Blog: Einbeinig auf dem Weg zur ersten Skitour – Teil 6 | BERGSTEIGER Magazin

Blog: Einbeinig auf dem Weg zur ersten Skitour – Teil 6

2016 überquerte Jacqueline Fritz die Alpen – auf einem Bein und mit Krücken. Jetzt hat die beinamputierte Sportlerin ein neues Projekt: Sie will auf Skitour gehen. Doch dafür muss sie zunächst Skifahren lernen. Im Bergsteiger-Blog erzählt sie von ihren Fortschritten.
Teil 6: Das Handling
 
Jaqueline Fritz mit gepimpten Gehhilfen auf Skitour © Peter Musch
Die erste kleine Skitour
Das tägliche Gehen mit den Tourenski „läuft“ inzwischen richtig gut, ebenso das Pistenfahren. Nun wollen wir uns speziell mit dem Tourengehen beschäftigen. Hierzu zählt auch im Speziellen Wetter-, Schnee- und Materialkunde. Es ist total interessant für mich in diesen Gebieten mehr zu erfahren.

Des Weiteren wollen wir uns mit dem Handling des Skis sowie der Krücken beschäftigen. Ich hatte mir speziell zum Tourengehen meine Gehstützen getuned. Zum einen Hunde-Frisbeescheiben als Teller montiert, zum anderen Stahlbohreraufsätze als Dorn mit Kunstharz eingegossen. Beides funktioniert einwandfrei, wobei die Teller etwas tiefer sein könnten. Falls sie sich in der Höhe nicht etablieren, kann ich sie jederzeit noch tiefer setzen. Aber das wird sich dann alles eh erst im Gelände zeigen.Was natürlich auch interessant wird, wie ich als Einbeinige spezielle Dinge im Gelände meistern werde. Im Moment laufe ich ja erstmal nur auf verschneiten Wanderwegen.

Immer wieder treffen wir auf interessierte Menschen, die mehr über das Projekt erfahren wollen. Witzig ist, dass wir dabei immer wieder in eine für uns vorhersehbare, witzige Situation kommen. Frauen sind begeistert und feuern uns mächtig an. Männer sehen das komplett anders. Wenn wir einem Mann von unserem Projekt erzählen kommt erstmal:
  1. Das geht nicht!  
  2. Wie machst du eine Spitzkehre?
  3. Wie traversierst du in Eispassagen?
Wir müssen dann schon immer lachen, da es tatsächlich immer gleich abläuft.



Geht nicht, gibts für mich schon mal nicht. Zumindest versuche ich es erst, bevor ich sage, dass es nicht geht. Das mit der Spitzkehre übe ich einfach im Tal, alles Weitere wird man eh erst am Berg sehen. Mein großer Vorteil ist, dass ich kein Problem mit dem zweiten Bein habe. Nun zu den Eispassagen… Also mal ehrlich: Ich bin bis vor einigen Wochen noch nie im Leben Ski gefahren, nun soll ich Eispassagen traversieren? Das sieht mein Plan für diesen Winter erstmal noch nicht vor. Saskia und ich wollen es sicher und langsam angehen und in Ruhe diese Sportart kennenlernen und ausüben. Alles Weitere kommt dann mit etwas Zeit und viel Übung.

Heute wollen wir mal versuchen die Rodelbahn hochzulaufen und oben angekommen wieder abzufahren. Loui soll natürlich auch mitkommen. Im Tal klappt es mit ihm schon super. Er wechselt inzwischen problemlos hinter mir die Seiten, und passt hervorragend auf meine Ski auf, damit ich nicht in ihn reinfahre. Nun soll er lernen, dass es durchaus auch mal andere Skifahrer gibt, die von hinten schnell an ihm vorbeifahren. Auch Pistenraupen und so weiter sollte er mal gesehen haben. Da ich ihn nicht überfordern will, nehme ich mir für solche Versuche besonders viel Zeit und übe in Ruhe und Geduld mit ihm.



Da er als Bergbegleithund sehr gut und sensibel auf mich reagiert, muss er lernen, dass nicht er mir in brenzligen Situationen beim Skifahren helfen muss, sondern dass diesen Job Saskia übernimmt. Er soll tolerieren, dass sie mal von hinten schneller angefahren kommt um mit mir gemeinsam steilere Passagen abzufahren, wenn ich damit überfordert bin oder Probleme habe. Genau dies können wir auf der Rodelbahn perfekt üben.

Auf zur ersten kleinen Tour

Wir starten unsere Rodelbahntour vom Parkplatz des Anfängergeländes. Inzwischen sind wir im Umgang mit Fellen etc routiniert. So kann es schon nach kurzer Zeit losgehen. Loui freut sich mit gehen zu dürfen und tollt erstmal im Schnee herum. Für uns alle ist es heute total spannend, da es unsere erste „kleine“ Tour wird. Schon nach den ersten Metern bergauf, stelle ich fest, dass es für mich viel leichter geht, als im Tal auf den flachen Waldwegen. In gemütlichem Tempo bahnen wir uns unseren Weg. Wir haben Freude, genießen die Landschaft und staunen über die Pflanzen die man schon ein bisschen durch den Schnee erkennen kann.



Auf einmal ertönt von hinten ein klack, klack, klack….. Eine deutlich kräftezehrendere Variante des Tourengehens…. Zwei ältere Männer überholen uns. Wir begrüßen uns freundlich. Der eine schlägt vor, dass wir doch ein Wettrennen machen könnten und oben im Riederbergstüberl einen gemeinsamen Kaffee trinken sollten. Wir reihen uns hinter ihnen ein und meinen, dass sie wahrscheinlich das Rennen gewinnen werden. Da sagt der andere Mann, dass wir doch aber viel jünger seien und somit gewinnen müssten. Ich werfe kurz ein, dass ich aber nur ein Bein hab. Da bleiben sie kurz stehen und staunen nicht schlecht. Das war ihnen beim Vorbeigehen gar nicht aufgefallen. Wir unterhalten uns noch kurz und setzen dann alle unseren Weg fort. Allerdings beschließen wir, nicht bis hoch zur Hütte zu gehen, sondern mit Loui gleich die Abfahrt zu probieren.

Wir finden ein schönes Plätzchen um eine kleine Trinkpause zu machen, die Felle abzuziehen und die Ski umzustellen. Da es noch recht früh am Tag ist, sind noch nicht so viele Skifahrer unterwegs, also perfekt für Loui. Beim Hochlaufen haben wir uns schon alle Möglichkeiten überlegt, wie wir das mit ihm im Notfall machen können. Doch wir versuchen das jetzt einfach. Und es klappt super. Er macht das richtig gut. Er galoppiert neben mir her, wenn er die Seite wechseln soll oder hinter uns laufen soll, rennt er bei Saskia im Pflug mit. Der Wahnsinn. Dass er das so souverän macht, hätte ich nie gedacht. Wir fahren in einem Rutsch bis zum Parkplatz durch…

Unten angekommen werden wir wieder von unseren Gefühlen überrollt. Wir sind soooo stolz. Auf uns gegenseitig, auf Loui und auf unsere erste gemeinsame, kleine Skitour!


Hier geht es weiter zu Teil 7 und zurück zu Teil 5.
 
Jacqueline Fritz
Fotos: 
Peter Musch
 
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