Für Snowboard Touren ist ein teilbares Brett die Lösung - aber eine mit Haken

Mit dem Splitboard auf Tour im Sellraintal

Eine Splitboard-Tour im Sellraintal. Teilbare Bretter ermöglichen Snowboardern Touren auf prächtige Skitouren-Gipfel – wenn man keine wesentlichen Utensilien vergisst. Vom Scheitern als Chance. Von Michael Pröttel
 
Splitboard Tour im Sellrain © Michael Pröttel
Beim Aufstieg kann das Splitboard gut mit Tourenski mithalten
»Männlich, sportlich, Anfang dreißig, sucht neue Herausforderung in der winterlichen Bergwelt.« Leute wie Stefan, die super sicher auf dem Board stehen, aber vom lauten Lift-Pisten-Halligalli die Nase voll haben, gibt es immer mehr. Solche Pisten-Deserteure haben durchs Varianten-Fahren Blut geleckt und wissen: Da geht noch mehr! Schließlich bieten selbst abgelegene Freeride-Hänge nur in der Früh jungfräulichen Powder. Die Gretchenfrage lautet also: Wie geht noch mehr?

Snowboardtour: Schuh oder Ski?

Board auf dem Buckel. Schneeschuh am Fuß. Diese Möglichkeit, ins winterliche Hochgebirge zu stapfen, hat einen entscheidenden Nachteil. Zumindest wenn man mit einer Gruppe von Skibergsteigern aufsteigt. Deren Spur sollte man nämlich eher nicht benutzen, will man sich keine blöden Kommentare nachkommender Tourengeher anhören. Die eigene Spurarbeit mit Schneeschuhen kostet aber ungemein viel Kraft. Großen Einsatz nicht an Kraft, sondern an den eigenen Ersparnissen, fordert die zweite Möglichkeit: Der Komplettpreis für ein Splitboard, also ein teilbares Snowboard, Bindung, Fellen und Harscheisen beginnt bei etwa 1500 Euro. Von daher ist das Ausleihen eines kompletten Splitboard-Sets die beste Möglichkeit für alle, die geteilte Auf- und ungeteilte Abfahrtsfreuden testen wollen. Jetzt fehlen nur noch gute Freunde. Und zwar solche, die Geduld haben. Das Zusammenbauen eines Splitboards am Gipfel dauert (nicht nur bei vereistem Equipment) deutlich länger als das Fixieren einer Skitourenbindung. Wenn die Berg-Spezis dann auch noch ein geeignetes Tourengelände aussuchen (flache Ziehwege oder dichter Wald sind auf dem Brett wahre Killer), kann der Spaß losgehen. Zum Beispiel in Form einer lohnenden Zweitage-Splitboard-Tour im Sellrain.

Unverhofft kommt oft

Stahlblauer Himmel und makelloser Pulverschnee. Christian und Silke strahlen am Praxmarer Parkplatz mit der Sonne um die Wette, während Stefan sein Leihboard auch schon geteilt und angefellt hat. Und es kommt noch besser. In der breiten Aufstiegsspur zur Lampsenspitze kann er trotz vollschlanker Board-Hälften das Tempo der Skitourengeher locker halten. Der »Neutourengeher« mit Splitboard kann sich den Kommentar nicht verkneifen, dass Bergeinsamkeit anders ausschaut. Die Lampsenspitze ist das genaue Gegenteil eines Geheimtipps. Erst recht, wenn, wie heute, Pulverschneekristalle in der Sonne funkeln. Kurz vor dem Ziel dann der krasse Wechsel. Durchs 2700 Meter hohe Satteljoch pfeift kalter Sturmwind, der Gipfel wird in Windeseile zu Fuß abgehakt. Statt Pulverschnee erwartet die Gruppe auf den steilen Einfahrtshängen ins Gleirschtal dann fieser Wind-Harsch. Während das Wetter vollends umschlägt und die Schneekristalle waagerecht ins Gesicht prasseln, macht sich Stefan an den Board-Umbau. Das Interface, die alles entscheidende Verbindung zwischen den Brettteilen und der Bindung, kann sogar mit Handschuhen zusammen gebaut werden. Schon pflügt Stefan elegante, weite Kurven in den grantigen Harsch – und macht dabei eine viel bessere Figur als Christian und Silke, denen es immer wieder die Ski verreißt.

Das entscheidende Teil

Am nächsten Morgen geht es in weiten Schwüngen und voller Erwartung noch einmal mit dem Splitboard ins Gleirschtal hinab. Schließlich ist die Überschreitung der Schöntalspitze eine genauso großartige wie anspruchsvolle Route, um ins Lisenser Tal zurück zu kehren. Geschlossen folgt das Trio dem zunächst flachen Talboden nach Süden, bis der deutlich steilere Anstieg Richtung Zischgenferner abzweigt. Meter um Meter verliert Stefan den Anschluss an die Freunde. Bei nahezu jedem Schritt rutscht er seitwärts aus der knüppelharten Spur ab. Silkes Zuruf, er solle endlich seine Harscheisen benutzen, quittiert er mit einem genauso erstaunten wie fragenden Blick. Weder er noch der Verleiher hatten bei der Übergabe an das Detail gedacht. Wodurch sich dem unnötig gescheiterten zweiten Tourentag, wenn überhaupt, nur ein einziger positiver Aspekt abringen lässt: Harscheisen wird Stefan auf einer Splitboard-Tour nie wieder vergessen!
Michael Pröttel
 
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