Bergfilm-Festival Tegernsee: Siegerfilme gekürt | BERGSTEIGER Magazin

Bergfilm-Festival Tegernsee: Siegerfilme gekürt

Mit einer feierlichen Preisverleihung in Anwesenheit der Präsidentin des Bayerischen Landtags, Ilse Aigner, wurden am Abschlussabendv beim 17. internationalen Bergfilm-Festival Tegernsee im schönen Barocksaal des Schlosses die Siegerfilme bekanntgegeben und ausgezeichnet. Die bedeutendste Auszeichnung, der große Preis der Stadt Tegernsee, ging an "This Mountain Life" von Grant Baldwin und Jenny Rustemeyer, Kanada.
 
Jury, Veranstalter und die anwesenden Sieger bei der Preisverleihung im Barocksaal am Tegernsee © Petra Rapp
Jury, Veranstalter und die anwesenden Sieger bei der Preisverleihung im Barocksaal am Tegernsee
„Es muss nicht alles perfekt sein, aber alles muss stimmen.“ So könnte man die Suche der diesjährigen Jury mit Linda Cottino (Italien), Lisa Röösli (Schweiz), Dagmar Steigenberger (Deutschland, Bergsteiger-Redakteurin), Lisa Stolze (Österreich) und Alexander Donev (Bulgarien) nach den besten Filmen umschreiben. Denn dann funktioniert ein Film: Spannende Bilder, die hängen bleiben, die nachwirken und vielleicht sogar erst später ihre Aussage ganz offenbaren. Das ist wohl eher nicht der Fall, wenn Leute nur über sich selbst und ihre Leistung sprechen. Interessant wird es erst, wenn es ein Filmemacher schafft, „auch im Erfolg das Drama zu erkennen“, erklärt die Jury. Vorbildhaft gelungen sei dies im oscargekrönten Kletterfilm „Free solo“ mit Alex Honnold, der in Tegernsee außerhalb des Wettbewerbs gezeigt wurde. 

Welche Filme die Jury in den einzelnen Kategorien darüber hinaus begeistert haben, zeigt die diejährige Siegerliste:
 

Großer Preis der Stadt Tegernsee:
„This Mountain Life“ – „die Magie der Berge“ von Grant Baldwin und Jenny Rustemeyer, Kanada

Vater-Sohn-Geschichten auf dem Hintergrund der Berge sind nicht so selten.  Ganz neu war für uns aber, dass dieser Film das große Bergabenteuer einer Mutter und ihrer Tochter erzählt. Wir begegnen zwei starken, liebenswerten Frauen, die zusammen auf Skiern 2300 km von Vancouver nach Alaska bestreiten. Der Filmemacher hält diese große Reise nicht nur mit eindrücklichen, sorgfältig komponierten Bildern fest, sondern es gelingt ihm auch, den Fokus zu erweitern und der Frage nachzugehen, was Menschen in der Bergwelt suchen und teilweise sogar finden.

Kategorie Naturraum Berg: 
„Iceberg Nations“ von Fernando Martín Borlán, Spanien
Der Film entlarvt auf poetische und artistische Weise die Idee von Landbesitz und Nationalstaat. Er hinterfragt vor allem die Macht dieser Konzepte vor dem Hintergrund der Klimaerwärmung. Witzig und kreativ wird der verschwindende Eisberg zur Metapher für menschliche Konstrukte, die zur Bewältigung der Klimaproblematik nicht taugen. Und das alles in vier Minuten.

Erlebnisraum Berg: 
„The Pathan Project“ von Guillaume Broust, Belgien
Warum fahren wir nach Pakistan an gefährliche und unerforschte Berge, wenn wir uns auch zuhause austoben könnten? Eine Antwort, die dieser ungewöhnliche Expeditionsfilm auf diese Frage gibt: wir wollen Spaß haben. Es gelingt dem Film, trotz Unfällen und Rückschlägen herausragende Leistungen am Fels zu dokumentieren und dabei nie den augenzwinkernden, selbstironischen Blick zu verlieren. Ebenso überzeugend fanden wir die witzige Erzählweise mit fiktionalen Rückblenden und Parodien auf berühmte Filme.

Lebensraum Berge: 
„Spirit“ von Jane Dyson, Ross Harrison, Australien
Irgendwo in einem Dorf im indischen Gharwal Himalya. Die Geister haben sich immer höher in die Berge zurückgezogen, sagt eine der einheimischen Frauen, denen die Filmemacher sehr nahe kommen.  Der Film zeigt eine zerbrechliche Welt, bedroht von den zentrifugalen Kräften der Moderne. Aber er zeigt auch die Rituale rund um die Anrufung der Geister, die die Menschen wieder zusammen bringen.
Zum Glück wird der Zuschauer nicht selbst direkt von den Geistern erfasst, aber er kann sich zumindest nicht dem Sog der einzigartigen Bilder und der gelungenen Montage entziehen.

Otto-Guggenbichler-​Nachwuchspreis: 
„Höhenmeter“ von 
Dominik und Julian Weigand, Deutschland
Die zwei Protagonisten dieser Geschichte sind außergewöhnlich für das Genre Bergfilm, das sich gerne mit körperlichen Höchstleistungen, Grenzerfahrungen und Eroberungen des Sinnlosen beschäftigt. Die sympathischen Rosenheimer Studenten haben etwas entdeckt, das sie den heimischen Bergen zurückgeben können und machen sich mit Freude und Selbstverständlichkeit an die Umsetzung ihrer Pläne. Es ist eine leise, besondere Geschichte, die ohne klassische Berghelden auskommt und in schönen Bildern erzählt, dass man doch etwas verändern kann.

Bemerkenswerte Kameraleistung: 
„Bayandalai – Lord of the Taiga“ von Aner Etxebarria Moral, Pablo Vidal Santos, Spanien
Ein alter Rentierhirte erzählt von seinem Leben, eingebettet in die raue Natur der Taiga und ins schicksalhafte Wirken der Götter. Die Kamera ergänzt seine Erzählung mal mit ganz nahen Detailaufnahmen, mal mit der Totalen von weit oben (aus der Sicht der Götter quasi). In einfachen Gegenständen – im spiegelnden Inhalt einer Teetasse, in den knorpeligen Fingern zwischen den Fellhaaren – findet sie poetische Bilder für den großen Kreislauf des Werdens und Vergehens.

Besonderer Film:
„Riafn“ von Hannes Lang, Deutschland
Der Film ist ein außergewöhnliches Portrait einzelner Menschen, die auf entlegenen Almen leben. Es ist eine überraschende Erfahrung, in die Welt der althergebrachten Kommunikation von Mensch, Natur und Tier einzutauchen. Dank akustischem Reichtum und ausdrucksstarken Bildern entsteht eine filmische Meditation vor alpiner Kulisse.

Lobende Erwähnungen: 
„Marcher pour Genna“ – „auf dem Pilgerweg zum Weihnachtsfest“ von Frédéric Furnelle, Olivier Bourguet, Belgien
Die Filmemacher wandern mehrere Wochen auf einem Pilgerweg in Äthiopien und treffen dabei auf Gläubige auf dem Weg zu dem grössten Weihnachtsfest des Landes. Dem Film gelingt es, die Herausforderungen der langen Reise zu dokumentieren, die herzlichen, respektvollen Begegnungen authentisch festzuhalten, und dem Zuschauer ein Land und eine Kultur nahe zu bringen, von der wir hierzulande noch wenig wissen. (Aber dank des Friedenspreises an seinen Präsidenten in Zukunft wohl mehr erfahren werden…)

„Ani, le monache di Yaqen gar“ (Die Nonnen von Yaqen gar) von Eloïse Barbieri, Italien
Die Filmemacherin lebt mehrere Wochen unter einfachsten Bedingungen in einer tibetischen Klosterstadt mit buddhistischen Nonnen. Die besondere Leistung dieses Filmes ist es, dass es der Filmemacherin überhaupt gelingt, an diesen Ort zu gelangen, wo freie Religionsausübung kein Recht ist, sondern höchstens von den chinesischen Behörden gewährt wird. Mit ihrer beobachtenden Kamera und der Reflexion über die eigene Situation entsteht die Momentaufnahme eines Ortes, der stark unter Druck ist, wenn er inzwischen nicht schon ganz verschwunden ist.

Bayern 2 - Publikumspreis:
"The Ascent of Everest" von Antonello Padovano, Großbritannien

Es ist die Geschichte jener zwei Männer, die im Mai 1953 aufgebrochen sind, um als erste Menschen auf dem höchsten Gipfel der Welt zu stehen: Edmund Hillary und Tenzing Norgay. In einer Art „Doku-Remake“ verbindet der Regisseur Ausschnitte aus dem Original-Expeditionsfilm von 1953 mit späteren Schilderungen des Abenteuers von Edmund Hillary. Er erzählt von bislang unbekannten Details und gewährt so unerwartete und überraschende Einblicke.

Kleiner Preis des Festivals, Publikumspreis für den besten Kinder- und Jugendfilm:
"Auf höchstem Niveau - Lebensretter am Berg" von Birgit Wuthe, Deutschland

Junge Menschen aus Welt wollen hoch hinaus, vor allem, wenn man rund um die Zugspitze seine Lehrstelle sucht. Kanda ist ein Hund auf der Zugspitze, um ein richtiger Such- und Lawinenhund zu werden. Birgit Wuthe begleitet Kanda und ihr 22-jähriges Herrchen dabei.

Ein ausführlicher Nachbericht zum 17. Internationalen Bergfilm-Festival Tegernsee folgt im Bergsteiger, Heft 1/2020 (ET Mitte Dezember).

 
Petra Rapp
 
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