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Blog: Einbeinig auf dem Weg zur ersten Skitour – Teil 3

2016 überquerte Jacqueline Fritz die Alpen – auf einem Bein und mit Krücken. Jetzt hat die beinamputierte Sportlerin ein neues Projekt: Sie will auf Skitour gehen. Doch dafür muss sie zunächst Skifahren lernen. Im Bergsteiger-Blog erzählt sie von ihren Fortschritten.
Teil 3: Unterstützung durch den Profi
 
Wer fallen wird, muss aufstehen lernen. © Peter Musch
Wer fallen wird, muss aufstehen lernen.
Nach dem heißen Tipp vom Liftpersonal nehmen wir gleich Kontakt zu Mario Oberlechner auf. Wir sind gespannt, wie das ehemalige Mitglied der Nationalmannschaft im Krückenski das Projekt findet und ob er überhaupt Lust hat, uns zu unterstützen. Mario sagt uns zu, er ist mit von der Partie. Da er arbeitsmäßig eingeschränkt ist, will er sich das alles am Wochenende anschauen und anhören. Saskia und ich freuen uns richtig, denn keiner kann das Handling der Krücken etc. so gut erklären wie er.
 
Aufgeregt sitzen wir Am Samstag im Café am Lift, wo wir mit Mario verabredet sind. Nach einem kurzen Kennenlernen geht es auch schon los. Mario muss schmunzeln, als ich von meiner Förderbandphobie erzähle. Kurzerhand nimmt er zwei Stühle, dreht sie um und meint, dass wir dann ja erst mal Trockenübungen machen müssen. Neugierig beäugen andere Skifahrer unsere Lehrstunde. Ich denke mir nur: »Schaut und lacht ihr nur. Ihr habt ja zwei Beine.«
 




Mario macht das genial. Er hat richtig tolle Tipps, die ich sofort umsetze. Und es klappt schon viel besser. Dennoch ist es mir lieber, dass Saskia direkt neben mir am Förderband steht und mich gegebenenfalls festhalten kann, sollte ich rutschen.
 
Alle drei fahren wir gemeinsam rauf ins Skigebiet zu unserem Übungshang. Bei der ersten Abfahrt schaut Mario nur zu, wie und wann ich was mache. »Als erstes sollten wir mal das Aufstehen lernen. Das ist ja kein Zustand, dass du beim Fahren immer gehalten wirst!«, sagt er anschließend.
 
Da musste ich kurz schlucken, denn genau das ist es ja, was mir Sicherheit gibt. Aufstehen Lernen bedeutet, dass ich erst mal fallen muss. Und das macht mir ein bisschen Angst, da ich vor einem Jahr schwerste Knochenbrüche im Bein hatte. Natürlich ist immer etwas Unwohlsein dabei, dass ich mich wieder in ähnlicher Form verletzen könnte. Andererseits ist es super, wenn ich mir nach einem Sturz keine Gedanken mehr um das Aufstehen machen muss, sondern einfach das ganze Procedere vorher mehrmals geübt habe.


 
Wir legen uns in den Schnee und Mario zeigt mir einige Tricks, wie man kraftsparend wieder in die Vertikale kommt. Bald klappt es auch schon richtig gut. Und Mario beschließt: »So, nun fahren wir, aufstehen kannst ja jetzt.« Ich schaue zu Saskia, um mich zu vergewissern, dass sie hinter mir ist. »Ohne Hilfe, du fährst alleine«, kommt da von meinem strengen neuen Trainer. Oha, ob das gut geht? Ich fahre los und schon beim Einleiten der ersten Kurve, kippe ich um. Das hatte ich mir einfacher vorgestellt. Zu dritt arbeiten wir uns den kleinen Übungshang hinunter. Am Riederbergstüberl angekommen muss ich erst mal was trinken und essen. Der Tag war bisher wahnsinnig anstrengend. Vielleicht auch, weil ich alles richtig machen möchte.
 
Nach der kleinen Stärkung lernen wir gleich noch das Seilliftfahren. Wobei das alleine sehr schwierig ist, da das Seil nachgibt. Mario fährt natürlich alleine, Saskia und ich zu zweit hintereinander. Das ist eine sehr wackelige Angelegenheit, aber gleichzeitig auch wahnsinnig spannend.
 
Oben angekommen merke ich schon, wie meine Kraft immer mehr schwindet. Bei jeder Kurve, die ich fahren will, kippe ich um. Wir beschließen für heute Feierabend zu machen. Es hat so einfach keinen Sinn mehr. Aber Mario will auf jeden Fall die Tage wieder mit dazukommen.
 
Natürlich interessiert es mich brennend, wie der Profi Ski fährt. Und der Mann ist der Wahnsinn! Mario brettert den Hing herunter und legt sich dabei in die Kurven, dass der Schnee nur so staubt. Als er bei uns ankommt, bin ich komplett baff. Wow. Dass es überhaupt möglich ist, mit nur einem Bein so zu fahren, hätte ich nie zu denken gewagt.

Er klopft mir auf die Schulter und meint, ich hätte es super gemacht. Da kommen mir die Tränen. Er fährt so toll, ich kann noch nichts und er meint, er sei stolz auf mich. Das berührt mich zutiefst. Zudem bin ich von der Gesamtsituation überwältigt. Vor genau einem Jahr lag ich noch im Krankenhaus und jetzt stehe ich auf der Piste und lerne Skifahren.
 
Ein ereignisreicher Tag geht zu Ende. Wir besprechen noch schnell das weitere Vorgehen, dann trennen sich unsere Wege. Mario will noch mal fahren und wir zurück ins Tal.


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Jacqueline Fritz
Fotos: 
Peter Musch