Hundert Prozent öko: Rifugio Garelli | BERGSTEIGER Magazin
Serie: Hüttenzauber - Rifugio Garelli in den Ligurischen Alpen

Hundert Prozent öko: Rifugio Garelli

Im Rifugio Garelli lässt sich’s aushalten. Etwa, indem man sich am Orchideenmeer erfreut, ein Fußbad nimmt und den Ausblick auf Poebene und Westalpenkamm genießt. Nicht zu vergessen: das grandiose Essen mit Zutaten aus eigenem Anbau.
 
Das Rifugio Garelli setzt auf Strom aus Wasserkraft . Damit wird auch das kleine Gewächshaus links der Hütt e beheizt. © Iris Kürschner
Das Rifugio Garelli setzt auf Strom aus Wasserkraft. Damit wird auch das kleine Gewächshaus links der Hütte beheizt.
Wer wandern geht, um abzunehmen, ist im Rifugio Garelli fehl am Platz. Denn der Wirt der Hütte in den Ligurischen Alpen ist ein leidenschaftlicher Koch. Am liebsten arbeitet Guido Colombo mit Salat, Gemüse und Kräutern aus dem selbst gebauten Gewächshaus, das neben der Hütte steht. Beheizt, versteht sich, denn Guidos zwei Turbinen erzeugen viel Strom, den er aufbrauchen muss, damit das Wasserkraftwerk funktioniert. Das Ergebnis seiner Anbau- und Kochleidenschaft sieht dann so oder so ähnlich aus: Zucchini mit Speck zu Ravioli verarbeitet, dazu Fleischtomatensalat, Entenbrust mit Pilzen und später ein selbstgebackener Kuchen. Das Projekt Abnehmen ist also vertagt.

Wer zumindest nicht das Gegenteil erreichen möchte, erklimmt am besten den Marguareis, der sich gleich hinter der Hütte aufbäumt. Er ist mit 2651 Metern der höchste der Ligurischen Alpen, die am nur wenig weiter westlich gelegenen Tendapass beginnen und sich bis zum Mittelmeer ziehen. Der Berg gibt seit 2011 auch dem Naturpark den Namen. Zuvor hieß er Parco Naturale Alta Valle Pesio e Tanaro. Der Parco del Marguareis oder Bäche aus. So wie den Piscio del Pesio oder die Cascata del Saut, die man beim Zustieg aus dem Pesio-Tal besuchen kann.

Ein geheimnisvoller Alpenwolf am Rifugio Garelli

In der Stube hängt ein Bild von Piero Garelli. Auf den 1905 geborenen Namensgeber der Hütte in Italien und Präsidenten des CAI Mondovi gehen einige Erstbesteigungen im Gebiet zurück. 1945 starb er im oberösterreichischen Konzentrationslager Mauthausen, erzählt Guido. Ein erstes Rifugio, 1950 vom CAI Mondovi erbaut, brannte bereits 1987 ab. Im Oktober 1991 konnte ein neues Bauwerk eingeweiht werden, das besondere Beachtung fand. Die Architektur der Hütte ist den Bergen der Umgebung abgeschaut und hat sich mit ihrer vorbildlichen Ausstattung auch einen Preis eingehandelt. Die Lagerzimmer bieten angenehm breite Betten und im großzügigen Sanitärbereich kann man nicht nur duschen, sondern darüber hinaus auch warme Fußbäder nehmen.

In der lichtdurchfluteten Gaststube hat Guido sein Fernrohr positioniert. Den Tag im Juni, an dem er damit einen Wolf entdeckte, wird er nie vergessen. Zuerst dachte er, es wären Gämsen. Als Beweis hält er uns ein Foto unter die Nase. In den vielen Jahren hier oben sei ihm das noch nicht passiert, obwohl sich seit den neunziger Jahren Wölfe im Park aufhalten. Sie hinterlassen Spuren, doch man sieht sie nicht. Sie sind da und doch unsichtbar. Wie Geister. Perfekt getarnt und mit so feinen Sinnesorganen ausgerüstet, dass sie Regungen im Gelände lange im Voraus registrieren können.

Guidos Sohn arbeitet für das »Progetto Lupo Piemonte« und kann ein Lied davon singen. Im Schnee sei die Spurensuche einfacher, weshalb die Feldforschung vor allem im Winter stattfindet. Das seit 1999 bestehende, staatlich finanzierte Wolfsprojekt möchte aber auch herausbekommen, ob ein Zusammenleben von Wolf und Mensch möglich ist. So geht es im Sommer vor allem darum, Bauern und Hirten aufzuklären, die bisher ihre Herden frei grasen ließen. Sie erhalten kostenlose Elektrozäune und können spezielle Schutzhunde beantragen: Maremmano- Hunde. Sie sehen aus wie ein Schaf, und weil sie unter Schafen aufwachsen, fühlen sie sich auch als solche. Ob nun vorm Wolf oder vorm Wanderer, sie verteidigen rigoros ihre Herde. »Wenn der Hirte nicht in der Nähe ist, sollte man von den ›Cane da Pastore‹ besser Abstand halten«, rät Guido.

Blumenparadies Wolfsebene

Frühstück mit selbstgebackenem Brot. Die ersten Sonnenstrahlen kitzeln das kleine Wiesenplateau vor der Hütte, das ausgerechnet Pian del Lupo, Wolfsebene, heißt. Friedlich grast dort Lara, Guidos Pferd. Allwöchentlich wandern die zwei ins Tal, um Frischwaren einzukaufen, die Lara dann hinauftragen darf. Besonders zu Beginn der Saison ist das nicht so einfach, oft liegen dann noch Schneereste. Die Südalpen haben durchaus strenge Winter, auch wenn man sich das bei einer Luftlinie von etwa 30 Kilometern zum Mittelmeer nur schwer vorstellen kann. Wenn der Schnee dann aber gänzlich verschwunden ist, erstrahlt die Wolfsebene in einer blumigen Vielfalt, die nicht nur Botanikerherzen höher schlagen lässt. Im Juni überziehen den Pian del Lupo wahre Orchideenmeere und dazwischen leuchten die seltenen gelben Schachbrettblumen heraus. Jede Jahreszeit hat hier ihre Besonderheiten.
Text: Iris Kürschner
Artikel aus Bergsteiger Ausgabe 05/2013. Jetzt abonnieren!
 
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