Signor Montis Gespür für Schnee | BERGSTEIGER Magazin
Interview mit Lawinenforscher Fabiano Monti

Signor Montis Gespür für Schnee

Fabiano Monti hat eine große Leidenschaft – Schnee in jeder Form. Er ist passionierter Freerider und Skitourengeher, promovierte am Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos und gründete mit Gleichgesinnten die Firma Alpsolut, bei der sich alles um Schnee und das damit verbundene Risiko dreht. Seit einigen Jahren lebt er in Livigno und entwickelte dort das „Livigno Freeride Projekt“. Immer nah am Schnee dran, ist sein Motto. Das gilt auch für seinen Wohnsitz, der im Winter ohne Straßenanbindung, aber nahe der Skipiste ist. Den Weg ins Büro legt er deshalb auf Skiern zurück.
 
Fabiano Monti kümmert sich um das Livigno Freeride Projekt. © Franziska Baumann
Fabiano Monti kümmert sich um das Livigno Freeride Projekt.

 

In Ihrem Leben dreht sich sehr viel um Schnee. Woher kommt diese Begeisterung?
Schon als Kind konnte ich mich in der Schule nicht mehr konzentrieren, sobald es schneite. Es faszinierte mich. Dieses Gefühl ist bis heute geblieben. Eines hat sich jedoch durch meinen Beruf verändert. Zwar freue ich mich immer noch über jeden Zentimeter, den es schneit. Aber ich kenne inzwischen die Risiken und Gefahren, die damit verbunden sind.

Was reizt Sie an Ihrem Beruf als Schneewissenschaftler und Lawinenexperte?
Das wirklich Schöne ist, dass meine Arbeit immer mit Schnee zu tun hat. Dabei sind es ganz unterschiedliche Bereiche, für die ich in Livigno zuständig bin. Mal bin ich auf Ski unterwegs, um ein Schneeprofil zu graben, mal sitze ich im Helikopter, wenn Sprengungen zur Sicherheit einer Straße durchgeführt werden. Dann wieder erstelle ich einen Lawinenlagebericht am Computer. Die Verantwortung ist ziemlich groß, das ist oft nicht leicht. Ich tue einfach das Bestmögliche.  

Was ist Ihr Forschungsschwerpunkt?
Während meiner Promotion arbeitete ich mit Modellen, die die Schneedecke am Computer simulieren, um Informationen über die Stabilität der Schneedecke zu erhalten. Mein Ziel ist es, die Instrumente zur Vorhersage der Lawinengefahr zu optimieren. Außerdem möchte ich dazu beitragen, den Austausch zwischen der Wissenschaft und der praktischen Anwendung zu verbessern.

Welche Besonderheiten gibt es in Livigno, was das Thema Sicherheit und Lawinen betrifft? 
Wir haben das Livigno Freeride Projekt initiiert mit dem Ziel, allen, die sich außerhalb der gesicherten Pisten bewegen wollen, möglichst viele Informationen zu liefern. Außerdem erhalten sie Hilfestellung, wie diese zu interpretieren sind. Rund um Livigno liefern 13 Messstationen Daten zu Wetter und Schneedecke. Außerdem erstellen wir regelmäßig Schneeprofile und sammeln Beobachtungen von Bergführern, die im Gelände unterwegs sind. So erhalten wir eine umfangreiche Menge an Daten, die wirklich für die Umgebung von Livigno relevant sind. So detailliere Informationen bietet kaum ein anderer Ort in den Alpen. Einzigartig ist auch, dass alles, was wir wissen, weitergegeben wird, auch an Bergführer oder Bergsportler, die von außerhalb kommen.  

Was lässt sich Ihrer Meinung nach bei der Lawinenvorhersage noch weiter verbessern?
Wir haben eine große Menge an Daten, die von den Messstationen im Gelände gesammelt werden, aber oft zu wenig Zeit, um sie alle zu analysieren. Deshalb arbeiten wir daran, diese Daten besser zu organisieren, um sie für die Lawinenvorhersage anwendbar zu machen.  

Hat die Risikobereitschaft bei Skitourengehern und Freeridern zugenommen?
Viele sind sich der Gefahr gar nicht bewusst. Es ist, als würde man in einem Meer mit Haien schwimmen, weiß aber nichts von den Haien. Wir nennen sie die „Highlander“, weil sie unsterblich scheinen. Sie haben keine Ahnung, wie nahe sie dem Tod sind. Das menschliche Verhalten ist nicht immer rational, auch bei Entscheidungen, die die Lawinengefahr betreffen. Die Psychologie spielt eine große Rolle. Deshalb ist es schwer vorherzusagen. So ist beispielsweise die Situation für jeden dieselbe, die Bereitschaft, ein Risiko einzugehen, ist aber jedem eine andere.

Was ist für Sie selbst wichtig, um bei einer Skitour das Risiko zu minimieren?
Man sollte immer das Gelände um sich herum beobachten und Informationen sammeln. Wichtig ist, Zeichen zu erkennen, beispielsweise Geräusche im Schnee oder frisch abgegangene Lawinen. Entsprechend muss man seine Entscheidungen treffen. Man braucht einen Plan B, um flexibel und nicht auf ein Ziel fixiert zu sein. Entscheidend ist auch, aus Fehlern zu lernen und dabei ehrlich zu sich selbst zu sein.

Haben Sie selbst noch Zeit, viel im Schnee unterwegs zu sein?
Ich verbringe inzwischen viel Zeit im Büro. Wenn ich aber eine Gelegenheit zum Freeriden oder Tourengehen habe, weiß ich immer, wo der beste Schnee ist.
 
Franziska Baumann
 
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