Wandern rund um Meran in Südtirol
Unterwegs im Meraner Land
© MGM
Frühling in Meran – über dem Kurhaus ragt die Texelgruppe auf.
Frühling in Meran – über dem Kurhaus ragt die Texelgruppe auf.
Jahrhunderte haben die niedrige Holzdecke gewölbt. Im Ofen knistert ein Holzscheit. Das Pendel der Wanduhr zählt die verstreichende Zeit. Der Föhnsturm hat uns in die gemütliche Stube des Dickhofs getrieben. Jetzt rüttelt er zornig an einem Fensterladen, während wir durch das kleine Fensterquadrat auf die Ortlergruppe und ins Gletschergesicht von Cevedale und Zufallspitze bli-cken. Auf 1709 Metern Höhe trotzt der Dickhof hoch über dem Eingang des Schnalstals Wind und Wetter. Gestärkt mit einem Speckbrot und gewärmt von einem Schluck Hochprozentigen stemmen auch wir uns wieder gegen den Nordwind, der wie durch eine Düse durch das enge Schnalstal pfeift und den Himmel blank putzt.
Selten liegen vergletschertes Hochgebirge und subtropische Pflanzenvielfalt so nahe beieinander wie im Meraner Land. Das hat sich bereits im 19. Jahrhundert herum gesprochen, als sich Meran zu einem beliebten Kurort entwickelte. Der europäische Adel, Künstler und Schriftsteller gaben sich ein Stelldichein. Kaiserin Elisabeth von Österreich, »Sisi«, ist dem Zauber der Stadt an der Passer erlegen und kehrte immer wieder zurück.
Hellrot leuchtet ein Südtiroler Tropfen in unseren Gläsern. Ein Stück Speck kitzelt den Gaumen. Nach unserer Tour auf den Hohen Dieb blinzeln wir vor der urgemütlichen Riemerberglalm in die tief stehende Sonne und fühlen uns ein bisschen wie im Garten Eden. Das Ultental ist tatsächlich ein Paradies für Almwanderer. Kaum eine Wanderung, bei der man nicht an einer urigen Almhütte vorbei kommt. 36 Almen sind für Wanderer bewirtschaftet und auf jeder gibt es ein anderes Schmankerl zu probieren. Von unserem Sonnenplatz blicken wir auf die blaue, in Geröll gebettete Scheibe des Arzkarsees am Fuß des Hasenöhrls. Er verdankt seine Existenz dem Energiehunger in den 1960er-Jahren, als im Ultental sechs Seen aufgestaut wurden. Sie gehören heute zum Landschaftsbild dazu, genauso wie die zahlreichen kleinen Bergseen, die Hochtäler und Mulden mit blauen Farbtupfern verzieren. Besonders am Fuß des Glecks, eines unscheinbaren, aber ungewöhnlich aussichtsreichen Fast-Dreitausenders im hintersten Ultental, glänzen aus den Almwiesen und Bergkesseln Wasseraugen in allen Größen – prickelndes Vergnügen für alle, die auf der Tour gerne einmal abtauchen.
Wenige Stunden später mischen wir uns unter die Eis schleckenden Flaneure in den Gassen Merans, lassen uns durch die Lauben treiben. Die traditionsreiche Geschäftsgasse wurde bereits im 13. Jahrhundert, als Meran die Landeshauptstadt Tirols war, für Handel und Handwerk errichtet. Und wir schmieden neue Pläne: Noch einmal ins Hochgebirge? Und anschließend in der Meraner Therme entspannen? Oder bei einer Waalwanderung in Südtiroler Kulturlandschaft eintauchen? Vielleicht Schloss Tirol, wo die Geburtsstunde Tirols schlug, einen Besuch abstatten? Kaiserin Sisi hatte recht: Auch wir waren bestimmt nicht zum letzten Mal im Meraner Land.
Faszinierende Gegensätze in Südtirol
24 – das ist unsere Glückszahl. Zuverlässig begleitet sie uns auf unserem Weg rund um die Texelgruppe und zeigt uns das kleine Gebirge vor den Toren Merans in all seinen Facetten. Beim Aufstieg über die sonnenverwöhnten Südhänge hoch über dem Vinschgau sammeln sich in unseren Gesichtsfalten kleine, salzige Rinnsale. Eine Tier- und Pflanzenwelt, die sonst in südlicheren Gefilden beheimatet ist, fühlt sich dort so richtig wohl. Über dem tief eingeschnittenen Schnalstal werden Landschaft und Klima rauer. Abgelegene Bergbauernhöfe wie der Dickhof erzählen von den Mühen der Menschen, die über die Jahrhunderte den steilen Bergflanken Kulturland abgerungen haben. Mitten hinein ins Hochgebirge geht es durch das Pfossental. Am Eisjöchl, auf 2895 Metern hat unsere Nummer 24, der Meraner Höhenweg, den höchsten Punkt erreicht. Zwei stolze und unnahbare Damen führen dort das Regiment, die Hohe Wilde und die Hohe Weiße, beides stattliche Dreitausender. Hoch über Meran schließt sich der Kreis. In fünf Tagen haben wir die Texelgruppe, Südtirols größten Naturpark, umrundet und ein faszinierendes Kontrastprogramm erlebt.Selten liegen vergletschertes Hochgebirge und subtropische Pflanzenvielfalt so nahe beieinander wie im Meraner Land. Das hat sich bereits im 19. Jahrhundert herum gesprochen, als sich Meran zu einem beliebten Kurort entwickelte. Der europäische Adel, Künstler und Schriftsteller gaben sich ein Stelldichein. Kaiserin Elisabeth von Österreich, »Sisi«, ist dem Zauber der Stadt an der Passer erlegen und kehrte immer wieder zurück.
Von der Rebe zum Gletscher
Gerade noch sind wir bei Lana durch Apfelfelder und Weinberge gekurvt, nun stehen wir am Fuß mächtiger Dreitausender. Rund 50 Kilometer erstreckt sich das Ultental vom flachen, besiedelten Talboden des Etschtals zu den schroffen und felsigen Flanken der Ortlergruppe. 50 Kilometer, die Welten trennen. Kaum eine andere Südtiroler Region hat seine Ursprünglichkeit so bewahren können wie das Tal im Südwesten von Meran. Bergbauernhöfe mit sonnengebräunten Balken, schindelgedeckten Dächern und windschiefen Zäunen stehen seit Jahrhunderten am selben Platz. Ein Bauer mit blauer Südtiroler Schürze schwingt die Sense. Sein fester Tritt krallt sich in den steilen Wiesenhang, als wolle er dort Stufen schlagen. Auch heute ist es nur in mühsamer Handarbeit möglich, das Heu aus diesem exponierten Gelände einzubringen.Hellrot leuchtet ein Südtiroler Tropfen in unseren Gläsern. Ein Stück Speck kitzelt den Gaumen. Nach unserer Tour auf den Hohen Dieb blinzeln wir vor der urgemütlichen Riemerberglalm in die tief stehende Sonne und fühlen uns ein bisschen wie im Garten Eden. Das Ultental ist tatsächlich ein Paradies für Almwanderer. Kaum eine Wanderung, bei der man nicht an einer urigen Almhütte vorbei kommt. 36 Almen sind für Wanderer bewirtschaftet und auf jeder gibt es ein anderes Schmankerl zu probieren. Von unserem Sonnenplatz blicken wir auf die blaue, in Geröll gebettete Scheibe des Arzkarsees am Fuß des Hasenöhrls. Er verdankt seine Existenz dem Energiehunger in den 1960er-Jahren, als im Ultental sechs Seen aufgestaut wurden. Sie gehören heute zum Landschaftsbild dazu, genauso wie die zahlreichen kleinen Bergseen, die Hochtäler und Mulden mit blauen Farbtupfern verzieren. Besonders am Fuß des Glecks, eines unscheinbaren, aber ungewöhnlich aussichtsreichen Fast-Dreitausenders im hintersten Ultental, glänzen aus den Almwiesen und Bergkesseln Wasseraugen in allen Größen – prickelndes Vergnügen für alle, die auf der Tour gerne einmal abtauchen.
»König« über dem Passeiertal
Vor der Hirzerhütte wird gerade der Grill angeheizt. Musikanten trudeln nach und nach ein, schwer bepackt mit ihren Instrumenten. Die Hütte rüstet sich zur Almkirchweih. Wie auf vielen Almen in Südtirol wird auch hier am 15. August ausgiebig gefeiert und getanzt. Wir haben heute anderes im Sinn, schwingen den Bergschuh gegen den steilen Hang statt das Tanzbein auf dem hölzernen Podest. Der Gebirgsjägersteig kommt gleich zur Sache – zügig steigt er zum Gipfel des Hirzer an. Mit klammen Fingern suchen wir am kühlen Fels nach Halt. Der höchste Gipfel, der »König« der Sarntaler Alpen, empfängt uns nicht gerade mit offenen Armen. Dann stehen wir auf seinem Haupt und staunen über ein wahrhaft königliches Panorama. Dolomiten und Brenta zeichnen ein dekoratives Zackenmuster. Unter uns, fast 2300 Meter tiefer, schneidet sich das Passeiertal zwischen steile Berghänge und mündet im weiten Meraner Talkessel. Wir erkennen die Häuserwürfel von Meran, die wie mit dem Lineal gezogenen Baumreihen der Apfelfelder – und beneiden einen kurzen Moment lang die Menschen dort unten, die an der Passerpromenade bei einem lauen Lüftchen dem Dolce Vita frönen. Dann fliegt unser Blick noch einmal zum Gipfelmeer am Horizont. Nein, wir wollen nicht tauschen – noch nicht…Wenige Stunden später mischen wir uns unter die Eis schleckenden Flaneure in den Gassen Merans, lassen uns durch die Lauben treiben. Die traditionsreiche Geschäftsgasse wurde bereits im 13. Jahrhundert, als Meran die Landeshauptstadt Tirols war, für Handel und Handwerk errichtet. Und wir schmieden neue Pläne: Noch einmal ins Hochgebirge? Und anschließend in der Meraner Therme entspannen? Oder bei einer Waalwanderung in Südtiroler Kulturlandschaft eintauchen? Vielleicht Schloss Tirol, wo die Geburtsstunde Tirols schlug, einen Besuch abstatten? Kaiserin Sisi hatte recht: Auch wir waren bestimmt nicht zum letzten Mal im Meraner Land.
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