Demavand (5671m) Iran - Der »ideale« Skigipfel | BERGSTEIGER Magazin
Skitourenberge weltweit - Demavand im Iran

Demavand (5671m) Iran - Der »ideale« Skigipfel

Der Vulkankegel ist der höchste Berg im iranischen Elbrusgebirge. Als einer der höchsten freistehenden Berge der Welt bildet er gleichzeitig die höchste Erhebung zwischen den Alpen und den Gebirgsmassiven Zentralasiens.

 
Skitourenberge weltweit - Demavand im Iran © BERGSTEIGER
Skitourenberge weltweit - Der Demavand im Iran
Du musst verrückt sein, muss es denn ausgerechnet Iran sein?« So oder ähnlich fallen die Reaktionen in meinem Freundeskreis aus, als ich erkläre, dass ich nach über 20 Jahren wieder in den Iran fahren werde…

Gegen drei Uhr Uhr nachts landet unsere Maschine am »Mehrabad International Airport«. Wir sind die einzigen Touristen. Die vier Damen in unserer kleinen Gruppe haben bereits im Flugzeug ihr Haar gewissenhaft mit Kopftüchern verhüllt. Bei der Fahrt ins Hotel ist es auf den Straßen überraschend ruhig. »Eine trügerische Ruhe«, wie unser Fahrer andeutet – »in wenigen Stunden geht hier gar nichts mehr«. Am nächsten Morgen verstehen wir seinen diskreten Hinweis: Die Stadt hat sich wahrhaftig verändert.

Von der Rückständigkeit bei meiner letzten Iranreise ist nichts mehr zu spüren. Teheran hat sich zu einer modernen Metropole entwickelt. Ein unbeschreibliches Verkehrschaos bildet den Rahmen für eine kurze Besichtigung der Altstadt und des berühmten »Großen Basars«. Der deutsch sprechende Stadtführer erzählt stolz vom größten überdachten Handelsplatz der Welt. Mehr Besichtigungsorte haben wir uns nicht vorgenommen, das Verkehrsaufkommen lässt es schlichtweg nicht zu.

Sichtbare Verwandlung

Nachmittags verlassen wir Teheran auf dem Highway nach Nordosten in Richtung Elburs Mountains. Wir fahren über den 2750 Meter hohen Imam-Zade-Haschim-Pass durch Polur und erreichen nach etwa vier Stunden den Bergsteigerort Rineh (2080 m). In einem Haus des Iranischen Bergsteigerverbandes werden wir einquartiert. Es ist kaum in Worte zu fassen, wie sich der Ort in den vergangenen 20 Jahren verändert hat. Das schmale, staubige Dorfsträßchen von damals wurde zu einer vierspurigen asphaltierten Hauptstraße ausgebaut. Alles in allem hat sich das kleine Bergdorf mit seinen ärmlichen Lehmhütten in einen stattlichen Ort verwandelt. Auch Mobilfunk gehört längst zum Standard.

Ab jetzt werden uns vier iranische Begleiter zur Seite stehen: Der 55-jährige Rasool Naghavi stand 1998 als Mitglied einer iranischen Expedition sogar schon auf dem Mount Everest. Die anderen – alle drei sympathische junge Männer – studieren an der Universität in Teheran, sind begeisterte Alpinisten und außergewöhnlich liebenswürdig und hilfsbereit. 

In der Talherberge wird die Ausrüstung für die kommenden Tage sortiert und verpackt. Das Wetter am nächsten Morgen ist alles andere als motivierend. Regen prasselt auf das Hüttendach und vieles deutet darauf hin, dass eine Besserung wohl nicht zu erwarten ist. In einer Regenpause fällt endlich der Entschluss, den Aufstieg zur 2009 neu erbauten Bargah-Hütte auf 4250 Metern wenigstens zu versuchen. Alle haben ihre Goretex-Überbekleidung angezogen, denn mittlerweile regnet es wieder. Auf den offenen Ladeflächen zweier Pickups geht die zugige Fahrt auf einer Schotterstraße in Richtung Gusfandsara Moschee, die am Ende der Bergstraße in 3000 Metern errichtet wurde.

Auf 2700 Meter Höhe endet sie schon früher als gedacht. Schneereste blockieren die verschlammte Piste. Nebenan warten einige Männer mit ihren Mulis für den Transport der Küchenausrüstung. Wir befestigen die Tourenski an den Rucksäcken und steigen langsam die ersten Meter nach oben. Der Demavand vor uns ist tief in Wolken verborgen und immer wieder begrüßt er uns mit Regen- und Graupelschauern. Auf etwa 3400 Metern ist die Schneegrenze erreicht und endlich können wir die Ski benützen. Schneefall hat eingesetzt und der Wind hat zugenommen. Insgesamt fünf Stunden benötigen wir, bis nach 1550 Aufstiegsmetern im grausigen Sturm endlich die schützende Hütte erreicht ist. 

Höhensturm am Demavand

Die Hütte liegt wenige Meter oberhalb des alten Biwaks Bargah-e-Sevon, auch als »Shelter 3« bekannt. Die einfache, unbewirtschaftete Hütte schützt vor dem Sturm draußen, und im warmen Daunen-Schlafsack spüre ich langsam sogar ein wenig das Gefühl von Behaglichkeit aufkommen. Erst einige Stunden nach Mitternacht lässt der Sturm nach, am nächsten Morgen reißen die Wolken auf und sogar der Gipfel des Demavand wird allmählich frei. Im gleißenden Sonnenlicht steigen einige mit den Fellen drei-, vierhundert Höhenmeter hinauf. Wenn das Wetter stabil bleibt, werden wir am nächsten Tag versuchen, den Gipfel zu erreichen.

Gegen drei Uhr stehe ich auf; der Nachthimmel ist sternenklar. Beim ersten Tageslicht kurz vor fünf starten alle in Richtung Gipfel. Es ist sehr kalt, während der Nacht hat der Wind leider wieder zugenommen. Mit den Harscheisen steigen wir auf dem harten und windgepressten Schnee bergwärts. Wegen der starken Böen, die einen manchmal fast umreißen, ist es sehr schwierig, den gewohnten Rhythmus zu finden. Plötzlich ein lauter Aufschrei, Margret wird von einer Böe bei einer Spitzkehre aus dem Stand geworfen und rutscht unkontrolliert fast hundert Höhenmeter den Hang hinab. Zum Glück bleibt sie unverletzt und kann nach einigen Schreckminuten ihren Aufstieg fortsetzen.

Dieser 1500 Meter hohe Gipfelhang scheint endlos zu sein. Kehre um Kehre steigen wir aufwärts, Stunden verrinnen wie im Flug. Die 5000-Meter-Marke wird überschritten und alle spüren die ungewohnte Höhe. Bei etwa 5400 Metern wird eine geeignete Stelle für das Skidepot erreicht. Ich weiß, dass der Gipfel nun nicht mehr weit sein kann. Mit Steigeisen steigen wir keuchend den abgeblasenen Gipfelhang weiter aufwärts, vorbei an gelblichen Bodenöffnungen, aus denen übel stinkender Schwefeldampf austritt, der sich mit den umher ziehenden Wolkenfetzen vermischt und die Sonne immer wieder verdeckt.

Die meterhohen Felsen unterhalb des Kraters sind zentimeterdick mit Raufrost zugeweht. Der Höhensturm hat sie in bizarre Skulpturen verwandelt, die jetzt im gleißenden Sonnenlicht eine gespenstisch wirkende Szenerie bilden. Nur noch wenige Meter, dann stehen wir nach fast acht Stunden Aufstieg auf dem Gipfel des Demavand! Rasool wartet schon auf uns, – in den wenigen Tagen sind er und seine drei iranischen Begleiter richtige Freunde für uns geworden!

Das andere Gesicht des Iran

Zwei Tage später sind wir zurück in Teheran. Wieder ist iranisches Wochenende. Am Nachmittag sitzen wir auf der Terrasse einer Cafeteria in einer der renommierten Teheraner Parkanlagen. Die Menschen genießen ihren freien Tag, genauso wie auch wir und viele andere Menschen auf dieser Welt es zu Hause tun würden. Einige Studentinnen kommen mit uns ins Gespräch und für einen kurzen Moment fühle ich mich wie daheim. Nima, einer unserer Begleiter, verabschiedet sich von mir und schenkt mir dabei sein kleines, liebgewonnenes Fotostativ als Erinnerung.

Im Gegensatz zum vorherrschenden Bild werde ich nachfolgende Erkenntnis wieder einmal mehr mit nach Hause nehmen: Der überwiegende Teil aller Menschen ist friedfertig, freundlich und zuvorkommend. Die Menschen im Iran sind es mit ihrer unglaublich natürlichen Gastfreundlichkeit  im Besonderen.        
 
Text: E. Radehose
 
Mehr zum Thema