Eisenwege im Berner Oberland
Klettersteige im Schatten des Eiger
© Folkert Lenz
Ein richtiger Klettersteiggipfel: das Schwarzhorn (2928 m) im Berner Oberland
Ein richtiger Klettersteiggipfel: das Schwarzhorn (2928 m) im Berner Oberland
Irgendwie hat dieser Mann vor allem einen Drang: bergab! Vielleicht liegt es daran, dass Martin Schürmann auch Basejumper ist, also mit Fallschirmen von hohen Klippen springt. Die Mürrenfluh ist solch eine Klippe. Grau, senkrecht, abweisend steht diese 650 Meter hohe Felsmauer trutzig über dem Lauterbrunnental. Schickt gelegentlich einen spritzigen Wasserfall in die Tiefe – sehr zur Freude der Touristen, die in dem Tal zwischen Lauterbrunnen und Stechelberg herumspazieren. Dort also hat der Bergführer aus Wilderswil vor ein paar Jahren einen Klettersteig gebaut. Aber irgendwie ein bisschen anders als gewohnt, irgendwie falsch: Häufig geht es nämlich abwärts und nicht bergan! Von Mürren nach Gimmelwald führt die mehr als zwei Kilometer lange Ferrata und verbindet so die beiden Alpdörfer, die auf einer Art Sonnenterrasse hoch über dem Lauterbrunnental residieren. Schon der Einstieg in den Steig ist ungewöhnlich: Dunkel sieht es hinter einer Holztür aus, die Martin aufsperrt.
»In diesem Tunnel war früher ein Stromkraftwerk«, erzählt er seinen heutigen Begleiterinnen, Anja und Seline, die ihm zögernd folgen. Nach wenigen Metern entlässt sie der Stollen wieder ins warme Sonnenlicht. An einer Mauer beginnt das Drahtseil, dem sie die nächsten drei Stunden folgen werden. Und dann geht es erst mal steil bergab! Über erdige Stufen sind schnell die Felsen der Mürrenfluh erreicht, von oben her. Bis hinüber nach Gimmelwald zieht sich die Abbruchkante und bildet so etwas wie eine logische Linie für den Steig. Mehr Luft unter den Sohlen geht im Lauterbrunnental nicht – und das hat Martin Schürmann so gewollt. Anfangs noch auf Felsbändern, später immer häufiger auf Stahlsprossen, tänzeln die beiden jungen Frauen über dem Abgrund. Seline hat sichtlich Schwierigkeiten, sich an den Tiefblick zu gewöhnen. Anja dagegen fängt immer breiter an zu grinsen, je ausgesetzter die Passagen werden. Technisch ist der Klettersteig nicht allzu schwer. Aber an vielen Stellen muss der innere Schweinehund niedergerungen werden beim Psycho- Balanceakt hoch über den Häusern von Stechelberg.
Der Blick fällt ins Bodenlose an der Stelle, die den Namen »Hammerecke« trägt. Martin schmunzelt: »Wir nennen diesen Ort auch das stille Eck. Weil fast alle meine Gäste hier sehr, sehr still werden…« Entspannung dann in der nächsten Passage hinüber zum Mürrenbach. Dort wartet eine Tyrolienne. Wie im Flug überquert das Duo den Wasserfall mittels der Seilrutsche. Scheinbar haltlos schweben Anja und Seline über Wiesen und Bäumen des Lauterbrunnentals. Martin macht den Bremser und sorgt per Seilsicherung für eine weiche Landung auf der anderen Seite der Klamm. Puh!
Aufatmen wollen Seline und Anja erst wieder, als sie ihre Klettersteigkarabiner aus dem Drahtseil klinken dürfen, das ein paar Minuten später endet, direkt an der Luftseilbahn von Gimmelwald. Die beiden sind zufrieden, als sie den Event- Klettersteig verlassen. Eine solche Anlage mit hohem Kribbel-Faktor reizt Novizen offenbar sehr, während mancher Alpinist bisweilen die Nase rümpft, weil sie die Bergwelt zum Abenteuer-Parcours degradiert. Nur: Die hartgesottenen Alpinisten bilden auch nicht die große Masse, die das Geld in die Kassen der Tourismusgemeinden spülen.
Obwohl das Berner Oberland eher für seine 4000er-Riesen bekannt ist und deshalb von Hochtourengehern angesteuert wird: Ferratisti bekommen rund um Lauterbrunnen und Grindelwald einiges geboten. Auch am Eiger ist vor rund 15 Jahren ein Drahtseil gezogen worden. Leicht zu erreichen ist der Steig von der Kleinen Scheidegg aus. Und er ist ein Genuss vor allem für die, die keinen Adrenalin-Kick suchen. Auf den Rotstock (2663 m) – ein Bollwerk im Westgrat des Eigers – führt die Linie. Nordwand-Feeling inklusive! Denn der Start liegt direkt am Fuß der Eiger-Nordwand. Ein paar steile Leitern zu Beginn müssen auch Drahtseil-Anfänger nicht schrecken. Über breite Bänder gewinnt man in der Rotstock-Schlucht schnell an Höhe. Immer wieder könnten die Hände in dem wenig ausgesetzten Gelände auch in die Hosentaschen wandern, wenn nicht die Sicherungskarabiner ständig bedient werden wollten.
Nur bei Nässe oder gar Schnee mögen die dachziegelartig abwärts geschichteten Kalkplatten auch dem versierten Berggeher Unbehagen bereiten. An schönen und trockenen Tagen kann die Vormittags-Spritztour auch Eltern empfohlen werden, die ihrem Nachwuchs ein wenig Bergabenteuer bieten wollen. Vom flachen Gipfelplateau neben dem hölzernen Kreuz lässt sich dann vortrefflich Richtung Jungfraugipfel spitzen. Ganz nah: Die zerschrundenen Eiskaskaden im Abbruch des Mönchs, die sich weiter unten zum Eigergletscher vereinigen. Und mit etwas Glück trifft man am Rotstock auch auf Eiger-Aspiranten, die seine Westflanke zum Abstieg nutzen. Ob sie wohl durch die Nordwand gekommen sind, fragt sich mancher angesichts abgekämpft wirkender Gesichter?
Tags darauf an der Bergstation der First-Bahn. Dort wartet schon Hansueli Klossner. Der Bergführer aus Grindelwald weist hinauf zu den dunklen Felsen, die heute das Ziel sein sollen: »Das Schwarzhorn ist immerhin der höchste Voralpengipfel der Jungfrau- Region.« Es ist die liebliche Seite des Tals. Welch ein Gegensatz! Hier die Almwiesen, drüben die Viertausender-Welt. Denn direkt gegenüber baut sich die mächtige Gebirgsmauer vom Wetterhorn bis zum Mönch auf. Finsteraarhorn und die Fiescherhörner lugen herüber, auch die Eiger-Nordwand lässt sich von hier gut einsehen. Im Kuhglockengebimmel geht es bergan.
Zwischen riesigen Steinblöcken im Chrinnenboden wandern Gurtzeug und Helme aus dem Rucksack und Hansueli zeigt dorthin, wo Metall am Schwarzhorn-Grat in der Sonne blinkt. »Das ist die Crux dort oben«, meint er schmunzelnd und mancher Blick richtet sich sorgenvoll zu der Stelle, wo sich mehrere Aluleitern aneinander reihen. An Ketten und Seilen geht es nun zur breiten Gratschneide hinauf. Technisch einfach. Aber wenn das »Angsteck« noch wartet? Knapp hundert Meter über den Geröllfeldern beginnt schließlich die erschreckende Leiterreihe. Doch siehe da: Ohne Probleme meistert jeder die Stelle. Ohne Zögern, mancher auch, ohne nach unten zu schauen – schnell ist die Passage absolviert. Über flacheres Gelände erreichen alle den Gipfel (2928 m). Weit entfernt zeichnet sich der Vierwaldstättersee ab. Die Höhen von Rigi und Pilatus tauchen am Horizont auf. Immerhin: ein richtiger Gipfel. Auch wenn das Schwarzhorn eingeklemmt zwischen den Berggiganten von Engelhörnern, Wetterhorn und Eiger nicht so richtig zur Geltung kommt: Die Drahtseil-Novizen haben trotzdem ihren kleinen, ganz persönlichen Triumph. Adrenalin-Faktor hin, Naserümpfen der Alpinisten her.
Schwarzhorn-Klettersteig
Eiger-Rotstock-Klettersteig
»In diesem Tunnel war früher ein Stromkraftwerk«, erzählt er seinen heutigen Begleiterinnen, Anja und Seline, die ihm zögernd folgen. Nach wenigen Metern entlässt sie der Stollen wieder ins warme Sonnenlicht. An einer Mauer beginnt das Drahtseil, dem sie die nächsten drei Stunden folgen werden. Und dann geht es erst mal steil bergab! Über erdige Stufen sind schnell die Felsen der Mürrenfluh erreicht, von oben her. Bis hinüber nach Gimmelwald zieht sich die Abbruchkante und bildet so etwas wie eine logische Linie für den Steig. Mehr Luft unter den Sohlen geht im Lauterbrunnental nicht – und das hat Martin Schürmann so gewollt. Anfangs noch auf Felsbändern, später immer häufiger auf Stahlsprossen, tänzeln die beiden jungen Frauen über dem Abgrund. Seline hat sichtlich Schwierigkeiten, sich an den Tiefblick zu gewöhnen. Anja dagegen fängt immer breiter an zu grinsen, je ausgesetzter die Passagen werden. Technisch ist der Klettersteig nicht allzu schwer. Aber an vielen Stellen muss der innere Schweinehund niedergerungen werden beim Psycho- Balanceakt hoch über den Häusern von Stechelberg.
Der Blick fällt ins Bodenlose an der Stelle, die den Namen »Hammerecke« trägt. Martin schmunzelt: »Wir nennen diesen Ort auch das stille Eck. Weil fast alle meine Gäste hier sehr, sehr still werden…« Entspannung dann in der nächsten Passage hinüber zum Mürrenbach. Dort wartet eine Tyrolienne. Wie im Flug überquert das Duo den Wasserfall mittels der Seilrutsche. Scheinbar haltlos schweben Anja und Seline über Wiesen und Bäumen des Lauterbrunnentals. Martin macht den Bremser und sorgt per Seilsicherung für eine weiche Landung auf der anderen Seite der Klamm. Puh!
Der Adrenalin-Spiegel steigt
Bleibt noch das versprochene Highlight, zu dem das Trio sich nun über einen mäßig aufregenden Waldsteig hinarbeitet. Zeit, ein bisschen Adrenalin abzubauen. Doch der Pegel der körpereigenen Droge steigt schnell wieder an, als die Nepal-Brücke in Sicht kommt, die das Finale bildet. Eine wackelige Drahtseilbrücke weit droben über dem Gehrenlammgraben – sehr hoch und ohne Geländer! Ganz weit unten tost der Bach. Doch wer mag in 300 Meter Höhe über Grund schon einen Blick neben den metallenen Steg werfen, der einen sicher auf die andere Seite bringen soll?Aufatmen wollen Seline und Anja erst wieder, als sie ihre Klettersteigkarabiner aus dem Drahtseil klinken dürfen, das ein paar Minuten später endet, direkt an der Luftseilbahn von Gimmelwald. Die beiden sind zufrieden, als sie den Event- Klettersteig verlassen. Eine solche Anlage mit hohem Kribbel-Faktor reizt Novizen offenbar sehr, während mancher Alpinist bisweilen die Nase rümpft, weil sie die Bergwelt zum Abenteuer-Parcours degradiert. Nur: Die hartgesottenen Alpinisten bilden auch nicht die große Masse, die das Geld in die Kassen der Tourismusgemeinden spülen.
Obwohl das Berner Oberland eher für seine 4000er-Riesen bekannt ist und deshalb von Hochtourengehern angesteuert wird: Ferratisti bekommen rund um Lauterbrunnen und Grindelwald einiges geboten. Auch am Eiger ist vor rund 15 Jahren ein Drahtseil gezogen worden. Leicht zu erreichen ist der Steig von der Kleinen Scheidegg aus. Und er ist ein Genuss vor allem für die, die keinen Adrenalin-Kick suchen. Auf den Rotstock (2663 m) – ein Bollwerk im Westgrat des Eigers – führt die Linie. Nordwand-Feeling inklusive! Denn der Start liegt direkt am Fuß der Eiger-Nordwand. Ein paar steile Leitern zu Beginn müssen auch Drahtseil-Anfänger nicht schrecken. Über breite Bänder gewinnt man in der Rotstock-Schlucht schnell an Höhe. Immer wieder könnten die Hände in dem wenig ausgesetzten Gelände auch in die Hosentaschen wandern, wenn nicht die Sicherungskarabiner ständig bedient werden wollten.
Nur bei Nässe oder gar Schnee mögen die dachziegelartig abwärts geschichteten Kalkplatten auch dem versierten Berggeher Unbehagen bereiten. An schönen und trockenen Tagen kann die Vormittags-Spritztour auch Eltern empfohlen werden, die ihrem Nachwuchs ein wenig Bergabenteuer bieten wollen. Vom flachen Gipfelplateau neben dem hölzernen Kreuz lässt sich dann vortrefflich Richtung Jungfraugipfel spitzen. Ganz nah: Die zerschrundenen Eiskaskaden im Abbruch des Mönchs, die sich weiter unten zum Eigergletscher vereinigen. Und mit etwas Glück trifft man am Rotstock auch auf Eiger-Aspiranten, die seine Westflanke zum Abstieg nutzen. Ob sie wohl durch die Nordwand gekommen sind, fragt sich mancher angesichts abgekämpft wirkender Gesichter?
Tags darauf an der Bergstation der First-Bahn. Dort wartet schon Hansueli Klossner. Der Bergführer aus Grindelwald weist hinauf zu den dunklen Felsen, die heute das Ziel sein sollen: »Das Schwarzhorn ist immerhin der höchste Voralpengipfel der Jungfrau- Region.« Es ist die liebliche Seite des Tals. Welch ein Gegensatz! Hier die Almwiesen, drüben die Viertausender-Welt. Denn direkt gegenüber baut sich die mächtige Gebirgsmauer vom Wetterhorn bis zum Mönch auf. Finsteraarhorn und die Fiescherhörner lugen herüber, auch die Eiger-Nordwand lässt sich von hier gut einsehen. Im Kuhglockengebimmel geht es bergan.
Zwischen riesigen Steinblöcken im Chrinnenboden wandern Gurtzeug und Helme aus dem Rucksack und Hansueli zeigt dorthin, wo Metall am Schwarzhorn-Grat in der Sonne blinkt. »Das ist die Crux dort oben«, meint er schmunzelnd und mancher Blick richtet sich sorgenvoll zu der Stelle, wo sich mehrere Aluleitern aneinander reihen. An Ketten und Seilen geht es nun zur breiten Gratschneide hinauf. Technisch einfach. Aber wenn das »Angsteck« noch wartet? Knapp hundert Meter über den Geröllfeldern beginnt schließlich die erschreckende Leiterreihe. Doch siehe da: Ohne Probleme meistert jeder die Stelle. Ohne Zögern, mancher auch, ohne nach unten zu schauen – schnell ist die Passage absolviert. Über flacheres Gelände erreichen alle den Gipfel (2928 m). Weit entfernt zeichnet sich der Vierwaldstättersee ab. Die Höhen von Rigi und Pilatus tauchen am Horizont auf. Immerhin: ein richtiger Gipfel. Auch wenn das Schwarzhorn eingeklemmt zwischen den Berggiganten von Engelhörnern, Wetterhorn und Eiger nicht so richtig zur Geltung kommt: Die Drahtseil-Novizen haben trotzdem ihren kleinen, ganz persönlichen Triumph. Adrenalin-Faktor hin, Naserümpfen der Alpinisten her.
So bleiben Sie immer auf dem neuesten Stand!Die aktuellen Neuigkeiten von BERGSTEIGERauch auf Facebook.Klicken Sie aufNein, ich möchte kein Facebook Fan werden.Ich bin schon Fan.Vielen Dank.Klettersteige im Berner Oberland:
Schwarzhorn-KlettersteigSo bleiben Sie immer auf dem neuesten Stand!
Die aktuellen Neuigkeiten von BERGSTEIGER
auch auf Facebook.
Klicken Sie auf
Nein, ich möchte kein Facebook Fan werden.
Ich bin schon Fan.
Vielen Dank.
Eiger-Rotstock-Klettersteig
Fotos:
Folkert Lenz
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 04/2014. Jetzt abonnieren!
Mehr zum Thema