Porträt über die bekanntesten Zacken der Dolomiten
Im Banne der Drei Zinnen
© Andreas Strauß
Unterwegs in den sextener Dolomiten
Unterwegs in den sextener Dolomiten
Dolomiten – das heißt für viele im flachen Land Beheimatete: Drei Zinnen, Luis Trenker und Kastelruther Spatzen. Bergsteigern ist das berühmte steinerne Trio eher ein Begriff als die singende Unterart des Passer domesticus; Bära Luis kennen dafür Rotsockler und Bergfilmfreunde aus nah und fern. Mit den Pragser Dolomiten tun sie sich da ungleich schwerer. Der Wildsee gleichen Namens gilt immerhin als schönster Bergsee der Südtiroler Dolomiten, und die Hohe Gaisl (3146 m) ist exakt einen Meter höher als die Dreischusterspitze. Die wiederum markiert den höchsten Punkt der Sextener Dolomiten, und zu denen gehören die Drei Zinnen – alles klar?
Das Haus am Toblinger Riedl ist längst wieder aufgebaut, im Gegensatz zum Alpseehotel, an das nur noch Mauerumrisse in dem steinigen Wiesenboden erinnern. Eigentlich schade, an Gästen würde es bestimmt nicht fehlen. Doch seit 1981 gibt es den Naturpark Sextner Dolomiten (er soll demnächst in Naturpark Drei Zinnen umbenannt werden), und innerhalb des 116 Quadratkilometer großen Schutzgebietes sind touristische Neubauten natürlich nicht erlaubt. So bleibt allein die Drei-Zinnen-Hütte Anlaufstelle für die vielen Wanderer, die von der Drei-Zinnen-Straße herüber oder aus den Sextener Nordtälern herauf kommen. Der Klassiker schlechthin ist dabei die Runde um den Einser, mit Start drunten am Fischleinboden; nur wenige wählen den langen, aber nie langweiligen Weg aus dem Höhlensteintal herauf.
Wir lassen die Hütte, die ein großes Haus ist und an diesem Tag wohl mehr Gäste verpflegt als die meisten Hotels drunten im Pustertal, rechts liegen und peilen die »Galleria Paterna« an: in den Berg, dann auf den Berg. Die gesicherte Passage oberhalb der Gamsscharte liegt bald hinter uns, Spuren im Geröll und Steinmännchen weisen den Weiterweg zum weiträumigen Dach des Paternkofels (2744 m).
»Drei Zinnen – nein: dreihundert Zinnen«, meint Manni und wedelt dabei mit dem Arm, als wolle er sie alle einsammeln, seine Zinnen. Ja, Türme sind es, große und noch größere und auf keinen einzigen führt ein simpler Wanderpfad, sieht man einmal vom Monte Piana ab. Nur kühne Profile stehen im Rund, manche scheinen ohne Rücksicht auf Schwerkraft und Erosion entstanden zu sein, wie das »Frankfurter Würstl«, an dem sich schon mancher Klettermaxe die Zähne ausgebissen hat, oder der Nadelwald der Cadini.
»War Klasse, wirklich«, sage ich. Was man halt so sagt hinterher, weil einem die richtigen Worte fehlen, und nehme die Flasche, die Manni aus dem Kofferraum geholt hat: Kaiserwasser natürlich. Nach dieser Tour bei echtem Kaiserwetter kann’s nichts anderes sein. Prost!
Kaiserwasser in den Sextener Dolomiten
Manni und ich, wir sind zu den Drei Zinnen unterwegs, genauer zum berühmten Zinnenblick, steigen durch jenen Ast des Fischleintals auf, der vor ein paar Jahren durch einen mächtigen Bergsturz vom Einser herab Schlagzeilen machte und für zwei Tage den Talboden unter einer Staubdecke verschwinden ließ. Ein Wunder, dass dabei niemand zu Schaden kam. Berge bröckeln, wir wissen es, das Wasser nagt am Dolomit, gefroren schafft es Klüfte und Spalten für den steten Tropfen, der Mineralien und Kalkmoleküle aus dem Gestein löst. Was dann am Fuß des Gebirges gefasst, abgefüllt und verkauft wird, heißt im Fall der Sextener Dolomiten »Kaiserwasser«. Die Mineralquellen von Innichen waren schon zu Römerzeiten bekannt. Auch im Mittelalter wurden die Wässer genutzt; bis Ende des 16. Jahrhunderts verwalteten die Benediktiner des Innicher Stifts das beliebte Wildbad. 1854 erwarb Johann Graf Scheiber, ein ungarischer Arzt, das Bad und errichtete ein luxuriöses Thermalhotel, das sich bald zu einem Treffpunkt der Hautevolee entwickelte.Drei-Zinnen-Hütte
Wir machen kurz Halt. Ich fülle meine Flasche am Bach nach: Mineralwasser aus der Drei-Zinnen-Welt. Das weltberühmte Dreigestirn, einst von der Bergführerdynastie Innerkofler »erobert« (1869/1879/1881), ist noch nicht in Sicht – da steht der Paternkofel davor. Der wiederum wurde zum Schicksalsberg eines Innerkoflers; der Sepp, auch er ein legendärer Führer, starb 1915 beim Sturm auf den von Alpini gehaltenen Gipfel. Er war vor dem Krieg Wirt auf der Drei-Zinnen-Hütte; sie wurde, wie das Alpseehotel, von den Italienern in Brand geschossen. Sepp Innerkofler notierte dazu: »Inzwischen fing auch bei uns ein Maschinengewehr an, und ich machte auch zwei Schuß, aber es war zu weit. Nun hatten wir die Italiener doch so weit gebracht, daß sie mit ihren Kanonen vom Paternsattel anfingen die Hütte zu beschießen, was auch mit dem fünften Schuß gelang und dieselbe anfing zu brennen. Während ich dies in der Wand des Paternkofels schreibe, brennt die Hütte gerade nieder und die Feuersbrunst zwischen den Bergen macht einen imposanten Eindruck.«Das Haus am Toblinger Riedl ist längst wieder aufgebaut, im Gegensatz zum Alpseehotel, an das nur noch Mauerumrisse in dem steinigen Wiesenboden erinnern. Eigentlich schade, an Gästen würde es bestimmt nicht fehlen. Doch seit 1981 gibt es den Naturpark Sextner Dolomiten (er soll demnächst in Naturpark Drei Zinnen umbenannt werden), und innerhalb des 116 Quadratkilometer großen Schutzgebietes sind touristische Neubauten natürlich nicht erlaubt. So bleibt allein die Drei-Zinnen-Hütte Anlaufstelle für die vielen Wanderer, die von der Drei-Zinnen-Straße herüber oder aus den Sextener Nordtälern herauf kommen. Der Klassiker schlechthin ist dabei die Runde um den Einser, mit Start drunten am Fischleinboden; nur wenige wählen den langen, aber nie langweiligen Weg aus dem Höhlensteintal herauf.
Die Großen Drei
Wir wollen den Paternkofel zum Büllelejoch überschreiten und anschließend den jüngst rekonstruierten Kriegsweg zum Sandbüheljoch begehen. Eine Runde, die Aussicht auf alle Gipfelketten der Sextener Dolomiten bietet, insbesondere auf die berühmte Sonnenuhr. Die funktioniert bei Schönwetter von Zehn bis Eins; Mittagszeiger ist dabei der Zwölfer, die dominierende Berggestalt des Fischleintals. Trotzdem: Die Drei Zinnen überstrahlen hier alle und alles, dieses kariöse Riesengebiss, eigentlich ja ein halbes Dutzend Zähne, das dem steinigen Bett der Langen Alm entwächst. Da klicken die Digikameras, surren die Camcorder, staunt der Nordländer, an die Horizontale, an Watt und Wellen gewöhnt. Wir kennen das Bild, sind aber trotzdem fasziniert, immer wieder. Wie lange mag ein Wassertropfen unterwegs sein, frage ich mich, vom großen Dach der Westlichen Zinne bis hinab zum Almboden? Wie kann jemand diesen Überhang erklettern? Ein Spinnenmensch?Wir lassen die Hütte, die ein großes Haus ist und an diesem Tag wohl mehr Gäste verpflegt als die meisten Hotels drunten im Pustertal, rechts liegen und peilen die »Galleria Paterna« an: in den Berg, dann auf den Berg. Die gesicherte Passage oberhalb der Gamsscharte liegt bald hinter uns, Spuren im Geröll und Steinmännchen weisen den Weiterweg zum weiträumigen Dach des Paternkofels (2744 m).
Der Alpinisteig
Zeit für eine Rast vor den Nordwänden, in denen Alpingeschichte geschrieben wurde, von der Erstdurchsteigung (Emilio Comici, Angelo und Giovanni Dimai, 1933) bis zu Alexander Hubers Großtaten. Von diesem Logenplatz ist auch unser Weiterweg einzusehen: entlang dem Schartenprofil der Bödenknoten in die Senke des Büllelejochs, dann mit den ehemaligen italienischen Stellungen am Kamm hinüber zum Sandebüheljoch, über dem urgewaltig der Zwölfer (3094 m) in den Himmel ragt. Noch so ein Klotz erhebt sich jenseits des Bacherntals: der Elfer (3092 m), auch er mit Kriegsnarben. Ein Relikt aus der unseligen Zeit des »Grande Guerra« wird von den Wanderern unserer Zeit gerne und ganz friedlich genutzt: die »Strada degli Alpini«. Dabei handelt es sich natürlich nicht um eine Straße, in der zerfurchten nordseitigen Steilflanke des Elferkofels ist sie kaum mehr als eine Spur. Der ehemalige Frontsteig nutzt geschickt die topographischen Gegebenheiten, läuft über die typischen Horizontalbänder des Hauptdolomits – ein Klassiker unter den Klettersteigtouren der Sextener.»Drei Zinnen – nein: dreihundert Zinnen«, meint Manni und wedelt dabei mit dem Arm, als wolle er sie alle einsammeln, seine Zinnen. Ja, Türme sind es, große und noch größere und auf keinen einzigen führt ein simpler Wanderpfad, sieht man einmal vom Monte Piana ab. Nur kühne Profile stehen im Rund, manche scheinen ohne Rücksicht auf Schwerkraft und Erosion entstanden zu sein, wie das »Frankfurter Würstl«, an dem sich schon mancher Klettermaxe die Zähne ausgebissen hat, oder der Nadelwald der Cadini.
Kaiserlich unterwegs in den Dolomiten
Wir machen uns auf den Weg, wandern weiter durch die Wunderwelt der Sextener. Wie in einem Film ziehen die Motive an uns vorbei, wechselt die Perspektive, mal bist du oben, dann schaust du wieder von unten; der Horizont ist manchmal ganz weit, dann beängstigend eng, schließlich kommt auch wieder Baum- und Wiesengrün ins Bild. Die Sonne ist längst hinter der Dreischusterspitze abgetaucht, das Schönwetterspektakel des Alpenglühens – nochmals großes Kino! – malt rosa, gelb und rot an die bleichen Felsen hoch über uns.»War Klasse, wirklich«, sage ich. Was man halt so sagt hinterher, weil einem die richtigen Worte fehlen, und nehme die Flasche, die Manni aus dem Kofferraum geholt hat: Kaiserwasser natürlich. Nach dieser Tour bei echtem Kaiserwetter kann’s nichts anderes sein. Prost!
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