehen lassen wollen. Man blickt ringsum in die vier ladinischen Täler und ist wohl am meisten fasziniert von der »Königin der Dolomiten« in ihrem pompösen Gletschergewand: »Marmolèda – ti es regina...«, wird sie in einem alten Volkslied besungen.
Machen wir doch einfach die Probe aufs Exempel…
Eine Reise auf den Schlern
Da flaniert man nun inmitten sattgrüner Wiesenlandschaften und blickt auf einen mächtigen Gebirgsstock, der pathetisch als »Epos aus Stein« tituliert wurde und als Spiegelbild dessen, was die Südtiroler unter der Seele ihres Landes verstehen. Markant ragt der Schlern über der Eisacktaler Mittelgebirgsterrasse um Seis, Kastelruth und Völs auf, zeigt sich mit seinen Leibwächtern namens Santner- und Euringerspitze insbesondere auch zur Seiser Alm hin unverwechselbar und kommt bis nach Bozen hinaus gut zur Geltung. Sagen und Legenden umranken diesen Berg, archäologische Funde belegen am sogenannten Burgstall einen Kultplatz, der bis in die jüngere Eisenzeit zurückreichen soll. Der Schlern hat die Menschen also schon immer magisch angezogen.Uns auch. Wir wollen dem bekannten Heimatkundler Josef Rampold Folge leisten, zumal »nur der das Land Südtirol kennt, der es von dieser luftigen Warte einmal geschaut hat«. Von Seis über die malerisch am Waldrand gelegene Schlernbödelehütte und den Touristensteig ist das zwar ein Aufstieg über stramme 1500 Höhenmeter, aber beileibe kein schwieriges Unterfangen. Meistens, wenn ich hier unterwegs bin, erwäge ich jedoch auch die wildere Variante des Gamssteiges, der ganz nah an die Wände des Burgstalls heranrückt und schon so etwas wie ein gefinkelter Schleichweg ist. Die Karte weist ihn gar nicht als offizielle Route aus. In jedem Fall bequemer gibt sich der Touristensteig, mit dem einst das geflügelte Wort von der »Reise auf den Schlern« aufkam. Nachdem sich auf der begrünten Hochfläche beide Routen wieder vereinigt haben, schlendern wir hinüber zu den stattlichen Schlernhäusern und besuchen später natürlich noch die Gipfelblöcke am Petz. Den Zauber der Dämmerstunde hier oben zu erleben, ist schon etwas ganz Besonderes – mit dem Widerschein der Abendsonne in den Felsengemäuern von Rosengarten und Langkofel der Ausdruck purer Bergromantik.
Über das Tierser Alpl zum Langkofelstock
Am anderen Morgen erwachen wir wunschgemäß hoch über allen Tälern der Dolomiten. Die Sonne begrüßt uns und verspricht einen neuen herrlichen Tag in den Dolomiten. Vielleicht mag jemand nochmals zum Petz hinaufsteigen, es sind ja höchstens 20 Minuten. Oder ein Stück weiter zur Abbruchkante am Burgstall, wo man einen gewaltigen Tiefblick über die vorgelagerten Schlernzacken auf die grünen Hangterrassen und die Seiser Alm erhascht. Anschließend geht’s über den weitläufigen Plateaurücken der Schlerntafel weiter Richtung Tierser Alpl. Wer’s zünftig bevorzugt, verlässt dabei den normalen Wanderweg und überschreitet auf dem teilweise luftigen, aber gut gesicherten Maximiliansteig den Grat zwischen Roterdspitze und Großem Rosszahn: ein prickelnder Kraxelspaß über den Wiesenwogen der größten Hochweide der Alpen. Die Rosengartenkulisse zur anderen Seite hat man so oder so voll im Blick. Und jener auf das knallrote Dach der Tierser-Alpl-Hütte lässt uns derweil schon an Zapfhähne und Fleischtöpfe denken, denn von schöner Landschaft allein kann der Wanderer ja auch nicht leben.Diesbezüglich sind freilich jedwede Bedenken überflüssig, zumal für Einkehrstationen beim Wandern in den Dolomiten fast im Überfluss gesorgt ist. Die nächste erwartet uns spätestens am Fassajoch, dem Standort der Plattkofelhütte. Und bis zum Sellajoch folgt eine nach der anderen. Nicht umsonst zählt diese seit dem letzten Sachsenkönig als Friedrich-August-Weg bezeichnete Route zu den beliebtesten Panoramameilen weit und breit. In aller Gelassenheit bummeln wir über die grüne »Schneid« zwischen Seiser Alm und Val Duron, halten dabei genau auf das Riesenatoll des Langkofelmassivs zu: Welch’ eine Silhouette! Neben dem stolzen Hauptgipfel prägt sich besonders die ebenmäßige Schräge des Plattkofels ein. Über den etwa 30 Grad geneigten Riffhang lässt sich der Berg – übrigens als einziger der Gruppe – leicht besteigen.
Die ladinische Festung
Wir haben den Bannkreis der Langkofelgruppe noch nicht einmal ganz verlassen, da baut sich mit der Sella schon das nächste Bollwerk unmittelbar vor uns auf. In diesem wuchtigen, zweigeschossigen Naturmonument treffen die vier ladinischen Talschaften Badia, Buchenstein, Fassa und Gröden aufeinander und bilden gleichsam das Herz der Dolomiten. Es handelt sich um eine Insel des rätoromanischen Kulturraums, der vor rund 2000 Jahren aus einer »Mischehe« zwischen der rätischen Urbevölkerung und den römischen Invasoren hervorging, einst weite Bereiche der Ostalpen einnahm und im Zuge der germanischen Völkerwanderung schließlich zersplitterte. Heute existieren nur noch Relikte in Graubünden, dem Friaul und eben hier rund um die Sella, wo die Rätoromanen Ladiner heißen.Wir wollen diese Sellaburg nun »einnehmen«, bis zum höchsten Punkt hinauf! Mit dem Pößnecker Klettersteig sollte jedoch wirklich nur liebäugeln, wer auch einen schweren Rucksack über eine nahezu senkrechte Mauer hinauftragen kann. Weil dies mit Wandern nicht mehr allzu viel zu tun hat, schlagen wir jenen Weg ein, den uns das canyonartige Val Lasties öffnet – eine beeindruckende, wie von Titanenhand geschlagene Kerbe. Fast glaubt man, die Felsmassen über dem eigenen Kopf zusammenstürzen zu sehen. Und oben erwartet uns dann der landschaftliche Kontrapunkt schlechthin: eine riesige, steinern-bleiche Hochfläche, auf der kein Halm wächst und wo man sich unweigerlich auf den Mond versetzt fühlt. Nur die Gipfelpyramide des Piz Boè sitzt dem Flachdach nochmals oben auf – ein Schauinsland, den wir uns keinesfalls entgehen lassen wollen. Man blickt ringsum in die vier ladinischen Täler und ist wohl am meisten fasziniert von der »Königin der Dolomiten« in ihrem pompösen Gletschergewand: »Marmolèda – ti es regina...«, wird sie in einem alten Volkslied besungen.
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Vom Schlern zu den Drei Zinnen - Mark Zahel
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 08/2010. Jetzt abonnieren!
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