Facettenreiche Touren in den Pragser Dolomiten | BERGSTEIGER Magazin
Tourenziele im Naturpark Fanes-Sennes-Prags

Facettenreiche Touren in den Pragser Dolomiten

Wildsee und Plätzwiese heißen die bekannten touristischen Hotspots in den Pragser Dolomiten. Wer hinter die Fassade blickt, entdeckt eine facettenreiche alpine Landschaft mit eigenwilligen Formen. Folgen Sie unseren Streifzügen durch den Naturpark Fanes-Sennes-Prags!
 
Eine Hochalm im Tourenparadies Pragser Dolomiten © Mark Zahel
Eine Hochalm im Tourenparadies Pragser Dolomiten
Frühmorgens kann man den Zauber noch erleben. Kein Lüftchen regt sich, spiegelglatt liegt der See da und nur das Krächzen eines Tannenhähers durchbricht von Zeit zu Zeit die Stille. Während ganz oben der Scheitel des Seekofels das erste Sonnenlicht des jungen Tages empfängt, hat das schemenhafte Dämmerlicht den tiefen Kessel des Pragser Wildsees noch im Griff. Kaum zu glauben, wie sich dieses mystische Fleckchen binnen weniger Stunden in einen Rummelplatz verwandeln wird.

Tiefblick über dem Pragser Wildsee

Simone und Jochen entschwinden währenddessen lieber in die höheren Stockwerke der Pragser Dolomiten. Da gibt es so viel Auslauf, dass sich Wanderer bestimmt nicht gegenseitig auf die Füße treten. Mit dem Seekofel haben sie heute die klassische Bergtour über dem Pragser Wildsee gewählt. Die Route durchs Nabige Loch und den Ofen bildet im Übrigen auch den Auftakt zum großen Dolomiten-Höhenweg Nr. 1, der binnen zehn oder zwölf Tagen bis Belluno führt. Einen starken Kontrast liefert auf der anderen Seite die Sennes-Hochfläche, ein kupiertes Landschaftsmosaik, das von wenigen Wegen und Pfaden durchzogen wird. Außer der Seekofelhütte wird hier vor allem die Senneshütte angelaufen, letztere freilich eher von Pederü im inneren Rautal. Ende der Dreißigerjahre errichteten die Palfraders aus dem Enneberg den komfortablen Stützpunkt für Wanderer und Skitourengeher. Je nach Licht und Wetter liegt manchmal eine herbschöne Melancholie über dem Sennesgebiet, getragen von der Weitläufigkeit des Geländes, das nicht dolomitentypisch schroff, wohl aber ein wenig spröde wirkt.

Träumen am Hochalmsee

Über das Sennesjoch lässt sich ein recht ausgefallener Übergang ins einsame Krippestal absolvieren; über die Seitenbachscharte gelangt man hingegen ins ähnlich wildromantische Grünwaldtal und damit auch zurück zum Pragser Wildsee. Bei den Hochalmhütten (ladinisch Fojedöra) entfaltet sich der volle Reiz dieser Talfurche. Nicht zu vergessen: Einen See gibt’s auch hier oben! Simone und Jochen lassen ihrer Entdeckungslust mal wieder freien Lauf und erkunden eine halbe Gehstunde weiter den an Liebreiz kaum zu überbietenden Hochalmsee – ein Platz zum Träumen in 2252 Metern Höhe! Damit sind sie freilich schon recht nah dran an der nördlichen Gipfelkette der Pragser Dolomiten, die vom Piz da Peres bis zum Hochalpenkopf reicht und aus Pustertaler Perspektive – namentlich aus dem Olanger Talkessel betrachtet – ein ansehnliches Kulissenbild formiert. Simone und Jochen beschreiten die Kammlinie zwischen Maurerkopf und Hochalpenkopf, um einmal mehr in landschaftlichen Gegensätzen zu schwelgen. Während die Nordseite in grimmig-düsteren Schrofen abbricht, erstreckt sich auf der Südabdachung ein Hochweidengelände par excellence.

Panoramarausch in den Pragser Dolomiten

Nach dem Wildsee ist die Plätzwiese der zweite Hauptanziehungspunkt im Bereich der Pragser Dolomiten. Auch wenn es aufgrund des Straßenanschlusses nicht gerade einsam zugeht – einen Bummel über die Plätzwiese sollte sich niemand entgehen lassen. Zuhinterst bei der Dürrensteinhütte und dem ehemaligen österreichischen Sperrfort wird man bereits vom wuchtigen Cristallo in Bann gezogen, einer Kulisse, die so recht ins Dolomitenformat passt. Simone möchte nun entweder auf den vielgepriesenen Dürrenstein oder auf den Höhenweg zur Rossalm, der quer durch die Flanken des unnahbaren Gaislstocks führt. »Machen wir doch einfach beides und übernachten in der Dürrensteinhütte«, schlägt Jochen vor. Gesagt, getan.

Die lange Diagonale durch die etwas einförmige Südwestflanke lässt den Stellenwert als einer der Pragser Paradegipfel noch nicht unbedingt erkennen. Erst kurz vor Schluss ruft eine Schmalstelle am Grat leichten Nervenkitzel hervor, ehe der Dürrenstein endlich seine Trumpfkarte in Form eines spektakulären Panoramas ausspielt. Dabei erweist sich auch dieser Berg als Janusgestalt: relativ harmlos auf der einen, wild zerklüftet auf der anderen Seite. Abwechslungsreich und reich an urwüchsigem Charme gestaltet sich der Höhenweg über die Gaiselleite, gleichsam um den Bauch des mächtigsten und höchsten Massivs der Pragser Dolomiten. »Ich hätte nicht gedacht«, dass es hier im Pragser Hinterland so viel zu entdecken gibt, frohlockt Simone. »Wenn man drunten beim Grandhotel am Pragser Wildsee im Touristenkorso flaniert, macht man sich ja kein Bild davon, wie es hier oben ausschaut«.

Infos zur Tourenregion Pragser Dolomiten:

Anreise: Von Norden über den Brenner bis Autobahnausfahrt Brixen, im Pustertal bis hinter Welsberg, wo das Pragser Tal abzweigt. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln per Bahn bis Niederdorf, dann mit dem Linienbus weiter nach Prags (bis Pragser Wildsee oder Plätzwiese möglich)
Informationen: Tourismusverein Pragser Tal, Außerprags 78, I-39030 Prags, Tel. 00 39/04 74/74 86 60, www.pragsertal.info
Literatur: Mark Zahel »Die schönsten Wanderungen Drei Zinnen – Sextner und Pragser Dolomiten«, Athesia Verlag, 2014
Karte: Tabacco 1:25 000, Blatt 031 »Pragser Dolomiten – Enneberg«
Mark Zahel
Fotos: 
Mark Zahel
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 07/2015. Jetzt abonnieren!
 
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