Hüttenrunde im Berner Oberland
Einmal rund um den Gross Lohner
© Mark Zahel
Wanderer beim Abstieg vom Luser zur Engstligenalp – sie haben die Lohner-Traverse in umgekehrter Richtung absolviert.
Wanderer beim Abstieg vom Luser zur Engstligenalp – sie haben die Lohner-Traverse in umgekehrter Richtung absolviert.
6:20 Uhr
Es dämmert allmählich, als ich im hinteren Kandertal eintreffe. Warten auf die Seilbahn nach Sunnbüel oder gleich auf dem Alpsträßchen ins Üschenetal? Letzteres erscheint mir unter taktischen Gesichtspunkten vorteilhafter. Kurzer Schreck, als der Automat die Bewilligung für die eingeworfenen zehn Fränkli nicht ausspucken will. Ich drohe mit Gewalt, dresche einmal mit dem Handballen auf ihn ein, da kommt das Billett…
6:59 Uhr
Hinter der Alp Usser Üschene bleibt das Fahrzeug zurück. Ohne Umschweife wird der Rucksack geschultert, denn der heutige Marsch wird lang werden, so viel steht fest. Ich muss allerdings gestehen, was man in einem verantwortungsvollen Bergmagazin eigentlich gar nicht sagen darf: Wirklich vorbereitet habe ich mich auf diese Tour nicht, nur einmal kurz mit dem Finger über die Landkarte. Die Idee kam vielmehr spontan, als mir während einer Schweizreise bewusst wurde, wie sehr mich die Gegend um Kandersteg schon bei meinem ersten Besuch vor 15 Jahren fasziniert hatte. Ausschlaggebend dafür ist eine Topografi e, die man im besten Sinn als charismatisch bezeichnen kann. Da ist zum Beispiel die Perle des Oeschinensees unterhalb der wilden Fluh von Dolden- und Fründenhorn, welche ihrerseits zum Eisschloss der Blüemlisalp aufschließen; da ist das imposante Gasteretal mit der Passverbindung über den Lötschberg ins Wallis; da ist die verträumte, einst von Bergstürzen heimgesuchte Spittelmatte an der ebenfalls ins Wallis führenden Gemmiroute; und da sind die Gipfel und Grate im Übergangsbereich nach Adelboden, unter denen der Lohner zweifellos die stärkste Wirkung entfaltet. Das Objekt des Interesses!
8:26 Uhr
Beim Aufstieg Richtung Üschenegrat ist die sonnendurchfl utete Lohner-Ostseite immer prächtiger herausgewachsen. Wuchtig und abweisend kommt dieses Massiv daher, Assoziationen mit einer alternden Festung auslösend. Schon aus einiger Entfernung sieht man ihm das mürbe Gestein an. Ich hätte natürlich auch den leichteren und direkten Weg durchs Hochtal wählen können, doch erschien mir die Panoramastrecke längs des Üschenegrates weitaus sehenswerter. Dieser hohe Laufsteg zwischen zwei Alpgründen ist einfach traumhaft! Die Fotopausen bieten auch Gelegenheit zum persönlichen Innehalten, und wenn es manchmal nur wenige Minuten sind, während man sich in ein einzelnes Bild vertieft. Beim Lohner neigt man wohl dazu, den Berg eher schaurig-schön zu finden als wirklich ästhetisch. Oder liegt das einfach an einer eingefahrenen humanistischen Defi nition von Ästhetik? Wie auch immer, ich bin jedenfalls beeindruckt.
11:51 Uhr
Nach der abwechslungsreichen Strecke via Schwarzgrätli und Tälli bildet der Engstligengrat den nächsten Höhepunkt, nicht nur in metrischer Hinsicht. Jetzt kommt das Wildstrubel-Massiv ins Blickfeld. Und das bizarre Tschingellochtighorn gibt eine Nahkulisse wie aus einem alten John-Ford-Film ab. In der Tat »großes Kino«! Der Gegenanstieg zum Engstligengrat fiel bei zunehmend höherem Sonnenstand schweißtreibend aus, nicht mehr ganz so leichtfüßig wie am Morgen. Auch eine Gruppe von vier jungen Trekking-Freunden bekommt das zu spüren. Sie unternehmen eine mehrtägige Tour durchs Berner Oberland und schleppen dafür die ganze Biwakausrüstung mit.
13:13 Uhr
Zwischendurch habe ich es etwas lockerer angehen lassen. Der Pfad unmittelbar am Tschingellochtighorn vorbei sowie über den Ärtelengrat hinab ist einfach zu schön, um durchzurennen. Während rechts die graue Lohner-Südflanke prangt, breitet sich linker Hand die grüne Engstligenalp aus – eine der größten Hochweiden der Schweiz, die mit zwei Gasthäusern auch ideale Möglichkeiten zur Zwischennächtigung bietet. Die Blicke sind quasi hin- und hergerissen und schweifen natürlich vor allem auch weit über das Tal von Adelboden. Nun aber drehe ich von der Engstligenalp ab, nach wie vor in ambitionierter Hoffnung, meine Lohner-Runde als Tagestour zu absolvieren.
14:21 Uhr
Einstieg in die abschüssige Westflanke des Gross Lohner. Inzwischen befinde ich mich auf einer »blau-weißen« Alpinroute, die mit gewöhnlichem Wandern nicht adäquat umschrieben wäre und in der Schweiz konsequenterweise als eigene Wegekategorie geführt wird. Warum, wird sich jetzt offenbaren: Die erste Bänderpassage beginnt noch überraschend komfortabel, obschon die dräuenden, nicht gerade vertrauenerweckend soliden Felswände gehörigen Respekt einfl ößen. Irgendwie sieht alles aus wie auf einer Baustelle der Erdgeschichte – was ja in gewisser Weise auch zutrifft. Der Pfad selbst findet eine fantastische Linie durch die in mehrere Buchten gegliederten Abhänge, kann dem Unbedarften aber schon mal das Herz in die Hose rutschen lassen. Mitunter leitet die Trasse gerade noch fußbreit entlang ausgewitterter Schichtbänder; nebenan brechen steile, haltlose Schuttböschungen ins Bodenlose ab. Ich persönlich mag diesen wohldosierten Nervenkitzel gepaart mit Urtümlichkeit, aber ein Fehltritt ist natürlich verboten.
15:48 Uhr
Im nördlichen Teil dieses wilden Abenteuerpfades – anders kann ich ihn nicht nennen – ist die kleine Lohnerhütte postiert. Was für eine Lage! Eine halbstündige Rast lasse ich mir hier nicht nehmen, auch wenn ich langsam kapiere, dass diese Tour ein veritables Mammutprogramm für einen Tag bedeutet und das Ende ja noch längst nicht in Sicht ist. Der Hüttenwart hat gerade noch einige Ausbesserungsarbeiten ausgeführt, nicht am Gebäude, sondern am Weg, der in diesem Bereich immer wieder von den Naturgewalten behelligt wird. Ohne ein Mindestmaß an wäre wohl bald nicht mehr viel davon übrig. Warum die Lohner-Westtraverse mitunter auch als »Kletterweg« bezeichnet wird, erschließt sich indes etwas später, wenn es an Ketten über eine Steilstufe abwärts geht – technisch zweifellos die Schlüsselstelle der ganzen Tour.
18:03 Uhr
500 Höhenmeter Gegensteigung nach mehr als zehn Stunden ist schon ein echter Härtetest. In dem westseitigen Kar hinauf zur Bunderchrinde meint es zudem auch die Sonne sehr gut, sodass man sich nach jedem schwachen Windhauch oder einem Quellwölkchen als Schattenspender sehnt. Klar, die physische Komponente ist nicht wegzudiskutieren, aber darüber hinaus gibt es auch eine psychologische: Und so quäle ich mich nicht mit Gedanken, wie gemein das hier ist und wie doof meine Idee, solch einen Gewaltmarsch aufs Geratewohl anzupacken. Nein, ich freue mich einfach weiterhin an den herrlichen Landschaftsbildern und setze geduldig Schritt um Schritt, bis ich irgendwann oben in der Bunderchrinde stehe. Es ging letztlich viel besser als gedacht! Die Gipfel des zentralen Berner Oberlandes belohnen mich mit abendlich illuminierten Silhouetten.
19:19 Uhr
Ein netter Plausch mit den Älplern auf Alpschele gehört zu den Begebenheiten auf dem finalen Abstieg zurück ins Üschenetal, das längst im Schatten liegt. Exakt 12 Stunden und 20 Minuten nach Aufbruch schließt sich dort der Kreis mit einem unbeschreiblichen Gefühlsmix aus Erschöpfung und Glückseligkeit. Das GPS-Gerät hat in dieser Zeitspanne rund 2400 Aufstiegsmeter registriert. Mit einem genaueren Blick auf die Karte hätte ich das vorher wissen können. Zu bereuen ist freilich rein gar nichts.
Höhenunterschied: 2400 Hm
Dauer: 2 Tage
Talort: Kandersteg (1176 m) im Berner Oberland
Ausgangspunkt: Im Üschenetal, bei P. 1621 hinter Usser Üschene; Zufahrt von Kandersteg via Eggeschwand und eine taxpfl ichtige Alpstraße (10 SFr)
Öffentliche Verkehrsmittel: Kandersteg mit Bahnanschluss, Postautoverkehr bis nach Eggeschwand; keine Möglichkeit ins Üschenetal, aber Seilbahn nach Sunnbüel
Gehzeiten: 1. Tag bis Engstligenalp 6 Std.; 2. Tag 6½ Std.
Höhenunterschied: 1. Tag 1200 Hm Aufstieg, 870 Hm Abstieg; 2. Tag 1200 Hm Aufstieg, 1530 Hm Abstieg
Beste Jahreszeit: Ende Juni bis Oktober, falls schneefrei
Karten/Literatur: Swisstopo, 1:50 000, Blatt 263 T »Wildstrubel «; 1:25 000, Blätter 1247 »Adelboden« und 1267 »Gemmi«; Zahel »Panoramawege Schweiz«, Bruckmann Verlag, 2012
Fremdenverkehrsamt: CH-3718 Kandersteg, Tel. 00 41/33/6 75 80 80
Hütten: Berghaus Bärtschi (1937 m), Tel. 00 41/33/6 73 13 73; Berghotel Engstligenalp (1965 m), Tel. 00 41/33/6 73 22 91; Lohnerhütte (2171 m), Tel. 00 41/33/6 73 04 87 oder Tel. 00 41/79/4 31 54 25
Charakter/Schwierigkeiten: Großzügige Wanderrunde, meist auf mittelschweren Wegen; im Abschnitt durch die Lohner-Westflanke deutlich anspruchsvollere Route, die absolute Trittsicherheit und Schwindelfreiheit verlangt, nicht bei Nässe oder Schnee (ab und zu gesichert, jedoch längst nicht an allen heiklen Stellen).
Im Alpdorf befinden sich zwei Unterkünfte. Am zweiten Tag zunächst vorn um den Ärtelengrat herum in den Kessel der Hinder Engstligenalp, wo eine »blau-weiße« Route aufgenommen wird. Am grasigen Südhang des Lusers kräftig empor, dann durch ein Gatter in die äußerst abschüssige, schuttreiche Lohner-Flanke hinein. Nachdem die erste Traverse noch einem passablen Pfad folgt, wird die Trittspur später sehr dürftig. Man bewegt sich mitunter entlang brüchiger Felsschichten und kreuzt wiederholt Rüfen und Rinnen. Durch diverse Hangbuchten steigt die Route bis P. 2367 (Rastbank) an und schwenkt dort in den wilden Nordhang ein. Im weiteren Verlauf nicht mehr wie ehemals im großen Bogen auf etwa gleicher Höhe (vermurt), sondern günstiger weiter vorn und tiefer durch die Witi Chume queren. Die Markierung ist eindeutig.
Mittels Gegenanstieg gelangt man zur Geländerippe mit der Lohnerhütte (2171 m). Dahinter wird die Tierchumi ausgegangen, ehe ein kettengesicherter Felsriegel im Bergab bewältigt wird (schwierigste Passage). Bei der Gabelung rechts und um die Kante zu nochmaligen Ketten, die gegen die Bunderalp hinableiten. Man wendet sich jedoch wieder aufwärts und absolviert auf einem ordentlichen Bergweg 500 Höhenmeter bis zur Bunderchrinde (2385 m), dem finalen Übergang ins Üschenetal. Auf der Ostseite anfangs links haltend, dann rechts Richtung Alpschele (2089 m) und kehrenreich zurück zum Ausgangspunkt im Hochtal.
Weitere Hüttenwanderungen in der Schweiz
Es dämmert allmählich, als ich im hinteren Kandertal eintreffe. Warten auf die Seilbahn nach Sunnbüel oder gleich auf dem Alpsträßchen ins Üschenetal? Letzteres erscheint mir unter taktischen Gesichtspunkten vorteilhafter. Kurzer Schreck, als der Automat die Bewilligung für die eingeworfenen zehn Fränkli nicht ausspucken will. Ich drohe mit Gewalt, dresche einmal mit dem Handballen auf ihn ein, da kommt das Billett…
6:59 Uhr
Hinter der Alp Usser Üschene bleibt das Fahrzeug zurück. Ohne Umschweife wird der Rucksack geschultert, denn der heutige Marsch wird lang werden, so viel steht fest. Ich muss allerdings gestehen, was man in einem verantwortungsvollen Bergmagazin eigentlich gar nicht sagen darf: Wirklich vorbereitet habe ich mich auf diese Tour nicht, nur einmal kurz mit dem Finger über die Landkarte. Die Idee kam vielmehr spontan, als mir während einer Schweizreise bewusst wurde, wie sehr mich die Gegend um Kandersteg schon bei meinem ersten Besuch vor 15 Jahren fasziniert hatte. Ausschlaggebend dafür ist eine Topografi e, die man im besten Sinn als charismatisch bezeichnen kann. Da ist zum Beispiel die Perle des Oeschinensees unterhalb der wilden Fluh von Dolden- und Fründenhorn, welche ihrerseits zum Eisschloss der Blüemlisalp aufschließen; da ist das imposante Gasteretal mit der Passverbindung über den Lötschberg ins Wallis; da ist die verträumte, einst von Bergstürzen heimgesuchte Spittelmatte an der ebenfalls ins Wallis führenden Gemmiroute; und da sind die Gipfel und Grate im Übergangsbereich nach Adelboden, unter denen der Lohner zweifellos die stärkste Wirkung entfaltet. Das Objekt des Interesses!
8:26 Uhr
Beim Aufstieg Richtung Üschenegrat ist die sonnendurchfl utete Lohner-Ostseite immer prächtiger herausgewachsen. Wuchtig und abweisend kommt dieses Massiv daher, Assoziationen mit einer alternden Festung auslösend. Schon aus einiger Entfernung sieht man ihm das mürbe Gestein an. Ich hätte natürlich auch den leichteren und direkten Weg durchs Hochtal wählen können, doch erschien mir die Panoramastrecke längs des Üschenegrates weitaus sehenswerter. Dieser hohe Laufsteg zwischen zwei Alpgründen ist einfach traumhaft! Die Fotopausen bieten auch Gelegenheit zum persönlichen Innehalten, und wenn es manchmal nur wenige Minuten sind, während man sich in ein einzelnes Bild vertieft. Beim Lohner neigt man wohl dazu, den Berg eher schaurig-schön zu finden als wirklich ästhetisch. Oder liegt das einfach an einer eingefahrenen humanistischen Defi nition von Ästhetik? Wie auch immer, ich bin jedenfalls beeindruckt.
11:51 Uhr
Nach der abwechslungsreichen Strecke via Schwarzgrätli und Tälli bildet der Engstligengrat den nächsten Höhepunkt, nicht nur in metrischer Hinsicht. Jetzt kommt das Wildstrubel-Massiv ins Blickfeld. Und das bizarre Tschingellochtighorn gibt eine Nahkulisse wie aus einem alten John-Ford-Film ab. In der Tat »großes Kino«! Der Gegenanstieg zum Engstligengrat fiel bei zunehmend höherem Sonnenstand schweißtreibend aus, nicht mehr ganz so leichtfüßig wie am Morgen. Auch eine Gruppe von vier jungen Trekking-Freunden bekommt das zu spüren. Sie unternehmen eine mehrtägige Tour durchs Berner Oberland und schleppen dafür die ganze Biwakausrüstung mit.
13:13 Uhr
Zwischendurch habe ich es etwas lockerer angehen lassen. Der Pfad unmittelbar am Tschingellochtighorn vorbei sowie über den Ärtelengrat hinab ist einfach zu schön, um durchzurennen. Während rechts die graue Lohner-Südflanke prangt, breitet sich linker Hand die grüne Engstligenalp aus – eine der größten Hochweiden der Schweiz, die mit zwei Gasthäusern auch ideale Möglichkeiten zur Zwischennächtigung bietet. Die Blicke sind quasi hin- und hergerissen und schweifen natürlich vor allem auch weit über das Tal von Adelboden. Nun aber drehe ich von der Engstligenalp ab, nach wie vor in ambitionierter Hoffnung, meine Lohner-Runde als Tagestour zu absolvieren.
14:21 Uhr
Einstieg in die abschüssige Westflanke des Gross Lohner. Inzwischen befinde ich mich auf einer »blau-weißen« Alpinroute, die mit gewöhnlichem Wandern nicht adäquat umschrieben wäre und in der Schweiz konsequenterweise als eigene Wegekategorie geführt wird. Warum, wird sich jetzt offenbaren: Die erste Bänderpassage beginnt noch überraschend komfortabel, obschon die dräuenden, nicht gerade vertrauenerweckend soliden Felswände gehörigen Respekt einfl ößen. Irgendwie sieht alles aus wie auf einer Baustelle der Erdgeschichte – was ja in gewisser Weise auch zutrifft. Der Pfad selbst findet eine fantastische Linie durch die in mehrere Buchten gegliederten Abhänge, kann dem Unbedarften aber schon mal das Herz in die Hose rutschen lassen. Mitunter leitet die Trasse gerade noch fußbreit entlang ausgewitterter Schichtbänder; nebenan brechen steile, haltlose Schuttböschungen ins Bodenlose ab. Ich persönlich mag diesen wohldosierten Nervenkitzel gepaart mit Urtümlichkeit, aber ein Fehltritt ist natürlich verboten.
15:48 Uhr
Im nördlichen Teil dieses wilden Abenteuerpfades – anders kann ich ihn nicht nennen – ist die kleine Lohnerhütte postiert. Was für eine Lage! Eine halbstündige Rast lasse ich mir hier nicht nehmen, auch wenn ich langsam kapiere, dass diese Tour ein veritables Mammutprogramm für einen Tag bedeutet und das Ende ja noch längst nicht in Sicht ist. Der Hüttenwart hat gerade noch einige Ausbesserungsarbeiten ausgeführt, nicht am Gebäude, sondern am Weg, der in diesem Bereich immer wieder von den Naturgewalten behelligt wird. Ohne ein Mindestmaß an wäre wohl bald nicht mehr viel davon übrig. Warum die Lohner-Westtraverse mitunter auch als »Kletterweg« bezeichnet wird, erschließt sich indes etwas später, wenn es an Ketten über eine Steilstufe abwärts geht – technisch zweifellos die Schlüsselstelle der ganzen Tour.
18:03 Uhr
500 Höhenmeter Gegensteigung nach mehr als zehn Stunden ist schon ein echter Härtetest. In dem westseitigen Kar hinauf zur Bunderchrinde meint es zudem auch die Sonne sehr gut, sodass man sich nach jedem schwachen Windhauch oder einem Quellwölkchen als Schattenspender sehnt. Klar, die physische Komponente ist nicht wegzudiskutieren, aber darüber hinaus gibt es auch eine psychologische: Und so quäle ich mich nicht mit Gedanken, wie gemein das hier ist und wie doof meine Idee, solch einen Gewaltmarsch aufs Geratewohl anzupacken. Nein, ich freue mich einfach weiterhin an den herrlichen Landschaftsbildern und setze geduldig Schritt um Schritt, bis ich irgendwann oben in der Bunderchrinde stehe. Es ging letztlich viel besser als gedacht! Die Gipfel des zentralen Berner Oberlandes belohnen mich mit abendlich illuminierten Silhouetten.
19:19 Uhr
Ein netter Plausch mit den Älplern auf Alpschele gehört zu den Begebenheiten auf dem finalen Abstieg zurück ins Üschenetal, das längst im Schatten liegt. Exakt 12 Stunden und 20 Minuten nach Aufbruch schließt sich dort der Kreis mit einem unbeschreiblichen Gefühlsmix aus Erschöpfung und Glückseligkeit. Das GPS-Gerät hat in dieser Zeitspanne rund 2400 Aufstiegsmeter registriert. Mit einem genaueren Blick auf die Karte hätte ich das vorher wissen können. Zu bereuen ist freilich rein gar nichts.
Panoramarunde um den Lohner im Berner Oberland
Zwischen Kandersteg und Adelboden erhebt sich das mehrgipflige Lohner-Massiv. Eine Rundtour über Üschene- und Engstligengrat, später quer durch den grimmigen Westabbruch und schließlich über die Bunderchrinde vermitt elt ein Füllhorn von Eindrücken und Emotionen.Höhenunterschied: 2400 Hm
Dauer: 2 Tage
Talort: Kandersteg (1176 m) im Berner Oberland
Ausgangspunkt: Im Üschenetal, bei P. 1621 hinter Usser Üschene; Zufahrt von Kandersteg via Eggeschwand und eine taxpfl ichtige Alpstraße (10 SFr)
Öffentliche Verkehrsmittel: Kandersteg mit Bahnanschluss, Postautoverkehr bis nach Eggeschwand; keine Möglichkeit ins Üschenetal, aber Seilbahn nach Sunnbüel
Gehzeiten: 1. Tag bis Engstligenalp 6 Std.; 2. Tag 6½ Std.
Höhenunterschied: 1. Tag 1200 Hm Aufstieg, 870 Hm Abstieg; 2. Tag 1200 Hm Aufstieg, 1530 Hm Abstieg
Beste Jahreszeit: Ende Juni bis Oktober, falls schneefrei
Karten/Literatur: Swisstopo, 1:50 000, Blatt 263 T »Wildstrubel «; 1:25 000, Blätter 1247 »Adelboden« und 1267 »Gemmi«; Zahel »Panoramawege Schweiz«, Bruckmann Verlag, 2012
Fremdenverkehrsamt: CH-3718 Kandersteg, Tel. 00 41/33/6 75 80 80
Hütten: Berghaus Bärtschi (1937 m), Tel. 00 41/33/6 73 13 73; Berghotel Engstligenalp (1965 m), Tel. 00 41/33/6 73 22 91; Lohnerhütte (2171 m), Tel. 00 41/33/6 73 04 87 oder Tel. 00 41/79/4 31 54 25
Charakter/Schwierigkeiten: Großzügige Wanderrunde, meist auf mittelschweren Wegen; im Abschnitt durch die Lohner-Westflanke deutlich anspruchsvollere Route, die absolute Trittsicherheit und Schwindelfreiheit verlangt, nicht bei Nässe oder Schnee (ab und zu gesichert, jedoch längst nicht an allen heiklen Stellen).
Verlauf der Rundtour im den Gross Lohner
Route: Aus dem Üschene-Talgrund zu einer Alp am linksseitigen Hang (P. 1730) und auf einem teils lehmigen Steig über die Schafweiden von Gällenen zum Gratsattel P. 2165, wo der Zugang von Sunnbüel mündet. Ein paar Schritte weiter ist ein Abstecher auf das Gällihorn (2284 m) möglich. Der Höhenweg bleibt im Wesentlichen auf der Westseite des Üschenegrats, tangiert zwischendurch aber auch die Krete und steigt schließlich deutlicher zur Wyssi Flue (2472 m) an. Über deren Plateau zum Schwarzgrätli (2383 m) und einem massigbrüchigen Felsaufbau nordseitig ausweichen. Es folgen die Passage quer durchs vordere Tälli mit seinen Grasböden und der Gegenanstieg auf die Höhe des Engstligengrats. Man überschreitet die Kuppe P. 2659 und geht unmittelbar am Tschingellochtighorn südlich vorbei auf den zur Engstligenalp abstreichenden Ärtelengrat.Im Alpdorf befinden sich zwei Unterkünfte. Am zweiten Tag zunächst vorn um den Ärtelengrat herum in den Kessel der Hinder Engstligenalp, wo eine »blau-weiße« Route aufgenommen wird. Am grasigen Südhang des Lusers kräftig empor, dann durch ein Gatter in die äußerst abschüssige, schuttreiche Lohner-Flanke hinein. Nachdem die erste Traverse noch einem passablen Pfad folgt, wird die Trittspur später sehr dürftig. Man bewegt sich mitunter entlang brüchiger Felsschichten und kreuzt wiederholt Rüfen und Rinnen. Durch diverse Hangbuchten steigt die Route bis P. 2367 (Rastbank) an und schwenkt dort in den wilden Nordhang ein. Im weiteren Verlauf nicht mehr wie ehemals im großen Bogen auf etwa gleicher Höhe (vermurt), sondern günstiger weiter vorn und tiefer durch die Witi Chume queren. Die Markierung ist eindeutig.
Mittels Gegenanstieg gelangt man zur Geländerippe mit der Lohnerhütte (2171 m). Dahinter wird die Tierchumi ausgegangen, ehe ein kettengesicherter Felsriegel im Bergab bewältigt wird (schwierigste Passage). Bei der Gabelung rechts und um die Kante zu nochmaligen Ketten, die gegen die Bunderalp hinableiten. Man wendet sich jedoch wieder aufwärts und absolviert auf einem ordentlichen Bergweg 500 Höhenmeter bis zur Bunderchrinde (2385 m), dem finalen Übergang ins Üschenetal. Auf der Ostseite anfangs links haltend, dann rechts Richtung Alpschele (2089 m) und kehrenreich zurück zum Ausgangspunkt im Hochtal.
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Mark Zahel
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Mark Zahel
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 07/2015. Jetzt abonnieren!
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