Der große Tourenski- und Freeridertest 2011/12
Das rockt - Der große Tourenski- und Freeridertest 2011/12
Der BERGSTEIGER-Skitest geht in die zwölfte Runde. In enger Zusammenarbeit mit dem »Kompetenzzentrum Sport, Gesundheit & Technologie« in Garmisch-Partenkirchen ging es ans Eingemachte. 22 Tourenski mussten zeigen, was sie können und sich der Jury stellen. Skitourengehen boomt und nicht erst seit gestern. Ein Grund mehr für die Skihersteller, endlich aus ihrem Dornröschenschlaf zu erwachen und mit eigenständigen Konstruktionen, spezifischen Innovationen und modernem Design für frischen Wind in der Branche zu sorgen. Das ist ihnen gelungen, was auch der diesjährige Tourenskitest des BERGSTEIGER deutlich macht. Getestet wurde bei besten Bedingungen am Stubaier Gletscher, dabei ging es einerseits zügig bergauf und andererseits auf Piste und Gelände rasant bergab.
Rock ‘n‘ Roll!
Voll im Trend sind in der kommenden Saison die sogenannten »Rocker-Shapes«. Im Unterschied zum konventionellen Ski hat der »Rocker« eine geänderte Biegelinie – der Ski liegt nicht wie gewohnt an Spitze und Ende im Schnee auf, sondern in der Mitte. Enden und Spitzen sind deutlich weicher nach oben gebogen. Diese Technik bringt konstruktions- und fahrtechnische Vorteile. Die Ski sind stabiler und torsionssteifer, dadurch schwimmen sie im Tiefschnee perfekt auf und lassen sich in fast allen Schneearten spielerisch leicht fahren und drehen. Ein wenig bockig verhält sich der »Rocker« auf hartem Untergrund und im Steilgelände. Grund dafür ist der gewöhnungsbedürftige Kantengriff und die verminderte Führung beim Schussfahren, da der Ski hier nicht über die Taillierung gefahren wird. Die Entwicklung geht noch weiter: Um die Vorteile der klassischen »Camber«-Konstruktion und »Rocker«-Technologie zu verbinden, werden beim sogenannten »Tip-Rocker« kurzerhand die unterschiedlichen Biegelinien kombiniert. Vom Skiende bis ungefähr zur Mitte von der Bindung bis zur Skispitze verfügt der Ski über einen klassischen Shape, im vorderen Skidrittel folgt schließlich eine flache »rocker«artige Aufbiegung des Ski bis zur Skispitze. Diese Konstruktion verspricht sowohl ein bisher gewohntes Fahrverhalten auf Piste und hartem Untergrund, als auch – aufgrund der sanften Aufbiegung im Vorderteil des Skis – ein leichtes Aufschwemmen im weichen Schnee und letztendlich eine Optimierung der Drehfreudigkeit ebenso wie eine Erleichterung der Schwungauslösung.Abspecken bitte
Ein ständiges Thema ist natürlich auch die Gewichtsreduktion. Abgesehen vom federleichten Wettkampfski, der allerdings nicht mehr den heutigen Anforderungen an die Abfahrtsperformance entspricht, tendiert auch der klassische Tourenski zu deutlich mehr Leichtigkeit. Mit Hochdruck arbeiten die Skihersteller an einer Verringerung des Skigewichts und versuchen durch die Verwendung innovativer Materialien jeweils noch ein paar Gramm zusätzlich herauszukitzeln. Die Gewichtsangabe eines Ski gilt nämlich als hervorragendes Verkaufsargument – allerdings sollte geringes Gewicht nicht mit schlechten Fahreigenschaften oder geringer Haltbarkeit einhergehen. So würde der Verzicht auf alle dämpfenden Materialien zum Beispiel das Gewicht deutlich senken, das Fahrverhalten bei harten Bedingungen oder bei hohem Tempo aber gravierend verschlechtern. Hier ist also Ideenreichtum gefragt: Ein gutes Beispiel für konsequenten Leichtbau ist der Völkl Inuk, der den Spagat zwischen hervorragendem Fahrverhalten und extrem niedrigem Gewicht bestens schafft.Reinsteigen und wohlfühlen
Zwickt der Schuh, so fehlt‘s auch am richtigen Schwung. Das Fahrverhalten hängt extrem vom passenden Skischuh in Kombination mit der entsprechenden Bindung ab. Wir erinnern an den Bindungstest im BERGSTEIGER 11/2010, in dem die Kraftübertragung von Skitouren- und Freeridebindungen unter Laborbedingungen getestet wurde. Dabei waren die Unterschiede kaum zu übersehen. In puncto Torsionssteifigkeit (bewertet die Verwindung der Bindung bei aufgekantetem Ski) bewegten sich die Werte der besten und der schlechtesten Bindungen über dem Faktor 2 deutlich auseinander. Im Klartext: Mit einer extrem »weichen« Bindung lassen sich die Qualitäten eines Tourenski nicht ansatzweise ausschöpfen. Im Gegenteil, im eisigen Steilgelände und mit breiten Ski kann eine Abfahrt sogar gefährlich werden! Die im Test montierten Marker- und DIAMIR-Skitouren- und Freeridebindungen bieten nach aktuellem Wissensstand eine optimale Kraftübertragung und sind deshalb besonders empfehlenswert.
Präparierung, Haltbarkeit und Verarbeitung
Zwei Kriterien konnten im BERGSTEIGER-Skitest leider nicht überprüft werden: zum einen die Präparierung von Skibelag und Kante. Bei einer stichprobenartigen Untersuchung der Ski fielen bereits einige Unterschiede auf. Wer das »Lebensalter« seines Ski erhöhen möchte, sollte ihm regelmäßig einen großen Skiservice beim Spezialisten gönnen oder in der eigenen Werkstatt die Ski entsprechend präparieren und pflegen. Das zweite Kriterium, das nicht bewertet werden konnte und durchaus entscheidend für den Kauf sein sollte: Verarbeitung und Haltbarkeit. Hier können ausschließlich Empfehlungen des Fachhandels weiterhelfen. Im Rahmen des BERGSTEIGER-Skitests konnten jedoch keine Defekte oder überdurchschnittliche Abnutzungen festgestellt werden.
Die Ergebnisse des Tourenski-Tests im Einzelnen
Tourenski
In diesem Bereich liegt der Völkl Inuk deutlich vor seinen Mitbewerbern. Und zur großen Überraschung nicht nur in puncto Gewicht, sondern auch in seinen Fahreigenschaften. Ganz gleich, ob eisiger Untergrund oder tiefster Powder, der Innuk fährt mit der innovativen »Tip-Rocker«-Konstruktion der Konkurrenz auf und davon und dürfte für den kommenden Winter einer der gefragtesten Tourenski werden. Dicht gefolgt vom XPLOR `AIR von Scott, der sich zwar besser auf der Piste zeigt, dafür aber knapp 500 Gramm Zusatzgewicht pro Paar auf die Waage bringt.
Trotz allem ist der XPlor ein absolutes Highlight durch seine extrem aufwändige und widerstandsfähige Carbon-Konstruktion. Eine ernsthafte und vor allem günstige Alternative bieten die Modelle von Black Diamond, Hagan und K2 – durch die Bank Klasse-Ski, mit denen man sicher viel Spaß am Berg haben wird. Von Verlierern kann hier generell nicht die Rede sein – das Testteam war sich vielmehr einig, dass mit Hilfe entsprechender Präparierung auch das Fahrverhalten noch weiter optimiert werden könnte. Vor allem im Pistenbereich überzeugten die Testski, die ab Werk mit einer hervorragenden Kanten- und Belagspräparierung geliefert werden. Bei Preisen um die 500 Euro sollte das jedoch eigentlich zum Standard gehören!
Touren-Freerider
Touren-Freerider unterliegen nicht dem strengen Gewichtsdiktat klassischer Tourenski und bieten so durch die Verwendung von schwereren Materialien meist ein satteres Fahrgefühl. Dies macht sich schnell bei schwierigen Verhältnissen oder auf eisigen Pisten bemerkbar. Da jeder Hersteller die entsprechende Klassifizierung unterschiedlich einstuft, sind die Abweichungen vom Touren- zum Touren-Freerider oft fließend. So könnte zum Beispiel der Dynafit Manaslu ohne Weiteres in der Gewichtsklasse der Top-Tourenski antreten.
Damit boxt er sich elegant durch beide Skiklassen. Erstaunlich in der Tourenfreeride-Wertung: Die Top Drei mit den besten Aufstiegseigenschaften punkteten auch beim Fahrverhalten: der K2 Wayback, der Völkl Amaruq und der Blizzard Bushwacker. Besondere Erwähnung gilt dem Hagan Corvus, der als preisgünstigste Variante im Test ganz vorne mithalten konnte – sowohl im Aufstieg als auch bei der Abfahrt.
Nachhaltigkeit
Hier den kompletten Touren- und Freeride-Ski Test herunterladen