Ötztaler Wandertheater
Wandertheater im Ötztal: Im Bühnen-Himmel
© Ernst Lorenzi/ Ötztal Tourismus, Judith Kunz
Gebirgsbach statt Bühnengraben: Die Ötztaler Alpen bilden eine nie gesehene Theaterkulisse.
Gebirgsbach statt Bühnengraben: Die Ötztaler Alpen bilden eine nie gesehene Theaterkulisse.
Im Jahr 1416: Friedrich, der Herzog von Tirol, ist auf der Flucht – und am Ende seiner Kräfte, als er das hintere Ötztal erreicht. Bauern helfen ihm über die Berge nach Südtirol. In Meran, aus sicherer Entfernung, schmiedet Friedl Allianzen, gewinnt die Herrschaft zurück und führt Tirol zu nie dagewesener wirtschaftlicher Blüte.
Szenenwechsel. 600 Jahre später, wieder im hinteren Ötztal: 40 Personen verlassen Vent Richtung Marzellferner, das Ötztaler Wandertheater ruft sie in die Berge. Nach sieben Stationen erreichen sie die Martin-Busch-Hütte, kommen mit den Schauspielern ins Gespräch und haben ein nie dagewesens Theaterstück erlebt: »Friedl mit der leeren Tasche.« Wer das geschichtsträchtige Roadmovie erleben möchte, muss sich von Spielstätte zu Spielstätte bewegen.
Genau 660 Höhenmeter und knapp zehn Streckenkilometer sind es vom Bergsteigergerdorf Vent durchs Niedere Tal hinauf zu einer weiten Ebene, in der sich Friedl Richtung Italien verabschiedet. Vor ihm liegt der Schnalskamm mit dem mächtigen Similaun (3606 m), an dessen Felswänden entlang die uralte Flucht- und Schmugglerroute von Nord- nach Südtirol verläuft. Die Landschaft: karg, unwirtlich, von Felsstürzen gezeichnet, von Zivilisation verschont. »Die perfekte Kulisse für Historienstoff«, schwärmt Regisseur Hubert Lepka, nachdem er tief Luft geholt hat. Denn auch er muss sich bewegen. Und an den insgesamt sieben Naturspielstätten am Weg unter anderem den Empfängerkasten neu ausrichten. Denn alle Wanderer tragen einen Knopf im Ohr. Sie hören jeden Atemzug, jeden Seufzer, vernehmen noch so leise Selbstgespräche – selbst wenn Friedl (gespielt von Ekke Hager) sich in der Ferne am tosenden Wildbach erfrischt und noch gar nicht zu sehen ist. Begleitet wird er von der hilfreichen Magd Anna (Anna Maria Müller), mit der sich eine Liebelei anbahnt, und von der »fremden Frau« (Marion Hackl), die immer wieder dazwischen funkt.
Hubert Lepka (links) und Ernst Lorenzi richten den Ton-Empfänger an jeder Station neu aus.
Wie genau sich Friedl durchs hintere Ötztal schlug, ist nicht belegt. »In der Schule haben wir gelernt, dass er bei unseren Bauern Unterschlupf fand, konkret auf den Rofenhöfen«, erzählt Ernst Lorenzi. Er ist der Initiator des Wandertheaters, mit dem er eine sanfte Antwort auf das Söldener Pistenspektakel »Hannibal« geschaffen hat, das ebenfalls seine Idee war. Das historisierende Stück zeigt lediglich, wie es gewesen sein könnte. Da findet dann auch die kleine Anna-Liebelei ihren Platz – und macht die Sache noch ein wenig interessanter. Allerdings nur, sofern man sich konzentriert. Denn die Schauspieler in ihren historischen Gewändern sprechen die Dialoge teilweise in authentischem Ötztaler Dialekt, der dem Mittelhochdeutschen nahesteht und von der Unesco zum immateriellen Kulturerbe erhoben wurde.
Maximal 40 Zuschauer je Vorstellung: Mehr Karten werden nicht ausgegeben.
Wenn die Gespräche verstummen, erklingen aus dem Knopf im Ohr mal Hirtenlieder, mal geistliche Avantgarde- Musik des 15. Jahrhunderts. Zwischendurch werfen Sprecher aus dem Off Schlaglichter auf die politisch-gesellschaftlichen Zusammenhänge zu Zeiten des ausgehenden Mittelalters und der beginnenden Renaissance. Und wenn es im Plot darum geht, in 3000 Meter Höhe am Berg doch besser zusammen zu halten und sich auch als »fremde Frau« in die Wandergruppe zu integrieren, schafft das Stück einen Bezug zur Jetzt-Zeit.
Die Darsteller legen die Hälfte der Strecke mit dem Fahrrad zurück, um vor den Zuschauern die nächste Spielstätte zu erreichen. Während das Publikum ausruht und das Schauspiel genießt, geben die Schauspieler alles. Und das bei jedem Wetter. Spätestens wenn Anna zum Schluss ihren elfenartigen, ballettreifen Liebestanz aufführt – barfuß, auf mit Steinen durchsetztem Grün – weiß man auch die körperliche Leistung zu schätzen, die die Akteure über fünfeinhalb Stunden im hochalpinen Raum erbringen.
Die Magd Anna (links) kommt Friedl zu Hilfe. Die »fremde Frau« jedoch funkt immer wieder dazwischen.
Nach mehr als fünf Stunden war Friedl lange genug mit seiner leeren Tasche unterwegs. In der Martin-Busch-Hütte kommen Bier und Brotzeit auf den Tisch, die Zuschauer kommen mit den Darstellern ins Gespräch und es herrscht wohl kein Zweifel darüber, dass die Theaterwelt noch keinen besseren Bühnenbildner gesehen hat.
Szenenwechsel. 600 Jahre später, wieder im hinteren Ötztal: 40 Personen verlassen Vent Richtung Marzellferner, das Ötztaler Wandertheater ruft sie in die Berge. Nach sieben Stationen erreichen sie die Martin-Busch-Hütte, kommen mit den Schauspielern ins Gespräch und haben ein nie dagewesens Theaterstück erlebt: »Friedl mit der leeren Tasche.« Wer das geschichtsträchtige Roadmovie erleben möchte, muss sich von Spielstätte zu Spielstätte bewegen.
Genau 660 Höhenmeter und knapp zehn Streckenkilometer sind es vom Bergsteigergerdorf Vent durchs Niedere Tal hinauf zu einer weiten Ebene, in der sich Friedl Richtung Italien verabschiedet. Vor ihm liegt der Schnalskamm mit dem mächtigen Similaun (3606 m), an dessen Felswänden entlang die uralte Flucht- und Schmugglerroute von Nord- nach Südtirol verläuft. Die Landschaft: karg, unwirtlich, von Felsstürzen gezeichnet, von Zivilisation verschont. »Die perfekte Kulisse für Historienstoff«, schwärmt Regisseur Hubert Lepka, nachdem er tief Luft geholt hat. Denn auch er muss sich bewegen. Und an den insgesamt sieben Naturspielstätten am Weg unter anderem den Empfängerkasten neu ausrichten. Denn alle Wanderer tragen einen Knopf im Ohr. Sie hören jeden Atemzug, jeden Seufzer, vernehmen noch so leise Selbstgespräche – selbst wenn Friedl (gespielt von Ekke Hager) sich in der Ferne am tosenden Wildbach erfrischt und noch gar nicht zu sehen ist. Begleitet wird er von der hilfreichen Magd Anna (Anna Maria Müller), mit der sich eine Liebelei anbahnt, und von der »fremden Frau« (Marion Hackl), die immer wieder dazwischen funkt.
Hubert Lepka (links) und Ernst Lorenzi richten den Ton-Empfänger an jeder Station neu aus.
Wie genau sich Friedl durchs hintere Ötztal schlug, ist nicht belegt. »In der Schule haben wir gelernt, dass er bei unseren Bauern Unterschlupf fand, konkret auf den Rofenhöfen«, erzählt Ernst Lorenzi. Er ist der Initiator des Wandertheaters, mit dem er eine sanfte Antwort auf das Söldener Pistenspektakel »Hannibal« geschaffen hat, das ebenfalls seine Idee war. Das historisierende Stück zeigt lediglich, wie es gewesen sein könnte. Da findet dann auch die kleine Anna-Liebelei ihren Platz – und macht die Sache noch ein wenig interessanter. Allerdings nur, sofern man sich konzentriert. Denn die Schauspieler in ihren historischen Gewändern sprechen die Dialoge teilweise in authentischem Ötztaler Dialekt, der dem Mittelhochdeutschen nahesteht und von der Unesco zum immateriellen Kulturerbe erhoben wurde.
Maximal 40 Zuschauer je Vorstellung: Mehr Karten werden nicht ausgegeben.
Wenn die Gespräche verstummen, erklingen aus dem Knopf im Ohr mal Hirtenlieder, mal geistliche Avantgarde- Musik des 15. Jahrhunderts. Zwischendurch werfen Sprecher aus dem Off Schlaglichter auf die politisch-gesellschaftlichen Zusammenhänge zu Zeiten des ausgehenden Mittelalters und der beginnenden Renaissance. Und wenn es im Plot darum geht, in 3000 Meter Höhe am Berg doch besser zusammen zu halten und sich auch als »fremde Frau« in die Wandergruppe zu integrieren, schafft das Stück einen Bezug zur Jetzt-Zeit.
Die Darsteller legen die Hälfte der Strecke mit dem Fahrrad zurück, um vor den Zuschauern die nächste Spielstätte zu erreichen. Während das Publikum ausruht und das Schauspiel genießt, geben die Schauspieler alles. Und das bei jedem Wetter. Spätestens wenn Anna zum Schluss ihren elfenartigen, ballettreifen Liebestanz aufführt – barfuß, auf mit Steinen durchsetztem Grün – weiß man auch die körperliche Leistung zu schätzen, die die Akteure über fünfeinhalb Stunden im hochalpinen Raum erbringen.
Die Magd Anna (links) kommt Friedl zu Hilfe. Die »fremde Frau« jedoch funkt immer wieder dazwischen.
Nach mehr als fünf Stunden war Friedl lange genug mit seiner leeren Tasche unterwegs. In der Martin-Busch-Hütte kommen Bier und Brotzeit auf den Tisch, die Zuschauer kommen mit den Darstellern ins Gespräch und es herrscht wohl kein Zweifel darüber, dass die Theaterwelt noch keinen besseren Bühnenbildner gesehen hat.
Judith Kunz
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 04/2017. Jetzt abonnieren!
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