Klettergebiete im Elsass | BERGSTEIGER Magazin
Klettern in Frankreichs Osten

Klettergebiete im Elsass

Sandstein – nein danke! Sandstein ist brüchig, die Routen schlecht abgesichert und nur etwas für Kletterer mit einem abgefahrenen Geschmack. Dieses Vorurteil widerlegen die Buntsandsteinfelsen in den Vogesen, die sich für Einsteiger ins Sandsteinklettern und Aussteiger aus den Kletterhallen ganz besonders eignen.
 
Kiesel-Alarm: Am Falkenfels gibt es vielfältige Kletterei mit großartiger Aussicht auf die Vogesenlandschaft © Martin Schepers, Frank Enz, Timo Marschner
Kiesel-Alarm: Am Falkenfels gibt es vielfältige Kletterei mit großartiger Aussicht auf die Vogesenlandschaft
Sandstein steht für perfekte Reibung, denn er ist extrem rauh. Sandstein bietet eine Vielzahl von Gesteinsstrukturen, zahllose Formen wie Waben, Löcher, Leisten, Sloper, Risse, Verschneidungen, Dächer oder Kanten. Kurz gesagt: Sandstein hat alles, was das Herz eines Kletterers begehrt! Doch Sandstein hat auch Tücken! Stellenweise ist er mürbe, und Griffe oder Tritte können unerwartet ausbrechen. Sandkörner unter den Sohlen der Kletterschuhe rauben manchmal den letzten Nerv, wenn man einen heiklen Schritt an einer Reibungsstelle machen möchte und ständig das Gefühl hat, wegzurutschen. Zudem sind die Bewegungsabläufe häufig nicht auf den ersten Blick zu entschlüsseln, und manchmal versteckt eine Schlüsselstelle den entscheidenden Griff so gut, dass man ihn erst dann erkennt, wenn man sich mit aufgepumpten Armen im Seil ausruht. Rohe Kraft führt im Sandstein selten zum Erfolg, eher bedachtsames Schleichen und ruhige, vorsichtige Kletterbewegungen. Man möchte glauben, dass der Fels erst eine bewusste Auseinandersetzung fordert, bevor er sein Geheimnis für eine erfolgreiche Begehung offenbart. 

Klettergebiete Elsass VogesenKein Wunder also, dass die Sandsteinfelsen in den Vogesen so viele begeisterte Anhänger haben. Hinzu kommt, dass im Vergleich zu den großen und bekannten Sandsteinklettergebieten in Deutschland wie der Pfalz, die sich jenseits der deutsch-französischen Grenze nördlich an die Vogesen anschließt, oder im Elbsandsteingebirge die Absicherung perfekt ist und mobile Sicherungsmittel nur selten erforderlich sind. Die ersten Routen in den Vogesen wurden in den 50er- und 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts mit eher spärlicher Absicherung in traditioneller Manier von unten erschlossen. Bis man den Blick nach Südfrankreich richtete und erkannte, welches Potenzial in der Erschließung von oben mit engeren Hakenabständen lag. Da diese Erkenntnis inzwischen 25 Jahre her ist, und die einheimischen Kletterer in dieser Zeit alles andere als faul waren, hat sich im Elsass viel verändert. So haben sich in den letzten Jahren die Klettermöglichkeiten knapp hinter der deutsch-französischen Grenze zu wahren Schmuckstücken gemausert, die vor allem bei Einsteigern ins Sandsteinklettern beliebt sind.

Beginnen wir unsere Rundreise durchs Felsenland der Vogesen im Norden, direkt an der Grenze zum bekannten Klettergebiet der Pfalz. Dort befinden sich Krappenfels, Loewenstein und Langenfels. Besonders der Langenfels zieht mit seinen langen Routen im unteren Sektor zahlreiche Kletterer an, und die Routen an der bis zu 30 Meter hohen Talseite sollten auf dem Pflichtprogramm stehen. Fast alle Routen können zum Gipfel ausgestiegen werden, wo ein Gipfelbuch auf den Eintrag wartet. Nach dem Klettern empfiehlt sich die Besichtigung der in Rufweite liegenden Burg Fleckenstein, wo es für Kinder mit »Petit Fleck« auch eine kurzweilige geführte Besichtigungstour zu buchen gibt.  Wer weiter in die Vogesen hineinfährt, findet an Wachtfels, Heidenkopf (ideal mit Kindern), Rocher Philippe, Wald-eck und Sandkopf ein reiches Betätigungsfeld – allerdings mit der Einschränkung, dass hier der französische Grad 6a beherrscht werden sollte. Ein absolutes Highlight der Region ist der Windstein, eine alte Burgruine. Geschlagene Stufen, schmale Gänge, alte Treppenanlagen und kleine Brücken verbinden die Einstiege der Kletterrouten, und überall sind Spuren der ehemaligen Burganlage zu entdecken. Hinzu kommt, dass die Wände in alle Himmelsrichtungen ausgerichtet sind, so dass man ganz nach Belieben in der Sonne oder im Schatten klettern kann.

Unsere Kletterreise führt uns weiter nach Süden, in die Region »Mitte«, wie sie im kürzlich erschienenen Kletterführer »Sandsteinfelsen der Vogesen« genannt wird. Rund um die Ortschaften Saverne, Dabo und Wasselone ist eine unglaubliche Vielfalt an Felsen zu finden. Schon allein das Kronthal lässt mit seinen drei Felsen kaum Wünsche offen: Der Rocher du Lion ist ein idealer Anfängerfels mit seinen vielen einfachen Routen und Toprope-Möglichkeiten. Der Rocher du Kobus bietet mit bis zu 50 Meter hohen Routen fast schon alpines Flair. Das Juwel im Kronthal jedoch ist der mächtige, gleichnamige Steinbruch. Hier finden sich lange, technisch anspruchsvolle Routen und zwei Grotten, von denen besonders die rechte eine Vielzahl an schweren und richtig steilen Dachrouten zu bieten hat. Beliebt ist der Steinbruch auch deshalb, weil er durch seine südseitige Ausrichtung ein ideales Kletterziel für sonnige Wintertage ist und so treffen sich die Kletterer hier oft schon im Februar, um die im Winter antrainierte Form zu überprüfen.

Abschließend sei noch erwähnt, dass die vielbefahrene N4 direkt unterhalb des Steinbruchs vorbeiführt, was den Naturgenuss erheblich einschränkt. Doch spätestens in der Brauereigaststätte in Scharrachbergheim kann man den Straßenlärm bei einem süffigen Hausbier, das selbst die Franken neidisch machen würde, runterspülen. Der hausgemachte Flammkuchen gibt Kraft, um am nächsten Tag einen weiteren der über 20 Felsen in dieser Region zu entdecken. Die Grotte du Brotsch ist weit über die Landesgrenze hinaus bekannt – allerdings bietet sie, wie der Name schon vermuten lässt, sehr steile Kletterei und eignet sich vor allem für Liebhaber des 7. Franzosengrades.

Anders sieht es da beim sonnigen Falkenfels aus, der sowohl Einsteiger- als auch gemäßigte und schwierige Routen zu bieten hat. Die Einsiedlerhütte, die sich rechts der Wand befindet, bietet sich als Picknickplatz und für Entdeckungstouren für Kinder geradezu an. Fast in Sichtweite befindet sich auf der gegenüberliegenden Talseite der eher schattige Kuhfels, an dem einige Vier-Sterne-Routen zu finden sind, aber auch diverse, die den Namen Kletterroute kaum verdienen. Beim Besuch dieser Felsen merkt man, dass sich das Gestein in der Region rund um Saverne im Vergleich zu den anderen Gebieten verändert: Es sind viele im Sandstein eingebackene Kieselsteine zu finden, was eine ganz eigene Klettertechnik verlangt. In fast unglaublicher Vielzahl sind diese eingebackenen Kiesel an den Roches Plates zu finden, an denen man sich vorsichtig von Kiesel zu Kiesel emporschwindelt. Wenn man erst einmal Vertrauen in die Festigkeit der kleinen Steinchen entwickelt hat und man sich traut, die kleinen, glatten Trittchen mit dem Körpergewicht zu belasten, kann man die Schönheit der eleganten Routen richtig genießen.

Unsere Kletterreise durch die Vogesen endet im Traditionsgebiet Gueberschwihr, das ganz im Süden in der Nähe von Colmar liegt. Aufgeteilt in ein »altes« und ein »neues« Gueberschwihr ist hier ein reichhaltiges Betätigungsfeld  für jeden Anspruch zu finden. Von kurzen, gutgriffigen Top-rope-Routen bis hin zu langen, technisch anspruchsvollen Seillängen ist hier alles zu finden. Das Gestein hat eine hervorragende Qualität, dass sich der Vergleich mit dem englischen Gritstone förmlich aufdrängt. Auch die vorhandenen Boulder, besonders in »Nouveau Gueberschwihr« lohnen nicht nur einen Besuch. Die Auberge St. Marc, die direkt am Parkplatz zum Gebiet liegt, bietet heimische Weine und regionale Spezialitäten, so dass man auf der Sonnenterrasse seine Erlebnisse Revue passieren lassen kann und gleichzeitig von den nächsten Zielen an den herrlichen Felsen der Vogesen träumen kann.

Text: Timo Marschner und Martin Schepers, Fotos: Martin Schepers, Frank Enz, Timo Marschner
 
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