Simon Gietl: »Da brauchst du einen Partner dem du vertraust « | BERGSTEIGER Magazin

Simon Gietl: »Da brauchst du einen Partner dem du vertraust «

»North3«: die Nordwände von Ortler (3905 m), Großer Zinne (2999 m) und Großglockner (3798 m) über technisch anspruchsvolle Routen – insgesamt 7300 Höhenmeter und 363 Kilometer zu Fuß und per Rennrad innerhalb von nur 48 Stunden. Ein Wahnsinnsprojekt, das sich Simon Gietl und Vittorio Messini Ende Mai vornahmen – schwere Entscheidungen inklusive. Direkt nach ihrer Ankunft am Fuße des Großglockner trafen wir Simon Gietl zum Interview. 
 
Simon Gietl mit seinem Partner Vittorio Messini © Storyteller Labs
Simon Gietl mit seinem Partner Vittorio Messini


Bergsteiger: Herr Gietl, wie sind Sie auf die Idee für das Projekt gekommen?
Simon Gietl: Ich bin 2014 zusammen mit Gerry Fiegl 31 Stunden und 30 Minuten nonstop am Fitz Roy in Patagonien geklettert. Da entstand in meinem Kopf die Frage, wie lange ich das was ich liebe ohne Unterbrechung tun könnte. Bei mir zuhause gab es ja diese Aktion von Kammerlander und Eisendle, die 1991 die Nordwände des Ortlers und der Großen Zinne in 24 Stunden kletterten und die Strecke dazwischen mit dem Rad fuhren. Das war spannend aber ich wollte noch was draufsetzen. 

Wieso haben Sie sich für den Großglockner als zusätzliches Ziel entschieden?
Der Ortler ist der höchste Berg Südtirols, der Großglockner der Höchste Österreichs und die Drei Zinnen stehen genau in der Mitte. Das hat für mich einfach Sinn gemacht. 

Wie reagierten Kammerlander und Eisendle auf den Plan?
Der Hans hat mich kurz bevor wir zum Großglockner aufgestiegen sind angerufen und mit viel Glück gewünscht. Das hat mich sehr gefreut. 

Haben Sie speziell für die Aktion trainiert?
Ich bin diesen Winter so viele Skitouren wie noch nie gegangen, um die Grundlagenausdauer zu schaffen. Außerdem hab ich mich im Winter oft im Keller aufs Fahrrad gesetzt – am Anfang eine Stunde lang, am Ende waren es dann vier. Auch wenn ich da nur auf die Wand gestarrt habe, war ich jetzt wirklich froh darum. 

Los ging es dann am 27. Mai um 19 Uhr in Sulden. Was geht einem durch den Kopf, wenn man in die Nacht hinein zu so einem langen Projekt aufbricht?
Ich wollte einfach, dass es endlich losgeht. Nachdem der Start mehrmals verschoben wurde, haben wir richtig darauf hingefiebert und waren aufgeregt. Meine Frau hat mich am Abend vor dem Aufbruch auch noch mit einer nachgeholten Hochzeitsfeier überrascht. Ich habe also auch schon vor dem Start sehr wenig Schlaf gefunden. 

Wie oft haben Sie ans aufhören gedacht?
Da waren schon einige Momente dabei, wo wir uns gefragt haben: Geht es uns noch gut? Machen wir weiter? Kurz nach dem Einstieg in die Ortler-Nordwand hat es zum Beispiel stark geschneit und es sind kleine Lawinen abgegangen. Wir haben erst mal abgewartet. Dann hat es gottseidank aufgehört und wir haben entschieden weiterzugehen.  

An der Großen Zinne mussten sie wegen des starken Regens umkehren und sind an die »Gelbe Kante« an der Kleinen Zinne ausgewichen. Wie war die Stimmung?
Ich hatte trotz des Wetters einfach Lust was zu klettern. Deswegen habe ich gleich überlegt, was wir stattdessen machen können. Die Anfahrt mit dem Rad zur Auronzohütte hoch war echt hart und ich wollte das nicht umsonst gemacht haben. So ist es halt ein kleiner Schönheitsfehler. 

Wie fielen eigentlich die Pausen aus?
Wir haben zwischendurch natürlich immer wieder Pausen gemacht, haben aber überhaupt nicht geschlafen. Bei der Anfahrt zum Großglockner sind wir dann um 4 Uhr morgens aber fast auf dem Rad einschlafen. Mir sind immer wieder die Augen zugefallen und es wurde echt gefährlich. Wir haben uns dann für einen zehnminütigen Powernap im Begleitbus entschieden. Danach waren wir wieder fit. Es ist schon erstaunlich was für einen Unterschied zehn Minuten Schlaf machen können.

Hinter so einem Projekt steckt ja auch ein großer organisatorischer Aufwand. Wie gingen Sie mit dem Druck um, der dadurch entstand?
Natürlich war ein großes Team involviert, aber bei einer Entscheidung bei der es vielleicht um Leben oder Tod geht, denkt man definitiv nicht daran. Da brauchst du vor allem einen Partner dem du vertraust. Wir wollten auch nicht, dass ein Fotograf oder ein Filmteam mit in die Routen einsteigt. Allein die Möglichkeit, dass sich jemand wegen uns in Gefahr begibt, wollten wir nicht verantworten. 

Wie sieht Ihre Regeneration aus? Wie lange halten Sie es ohne Berge aus?
Man muss die Feste feiern wie sie fallen. Deswegen haben wir direkt nach der Ankunft schon ein, zwei Bier getrunken. Da waren wir noch voll in der Emotion drin. Wenn wir uns dass nächste Mal sehen, ist es nichts besonderes mehr, dann gehen wir halt einfach wieder klettern. Schlaf müssen wir natürlich schon ein bisschen nachholen, aber lang wird es nicht dauern, bis ich wieder am Berg bin.
 

Interview: Stefan Moll
 
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