Der Waxenstein im Schatten der Zugspitze | BERGSTEIGER Magazin
Neue Serie: Wilde Wege

Der Waxenstein im Schatten der Zugspitze

Abertausende Bergsteiger sind schon an ihm vorbeimarschiert, die Zugspitze fest im Blick. Dabei würde ihnen eine Tour auf den Großen Waxenstein die Augen öffnen: welch wilde Wege im Wetterstein noch warten.
 
Einsamer Ahorn am Waxenstein: bessere Aussicht als vom AlpspiX, weniger los © Thomas Ebert
Einsamer Ahorn am Waxenstein: bessere Aussicht als vom AlpspiX, weniger los
Wie misst man die Beliebtheit einer Bergtour? Man kann in Führern blättern, bei Alpinschulen fragen, die Bergwacht anrufen, selber nachgucken. So richtig analog. Oder man geht ins Internet und surft (!) ein wenig herum. Die Parallelwelt namens YouTube etwa ist gar kein schlechter Indikator: Für die Zugspitze wirft das Videoportal mehr als 44.000 Treffer aus, darunter Blockbuster wie: »Ich im Stopselzieher«, und »Roman und Ramona im Iglu-Dorf auf dem Platt«. Sucht man dagegen nach dem benachbarten Waxenstein, meldet Youtube 237 Treffer, davon sind 234 Werbefilmchen für Pensionen. Kaum besser sieht es auf den Webseiten der Garmischer Bergführer aus.
 

Der Waxenstein - kein Berg für Orientierungslose

Der Waxenstein, ein übersehenes Juwel? Ja und Nein. Schon Hermann von Barth stellte fest, dass der Waxenstein »kaum anderen Besuch als den des Jägers und des Schafhirten« erhalte, während sich im Höllental schon die Touristen tummelten. Aber selbst ein Barth tat sich reichlich schwer mit der Ersteigung des Großen Waxenstein – kein schlechtes Indiz für einen wilden Weg. Barth wird übrigens häufig als Erstbesteiger des Großen Waxensteins genannt – obwohl die Signalstange, die er 1871 am Gipfel fand, wohl kaum aus einem Hubschrauber abgeworfen wurde.

Willi Kraus, der Bereitschaftsleiter von der Grainauer Bergwacht, ist nicht direkt begeistert, den Waxenstein als Tourentipp im Bergsteiger zu lesen. Der Waxenstein fällt in sein Arbeitsgebiet. »Einsätze haben wir dort ganz selten. Ab und zu versteigt sich mal jemand. Der letzte Absturz war vor über 25 Jahren.« Das soll natürlich so bleiben. Daher warnt Kraus eindringlich: »Der Waxenstein ist sehr anspruchsvoll von der Orientierung her, und man bewegt sich immer im Absturzgelände.« Kraus hat Recht: Die erste Orientierungshürde wartet im Tal. Der Große Waxenstein erscheint von Grainau aus so dominant, dass er nicht selten für die 700 Meter höhere Zugspitze (die er knapp verdeckt) gehalten wird. Bis zum Höllentalanger teilt man sich den Weg mit Zugspitzaspiranten und Tagesausflüglern – für die einen sind das Gurgeln und Donnern der Höllentalklamm das Highlight des Tages, für die anderen ein atmosphärischer Auftakt für einen Tag auf wilden Wegen.
 

Panorama am Schafsteig

An der Höllentalangerhütte trennen sich die Wege. Ein blasses, rotes »W« bezeichnet den Einstieg in die Südflanke des Waxensteins. Sofort steht man in exponierten Schrofen, die Hände müssen aus den Hosentaschen, kein Gramm Eisen steckt im Fels – wer hier zögert, darf ruhigen Gewissens zur Hütte umkehren. Wer den zweiten Grad beherrscht, befindet sich nun im Paradies. Die Spuren sind dünn, aber ausreichend, der Kalk ist karg, letzte Graspolster krallen sich hinein, ehe darüber die Steinzeit beginnt. Der einzige Nachteil solch wilder Wege offenbart sich in der Gipfelrinne. Das Steigen in den kaminartigen Aufschwüngen ist kaum schwieriger als zuvor – ein Risiko ist eher der herumliegende Schotter, dem ein paar Begehungen zum Ausputzen nicht schaden würden. Am Gipfel den Eibsee zwischen den Zehenspitzen, den Jubiläumsgrat gegenüber, das Höllental tief unten – jedes Wort wäre zu viel. Die Weltentrücktheit, sie folgt dann später, am Schafsteig.

Schafsteig, das hört sich nach Talwanderung an, nach Halbtagesbummel. Im Prinzip ist es ein Panoramaweg –ohne Weg. Nur: angesichts dessen, was Touristiker heute als Panoramaweg kandideln, trifft auf den Schafsteig eher »Götterquergang« zu. Immens hoch oben führt er durch die Südflanke, verblüffend einfach, sofern man penibel auf seine Spuren achtet. Für Barth war es »eine Bergwanderung, so eigentümlich, wie sie weder vor noch nach diesem Tage mir jemals vorgekommen, ein Quermarsch durch eine Gebirgsflanke, die man ihrer Steile wegen für kaum zugänglich ansehen möchte.« So steil zumindest, dass auch kein GPS hilft.
 

Der wilde Weg zum Waxenstein

  • Schwierigkeit: Anspruchsvoll
  • Dauer: 9 Stunden
  • Höhendifferenz: ↗ 1600Hm, 1600Hm
  • Ausgangspunkt: Hammersbach (758 m)
  • Hütte: Höllentalangerhütte (1387 m)
  • Aufstieg: Bis zur Höllentalangerhütte auf bestens angelegten Wegen. Dahinter über ein Schotterfeld zur roten Markierung »W«. Ab hier steil und ausgesetzt, stets den Spuren und Steinmännern folgend. Nach dem markanten Ahorn vorbei tendenziell nach links, die Schrofen werden plattiger. Auf 1970 m trennt sich der Weg: nach rechts geht es in die Mittagsscharte, wir folgen dem roten »GW« nach links. Kurz darauf weist erneut ein rotes »W« hinauf in die Gipfelrinne. Man verlässt sie bei etwa 2170 Metern nach rechts und steigt über Schrofen zum Gipfel.
  • Abstieg: Die Rinne wieder hinab bis zum »W«, dann nach rechts in den fast horizontalen Schafsteig. Erst in den Schönanger geht es spürbar hinab. Man erreicht den Wanderweg zur Riffelscharte; man steigt nun entweder über diese zum Eibsee hinab oder wandert durch das Höllental zurück zum Ausgangspunkt.
  • Karte: AV-Karte 1:25 000, BY 8 »Wettersteingebirge, Zugspitze«
  • Führer: Mark Zahel »Alpine Bergtouren: Karwendel und Wettersteingebirge«, Bruckmann Verlag 2014
Thomas Ebert
Fotos: 
Thomas Ebert
 
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